Die Dürre hat auch die Demokratie erfasst: Die Alternativlosigkeit macht die Wahl überflüssig. |
Als Herfried Münkler in einer schon längst vergessenen Zeit über die "Verdrossenen und die Empörten" schrieb, wohnte der Berliner Politikwissenschaftler noch in einer Welt, die von innen betrachtet vorzüglich aussah. Die große Finanzkrise war überstanden, der Staat hatte alle und alles gerettet, wieder einmal. Dass Jakob Augsteins "Freitag" sofort argwöhnisch feststellte, "wie wenig Kapitalismus und Demokratie noch zueinander passen", gehörte zur frühen Phase der Aufmerksamkeitsbewirtschaftung, Münklers Feststellung einer "Demokratie im Anerkennungsloch" in den Bereich der Prophezeiungen.
Wahre Prophezeiungen
Zehn Jahre danach sieht das ganz anders aus. Dass die Demokratie Fortschritt durch dauernde Bedenkenträgerei blockiert, dass alternativlose Entscheidungen wegen all der Mitrederei nicht schnell genug "gegen die Bevölkerung" (Mark Schieritz) durchgezogen werden können, gilt heute als bedauerliche Binsenweisheit. Die Sehnsucht nach einem postdemokratischen System, in dem alle einfach tun, was ihnen gesagt wird, sie ist groß und sie wächst mit jedem Ampelstreit.
Enttäuschte Versprechungen
Das war damals aber schon anders. "In Zeiten der Globalisierung, da sämtliche Grenzen an Bedeutung verloren haben, ist der Staat zwar nach wie vor der Adressat von Erwartungen, aber er hat viel von seiner früheren Handlungsmacht verloren." Da ist die EU, die gern genommen wird, wenn Dinge getan werden müssen, die man selbst nicht verantworten will. Da ist der Billardtisch der internationalen Beziehungen, auf dem sich bewegen muss, wer irgendwo hinkommen will. Aber auch das gelingt nicht immer. Zwar schafft es der Staat, sich in immer mehr Lebensbereiche immer tiefer vorzuwühlen - keine Investition, kein Hausbau, keine Wärmepumpe und keine Geburt findet heute noch statt, ohne dass allerlei Fördermittel und Maßnahmen Teil der Gesamtrechnung sind.
Größer und immer machtloser
Lästige Demokratie
Wirklichkeit zu Besuch
Auf einmal ist die Wirklichkeit zu Besuch. Und zum ersten Mal seit langer Zeit ist es die Wirklichkeit der Gegenwart, die sich wenig beeindrucken lässt von den routinierten Versuchen, Konferenzen zu veranstalten, um Verträge zu schließen, die auf Erfüllungstermine in einer möglichst fernen Zukunft gelegt sind, wenn niemand mehr, der heute ihren Abschluss beklatscht, fragen wird, warum aus all den tollen Absichten so gar nichts geworden ist. Im Augenblick wird taggenau abgerechnet. Und da steht unterm Strich in der Regel eine Null.
Wie schon vor der Finanzkrise, der Staatsschuldenkrise, der Pandemie und der Lieferkettenkrise hat es an Vorbereitung gefehlt. Niemand hat nichts geahnt, keiner hat einen Plan gemacht, schon gar keinen Plan B. Und nun im Krieg sind die Planungszeiten naturgemäß kürzer, die Ausrede, man stimme sich erst mal noch mit den Verbündeten ab, hält nicht mehr ein halbes Jahr, sondern allenfalls ein paar Tage. Dann wird selbst die konsternierte Öffentlichkeit zappelig, dann muss etwas passieren, das über den routinierten Solidaritätsbeleuchtungswechsel hinausgeht.
Demokratie in der Krise
Die Demokratie ist in der Krise. Die Menschen sind unzufrieden. Das Murren wird lauter und die AfD wächst. Plötzlich kann man sich vorstellen, dass die widerlichen Rechtspopulisten mit ihrem Tiefkühllächeln eines Tages in unserer herrlichen Bundesregierung sitzen. Zwischen Wahlvolk und Politik macht sich eine große Entfremdung breit. Es herrscht ein Notstand der politischen Legitimation. Wie behebt man den? Durch genaueres Hinhören, was die Menschen wollen? Sollen die Menschen wieder mehr an den politischen Entscheidungen beteiligt werden? Bloß nicht.
Volkes Stimme und Fortschritt - das geht nicht gut zusammen. Immer entscheiden sich manche an der Urne falsch, andere gehen gar nicht hin. Heraus kommen Entscheidungen, die so nicht geplant und nicht gewünscht sind. Vernünftig ist das alles nicht - und fortschrittlich erst recht nicht. Eine Staatengemeinschaft, die sich seit so vielen Jahren anschickt, der wachstumsstärkste Kontinent im ganzen Weltall zu werden, braucht Planungssicherheit, die nicht durch kleinliche Wählerwünsche beeinträchtigt wird.
Kein geeignetes Instrument?
Offenbar ist die Demokratie kein geeignetes Instrument, um für Gerechtigkeit zu sorgen. Die Welt hat zwar vor vielen ihren Siegeszug gesehen. Aber das Wort Demokratie bedeutet uns heute nichts mehr. Alle sind jetzt Demokraten, so wie gerade noch alle Diktatoren waren. Wenn aber Recep Tayyip Erdogan, Angela Merkel und Wladimir Putin gleichermaßen Demokraten und sich ein Typ wie Donald Trump anschickt, einer zu werden, nur weil ihn die Leute vielleicht wählen - ist es dann nicht Zeit, die Demokratie grundsätzlich infrage zu stellen?
Bei allem Bessererklären, trotz Zweifelverbot und Einsicht in die Notwendigkeit von Wohlstandsrückbau, Energieentsagung und Naturbekämpfung fehlt es aber vielerorts immer noch an Einsicht, dass der freie Wille am Ende sein muss, wo seine renitente Ausübung anderen Schaden zufügt. Obwohl seit Sonneberg klar ist, dass ausländische Investoren und dringend benötigte Fachkräfte Regionen meiden, an denen ihnen Hetze, Hass und Vorurteile entgegenschlagen, beharren vor allem im Osten Bürgerinnen und Bürger darauf, angesichts eines demokratischen Blocks aus ehemaligen und aktuellen Regierungsparteien, der über Ziele und Maßnahmen weitgehend einig ist, jemanden wählen zu wollen, der ein Weiterso ablehnt.
Sieg der Verdrossenen
Münkler sah in den Auslaufwellen der Staatsschuldenkrise keinen "besseren Mechanismus zur Aushandlung unterschiedlicher Erwartungen und Interessen als die Demokratie". Zweifelte aber, ob er nicht längst Schaden genommen hat: Eine "Erwartungsüberfrachtung" habe sich in den letzten Jahrzehnten aufgebaut, die regelmäßig zu Enttäuschung und Wut führe. Von "Wumms" und Doppel-Wumms" ahnte er noch nicht einmal, den "Wutbürger" aber gab es schon. Münkler beschrieb ihn noch als "Produkt seiner eigenen überzogenen Erwartungen", mittlerweile aber geht er eher als Ergebnis multipler Enttäuschungen um. Durchregieren zu können, ist die Sehnsucht aller Kabinette. Verdrossen zu sein ist die letzte Waffe der Regierten.
waldsterben 5. September 2023 at 12:29
AntwortenLöschen2 weitere Ampeljahre sind 2 weitere Chancen, dass an einem eiskalten, dunklen windstillen Dezembermorgen hier für ein paar Wochen die Lichter ausgehen.
Dann hat es auch der letzte Wähleridiot begriffen.
Bedauerlicherweise: NUR dann!
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Was für ein Trottel. Dann wird erstens der böse Putin schuld gewesen sein, der uns aus nackter Bosheit das Gas abgedreht hat, zweitens wir ALle selber, weil wir die Energiewende aus Geiz und Kleinmütigkeit viel zu lasch betrieben hätten.
(((Den Teufel))) spürt das Völkchen nie, und wenn er sie beim Kragen hätte.
Nur Besengte unterwegs: Rasender Reporter bei Jouwatch singt Hallelujah und dankt der Saudetschen Zeitverschwendung (SZ), weil die Schwarzen und Grünen Khmer je ein Prozent, die Noskehunde zwei Prozent verloren hätten, zugunsten der "Freien Wähler" (Wat se all maken ...),
AntwortenLöschendie den Morgenthauplan befürworten. Ogottogott.
Der Vernünftigste ist noch der Kommentator Matt Wurst - Natürliche Intelligenz.
dass sie eine Gesellschaftsform ist, in der der öffentlich ausgetragene Dissens am Ende zu den besten Ergebnissen führt –
AntwortenLöschenWüsste ich nicht, dass dieses ironisch gemeint ist, würde ich, frei nach Ehm Welk sagen: Sie sind, ehrwürdiger Blogwart, ein Freund des Witzes und der Ironie.
OT Ach weil's so schön ist: Phasenverschiebung auf dem Klo bei Danisch
AntwortenLöschenSeit man auf „trans“ macht, braucht man wieder klassischen Herren- und Damenklos, damit die „Trans-Frauen“ aufs Damenklo können.
Zeller kriegte es nicht besser hin, bloß mit Bild.