Monumentale Bilder aus Berlin: Der Kanzler und seine besten Minister treten im Drama "Ernstfall" als sie selbst in ihren besten Rollen auf. |
Egal was kommt, was war
Ich sag aus tiefstem Herzen: „Ja“
Ich würde jeden Weg mit dir noch einmal gehen
Mit einem Lächeln alle Stürme überstehen
In alle den Jahren hab ich nichts bereut
Du bist meine Liebe, mein Gefährte mein Freund
Andrea Berg
Zwei Jahre an der Seite der Mächtigen, zwei Jahre im Dunstkreis der großen Politik, gemacht von lauter eher kleingewachsenen Leuten. Der Filmemacher Stefan Lamby geht dorthin, wo es wehtut. Tut aber selbst niemandem weh. Seine mehrteilige Dokumentation "Ernstfall - Regieren am Limit" ist eine überaus freundliche Darstellung der Bemühungen der Ampel-Regierung, sich nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine in einer Welt zurechtzufinden, die alle Blütenträume vom großen Umbau des Landes zum grünen Paradies, von Klimarettung auf Kosten der Nochimmerhierlebenden und eine Modernisierung der Gesellschaft von oben platzen ließ.
Die übliche Inszenierung
Die Inszenierung ist die übliche. Scholz, Habeck, Baerbock und manchmal sogar Lindner locker im Oberhemd, gelehnt an einen Tisch, die Hände in den Taschen in einem virtuellen Aquarium oder beim Wassereimerschleppen im echten Mali, ein bisschen Spaß muss sein. Dazwischen geschnitten Interviews mit den Akteuren, wie fanden sie sich, wie regieren wir auf einen Überfall Chinas, was muss Mali nun tun, setzt Putin die Atombombe ein, wissen Sie eigentlich, wie viel Gas Deutschland aus Russland bezieht.
Nein, oder doch, aber sag ich nicht. Dafür sind die Journalisten da, die wie ein verschworener Tross immer dort sind, wo sie auch nicht weiterwissen. Im "Ernstfall" wirkt der Ernstfall wie ein Theaterstück: Baerbock, damals verfügte die Bundesrepublik noch über Langstreckenflieger, eilt von der Ukraine nach Afrika, um sich Getreidesäcke anzuschauen. "Damit die Menschen in Äthiopoien nicht noch auch noch Opfer des krieges werden." "Am Montag ist sie in Den Haag", lobt eine Protokollantin der "Zeit". Das sei wohl "ein Mensch, der viel will".
Lob von allen Seiten
Und wenig bereut. Annalena Baebock fällt erst mal gar nichts ein, dann nur der Umstand, dass die ganze Regierung früher hätte in die Ukraine fahren müssen. Lindner gibt zu, man habe viele Fehler gemacht. Alles andere war schwer, aber richtig, und schön sieht es nun im Rückblick auch, trotz der angespannten Lage. Stephan Lamby hat diese typische Tatort-Beleuchtung gewählt, alles tragen alles in jeweils passenden Farbtönen, ein Filter leckt das glänzend, so das eine Ästhetik zwischen Hollywood-Kriegsfilm und Versicherungswerbespot entsteht. Passend zur Begleitung des ersten deutschen Kriegskabinettes seit 78 Jahren, das aus einer Frau und einigen Männern besteht, die auch noch lachen können.
Nicht über die Tatsache, dass es zentral um den russischen Überfall auf die Ukraine geht, die Verteidigungsministerin, die zuallererst dafür zuständig ist,m aber nicht vorkommt, weil sie später ihren Posten verlor. Nicht darüber, dass die Außenministerin als einzige weibliche Protagonistin selbst mithilft, die Unwucht zwischen all den Männern - neben Scholz, Habeck und Lindner dürfen auch Pistorius und Lauterbach ein paar Sätze aufsagen - zu dramatisch orgelnder Musik aufzuführen, statt zu verlangen, dass auch videotechnisch die Parität hergestellt wird, für die Ampel angetreten ist.
Helden eilen hin und her
Nein, gelacht und gescherzt wird hier im Zwischenmenschlichen: Die Heldengestalten eilen hierhin und dahin, sie sitzen in Konferenzen und Krisenberatungen, schieben Milliarden hierhin und dorthin, retten und tun und löschen Weltenbrände, während die anderen Hände den Deutschen die Wohnungen heizen und ihre Versorgung mit Lebensmitteln sicherstellen. Was das Bild stören könnte, spielt hier keine Rolle. Der große Heizungskrieg wird zu lästigen Feindkampagne gegen die Lichtgestalten. Der Streit um die Schwerenwaffen ist nur noch eine Petitesse, das Machtwort des Kanzlers im Ringen um die Abschaltung der Kernkraftwerke mitten in der größten Energiekrise wirkt wie normaler Politikbetrieb.
Lob gibt es dafür aus der Fankurve, alle anderen der wenigen Zuschauer, die Meisterwerk politischer Inszenierung fand, mögen sich fragen, was das Ganze soll. Den Ampelparteien im Landtagswahlkampf in Hessen und Bayern helfen? Andere bestellte Booster-Meldungen fragwürdigster Provenienz mit Emotionen flankieren? Ein Ampel-Fazit schon zur Halbzeit in die Geschichtsbücher schreiben, falls der Atem der Fortschrittskoalition doch nicht bis zum regulären Ende der Legislaturperiode reicht?
Ein Opus ohne Kritik
Kritik jedenfalls gibt es nicht in Lambys Film, obwohl die Ampel nach Überzeugung einer großen Mehrheit der Bevölkerung die schlechteste Regierung stellt, die Bundesdeutschland jemals hatte. Stattdessen stellt der Filmemacher Entschuldigungszettel aus: Geplant war alles anders. Dann kam der Russe. Und nun lassen sich die vielen, vielen Superpläne zur Transformation eben nur noch unter großen Opfern umsetzen, die die Bevölkerung allerdings bringen muss, weil die Menschheit sonst keine Zukunft hat.
Zwei Jahre hat der Regisseur gebraucht, um diese Erzählung zusammenzustricken, durchwirkt nicht nur mit Bildern von der Front, sondern auch mit eingeschobenen Erläuterungen von Aktivisten der selbsternannten "Letzten Generation", die wohl zeigen sollen, dass der Druck gerade auf die wackeren grünen Minister nicht nur von Putin kommt, sondern auch von Kindern und Wohlstandsaussteigern. Wie sich ein solches Projekt finanziert, über zwei Jahre mit endlosen Reisen, selbst ohne das übliche Team aus Kameramann, Beleuchter und Tonverantwortlichem, das es den ARD-Angaben hier nicht gab, wäre der interessanteste Punkt an "Ernstfall". Womöglich einfach ein Herzensprojekt ohne Gewinnerzielungsabsicht. Womöglich einfach Liebe.
Kann ich nicht gucken. Bei Tatortbeleuchtung werde ich nach 15 Minuten schattenlos ausgeleuchteter Szenen immer schneeblind.
AntwortenLöschenHätte mich, genau wie die 1,9 Millionen Zombies vorm TV, natürlich interessiert, wie die Ampel nur noch schnell die Welt rett und 148713 Mails check.
Und wozu sollte der Bundestag einen Bundestagspoeten bezahlen wenn von den Öff.-Rechtl. die fetten Budgets kommen.
es gibt da auch nicht viel zu sehen
AntwortenLöschenIn einem Anfall von Masochismus habe ich es mir für < 10 Sekunden angetan. Mit Nietzsche: Nicht mein Hass, mein Ekel fraß mir hungrig am Leben.
AntwortenLöschenEs gibt zwar ganz erstaunlich Bematschte nicht zu knapp - aber ob sich das jemand völlig freiwillig und mit ungeheucheltem Entzücken angetan hat?
die verwandten sicher, die parteifreunde und mitarbeiter. da kommst du schon auf ein paar millionen zuschauer
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