Was wäre denn aber, wenn viele gerade das auch wollen? |
Chefs von Geheimdienstes sind in der Regel von der öffentlichkeitsscheuen Sorte. Sie halten sich bedeckt, denn sie Fischen im Trüben, allenfalls in den seltenen, ungebetenen Momenten, in denen Skandale ihre streng abgeschotteten Apparate erschüttern, treten sie aus dem Schatten und versuchen, ihre Häuser durch umfassende und verwirrende Aussagen vor Konsequenzen zu schützen. Zu viel Licht tut dem tun nicht gut, zu viel Einsicht zu vieler Außenstehender in Abläufe und Entscheidungen auf der dunklen Seite der Macht stört das Funktionieren des Systems, das einen Teil seiner Wirksamkeit dem Umstand verdankt, das es offiziell reine Beobachtungsaufgaben zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, wahrnimmt und - eine Lehre der Geschichte - niemals exekutiv tätig wird.
Alle für die Anderen
Mittlerweile aber doch. Immer öfter taucht Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang, Nachfolger des durch Äußerungen zu den Ausschreitungen in Chemnitz als "Verfassungsfeind" enttarnten Hans-Georg Maaßen, wie ein aktuell-politischer Kommentator auf der Bildfläche auf, um mahnend den Zeigefinger zu haben und nach rechts zu weisen: Auch der jüngste AfD-Parteitag, so hatte der altgediente Verfassungsschützer bereits Stunden nach der letzten Rede in Magdeburg herausgefunden, habe der Verbreitung von "rechtsextremistischen Verschwörungstheorien", der "gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit" und dem seit zehn Jahren anhaltenden Rechtsruck der von Verfassungsschutz schon als" in Teilen rechtsextremistisch" geltenden Partei gegolten.
Konkret führte Haldenwang die Erwähnung des "Großen Austauschs" auf dem Parteitag an, zudem sei von "menschengemachtem Bevölkerungswandel", "Multikulti" und einer "Masseneinwanderung" die Rede gewesen. Formulierungen, die Haltungen verraten, "die nicht mit unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar sind". Als in Ermangelung entsprechender konkreter Schutztatbestände im Grundgesetz nicht direkt staatsfeindlich, aber schädlich, fanden sich zudem sogenannte "europafeindliche" Tatbestände gebrandmarkt. Aus der EU austreten oder die EU komplett neu gründen zu wollen, ist derzeit weder verboten noch als Ansinnen besonders originell. Im Falle falscher Absender entsprechender Forderungen aber bereiten sie Sorge.
Einzahlungen auf ein Konto
Und jedes einzelne Mal zahlt die Empörung auf ein einziges Konto ein. Ganz egal, ob die grüne Parteivorsitzende sich beim Kampf gegen rechts von der Brandmauer stürzt, ob die Innenministerin den Rechtsextremismus in einer Art Dauerschleife als "die größte Gefahr für die Menschen im Land" anprangert oder "Rechercheverbünde" von Gemeinsinnsendern und "privatkapitalistischen Medienheuschrecken" (ARD) "radikales Gedankengut" bei Parteimitgliedern finden, die "Menschen draußen im Land" (Olaf Scholz) wissen das alles längst und es stört sie wenig.
Natürlich ist die AfD eine Partei, die niemand wählen würde, gäbe es eine Alternative für Deutschland. Aber ebenso natürlich ist die nicht da, so dass selbst das traurige AfD-Spitzenpersonal die Wähler nicht ausreichend abschreckt. Gewählt wird die AfD nicht, weil sie so gut ist, so tolle Ideen hat oder ihr zugetraut wird, die Dinge zum Besseren zu wenden. Gewählt wird sie, weil all die anderen für einen Teil der Bevölkerung unwählbar geworden sind: Zu viel Bevormunderei. Zu groß der Verdacht, dass nicht immer alle Kraft wirklich dem "Wohle des Volkes" gewidmet wird, um seinen "Nutzen zu mehren und Schaden von ihm zu wenden". Die grüne Parteichefin Ricarda Lang hat daran eben erst sogar gar keinen Zweifel gelassen. Wenn die AfD dafür ist, einem Theater mehr Geld zuzubilligen, dann muss ein guter Demokrat dagegen sein, ganz egal, was es kostet.
Die Aussätzigen als Hebel
Auch Thomas Kemmerich, Thüringer Kurzzeit-Ministerpräsident der Liberalen, bis seine Wahl von Berlin aus rückgängig gemacht wurde, glaubt nicht, dass irgendjemand glaubt, dass sich mit einer Machtübernahme der vom Landesverfassungsschutz als „erwiesen rechtsextrem“ eingestuften Partei etwas ändern würde. Doch vielen Anhängerinnen und Anhängern sei das egal, so Kemmerich. "Sie sagen nur: Es muss sich etwas ändern. Und es ändere sich nur etwas, wenn die anderen Parteien Druck bekämen."
Die Aussätzigen als Hebel, mit denen die Etablierten zum Wackeln gebracht werden sollen, bis sie am Ende ja doch nicht nur nachdenken, sondern ihre Politik ändern werden müssen - anerkennend, dass vermeintliche Schreckensbilder, wie sie die FAZ vor Jahren schon vom Leben zeichnete, "wie es die AfD führen möchte", für einen unabsehbar großen Teil der Schonlängerhierlebend alles andere sind als das.
Beleidigen und boykottieren
Die Chancen, sie umzustimmen, indem man sie als "Nazis" (Böhmermann) beschimpft, als Ewiggestrige beleidigt und droht, sie als Umzuerziehende so lange aus allen Debatten auszuschließen, bis sie ihre falsche Einstellung einsehen, stehen nach zehn Jahren schlecht. Alles deutet darauf hin, dass eher das Gegenteil des Gewünschten geschieht: Je heftiger die Angriffe und je deutlicher die Ansagen, desto bockiger die Adressaten.
Und doch ist es eine breite Front, die der AfD von hinten Wind in die Segel bläst. Haldenwang orgelt von Verschwörungstheorien, Baden-Württembergs grüner Finanzminister Minister Danyal Bayaz attackiert Entlastungen auch der breiten Mitte und plädiert dafür, dass die längere Lebensarbeitszeiten im Kampf gegen den drohenden Wohlstandsabbau in Kauf nehmen müsse.
Der Gesundheitsminister ficht im Frühherbst eine imaginäre Hitzeschlacht, seine Kollegin im Auswärtigen Amt geht gegen einen Satireaccount vor, die Innenministerin bewirbt sich aus dem Amt um einen neuen Job, der Landwirtschaftsminister begrüßt ausdrücklich nur "alle Anhänger aller demokratischen Parteien" bei seinen Veranstaltungen, die Bauministerin plant millionenschwere Geschenke an die großen Immobilienkonzerne und der Kanzler macht Urlaub.
Zum Einlenken zu steif
Zur Bewegung unfähig, zum Einlenken zu steif. Das schwierigste aller politischen Manöver ist das Räumen einer unhaltbar gewordenen Stellung - doch ausgerechnet diese Disziplin beherrschen weder die SPD noch die Grünen, die Liberalen, die CDU oder die Linke. Störrisch beharren sie alle darauf, dass ihnen zu folgen sein wird, wenn Deutschland demokratisch bleiben soll. Und aus den Echoräumen von Verfassungsschutz bis Gemeinsinnfunk hallt die Botschaft unisono wieder: Ein Umdenken da draußen ist alternativlos, das Beharren im Maschinenraum der Macht ebenso.
Wird das fruchten? Oder bewirkt es weiterhin das Gegenteil? Wetten werden nirgendwo angenommen.
Die Katholen haben die Lösung gefunden. Realität ist ein Sprechakt. Man nimmt die Realität einfach nicht mehr zur Kenntnis. Dann gibt es auch keine Probleme mit der AfD.
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Arbeitergroschenpflichtige Lektüre beim Aust.
MERZ-AUFTRITT IM CSU-WAHLKAMPF
Die AfD nicht mal beim Namen nennen
Das Herr Haldenwang regelmäßig das Licht der Öffentlichkeit sucht, is not a bug it´s a feature. Nachdem Herr Maaßen gerade noch rechtzeitig, als vom rechten Virus infiziert, enttarnt werden konnte, wurde beschlossen, dass so etwas anachronistisches wie ein Inlandsgeheimdienst nicht mehr benötigt wird.
AntwortenLöschenDa unsere unfehlbare Regierung erkannt hatte, dass alle Gefahren, außer die der rechten Brut, harmlos und vernachlässigbar für unser Staatswesen sind, wurde beschlossen den Verfassungsschutz in ein Amt für die Verhinderung der AfD umzubauen.
Dazu gehört nun einmal, dass dessen Chef tagein, tagaus verkündet, um was für Schwefelbuben und -mädchen es sich dort handelt. Gerne genommen werden hier alle Äußerungen unterhalb jeglicher Strafbarkeit. Irgendwas wird schon hängen bleiben. Eine falsche Neutralität wäre hier total fehl am Platze. Schließlich gilt es hier inzwischen als urdemokratisch die Demokratie auch mit undemokratischen Mitteln zu verteidigen. Um das vierte Reich, dass wie jeder weiß, hinter der nächsten Ecke lauert, abzuwehren, ist alles erlaubt.
Herr Haldenwang hat die Maaßen-Lektion perfekt verinnerlicht. Wes Brot ich ess, dess Lied ich sing. Was gewünscht wird, wird unter dem Applaus der Medien geliefert. So wird man heute etwas, im Besten Deutschland aller Zeiten. Herr Haldenwang reiht sich damit nahtlos ein in die Reihe grauer und folgsamer Apparatschiks, welche inzwischen alle Institutionen leiten, in denen der Staat irgendwie die Finger drin hat.
Irgendwas wird schon hängen bleiben.
AntwortenLöschenWorauf du einen lassen kannst. Der mündige Bürger ist so.
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
AntwortenLöschenHerr Haldenwang hat unterdessen eine Unterlassungserklärung unterschreiben müssen (also vom Gericht verdonnert) wegen parteiischer Äußerungen gegen die AFD.
AntwortenLöschenDer läuft jetzt juristisch am "kurzen Zügel".
https://www.afd.de/peter-boehringer-bundesamt-fuer-verfassungsschutz-unterzeichnet-stillhalteerklaerung-betreffend-kommentierung-von-afd-europa-kandidaten/
https://t.me/pboehringer/2269
zur Info!
Moin PPQ,
AntwortenLöschenSchöner Abriss, hier meine Ergänzung:
Wenn Böhmermann AFD als NAZIS bezeichnet (oder deren Wähler) macht er sich strafbar hinsichtlich der Verharmlosung der Schrecken des Nationalsozialismus - um es mal im gegenwärtigen deutsch mitzuteilen - eigentlich trifft es sogar "Sonstige" bei solchen Vergleiche noch schlimmer (Bhakti uva) indem man Antisemitismus vorwirft - denn mit dem Vergleich ist er einer respektive der AFD selbiges.
Da das aber alles nur in einem wahrhaften Rechtsstaat von belang ist, legen wir das unter "Folklore" ab.
Schrecken des Nationalsozialismus ...
AntwortenLöschenEbend. Jeder, der weniger als 1,80 maß und nicht blond+blauäugig war, kam sofort in Schutzhaft.
Und das Massaker von Katyn den unschuldigen Sowiets in die Schuhe schieben.
Heil Godwin!
@tankwagenfahrer: es fehlt aber an verfolgungsinteresse
AntwortenLöschenDie Welt ist so sehr verjodelt, dass sie uns schließlich doch noch unterkriegen.
AntwortenLöschenAus: Die Abenteuer des Chaim Noll.