Ein japanischer Tanker, der unter panamaischer Flagge fährt, treibt brennend vor der niederländischen Küste. An Bord sind Tausende in Deutschland hergestellter Elektroautos aus den USA, in denen Lithium aus China und Kobalt aus Afrika stecken. Kurz nach dem Auslaufen Richtung Ägypten bemerkte die indische Mannschaft, dass ein Feuer unter Deck ausgebrochen war. Eines der Elektrofahrzeuge war in Brand geraten, die Flammen von Rhodos hatten übergegriffen auf den Car Carrier. Die "Fremantle Highway", vom aus den Tages der verstopften Suezkanals bekannten Eigner Luster Maritime ausgeschickt, ist erst zehn Jahre alt. Und schon ein Totalschaden.
PPQ-Kolumnistin Svenja Prantl betrachtet den Brand auf der "Fremantle Highway" als Menetekel. Die Menschheit muss jetzt handeln.
Svenja Prantl hat Bedenken. |
Irre Angst vor Regionalkreisläufen
Ohne spürbaren Erfolg, wie die demonstrativ auf den Namen einer Autobahn getaufte "Fremantle Highway" zeigt. An Bord hat das Schiffe alle wirtschaftlichen Verwerfungen einer Zeit, die nicht so sehr scheut wie regionale Kreisläufe, die Beschränkung auf das Notwendigste und einen kargen Lebensstil, der sich begnügt mit dem, was die Natur freiwillig gibt. Da werden erst Tonnen von Lithium und seltenen Erden aus der Erde Afrikas und Asiens gekratzt, zu Batterien zusammengeschraubt und um die halbe Erde geschippert. Dann werden - inmitten einer von Menschenhand geschlagenen Lichtung, die größer ist als das Berliner Regierungsviertel - Fahrzeuge daraus geschmiedet, gebogen und geschraubt. Die auf einem 200 Meter langen Kahn in ein Lang geschippert werden, das nicht eine einzige Ladesäule besitzt.
Weil es geht, weil sie es können, weil die klugen Stimmen, die Rationierung, Kriegswirtschaft und verordnete Bescheidenheit fordern wie es die frühere Taz- und Bestseller-Autorin Ulrike Herrmann tut, einfach nicht laut genug zu hören sind. Das System des gewinnorientierten Wirtschaftens, es zwingt seine Untertanen, nach seiner Logik zu funktionieren. Das Überleben erfordert harte Arbeit, gelingt es, entsteht das Gefühl, nun auch eine Belohnung verdient zu haben. Im kleinen Maßstab ist das die kleine Sünde, die Tüte Gummibären, das Eis, der Cocktail, die Bratwurst. Im großen wuchert es zu Urlaubsreisen, zu Fernflügen und Exkursionen durch fremde Länder, die nicht sein müssen, weil alle die fremde Ferne längst gründlich erkundet ist.
Kleine Fluchten sind erlaubt
Der Kapitalismus aber zieht einen Teil seiner Elastizität eben aus der Fähigkeit, kleine Fluchten zuzulassen. Die hatten seine sozialistischen Konkurrenten nie zu entwickeln vermocht. Der Kapitalismus schafft es so, seinen Gefangenen ein Gefühl der Freiheit zu vermitteln, das den Insassen des sozialistischen Lagers in den Jahren der Existenz des straff organisierten, fest abgeschotteten Gegenentwurfes mehr und mehr schwer abging.
Damals gab es keine Waldbrände, keine allumfassende Dürren, aber auch keine Weltgemeinschaft, die an einem Strang in die richtige Richtung zog, wenn auch viel zu langsam. Der Handel zwischen Regionen, die Tausende Kilometer voneinander entfernt liegen, hatte noch längst nicht das Ausmaß angenommen, das heutige Lieferketten benötigen, um nicht im Leerlauf zu rotieren. Den Pries dafür zahlt die Allgemeinheit, ihn zahlen Urlauber auf Rhodos ebenso wie die in Sharm El-Sheikh, auf Mallorca und Madeira, die letzte Generation, die diese ehemals so idyllischen Orte noch besuchen konnte, ehe sie einer außer Rand und Band geratenes Weltklima vom Globus brennt.
Eine Menetekel der kochenden Ozeane
Die "Fremantle Highway" erscheint vor dem Hintergrund entflammter Wälder und kochender Ozeane wie ein Menetekel. Trotz der Klimakatastrophe, die unübersehbar begonnen hat, fällt die Antwort der Weltgemeinschaft weiterhin "erbärmlich" aus, wie UN-Generalsekretär António Guterres bereits vor Monaten beklagt hat. Deutschland, das sich selbst als Vorreiter einer Welt sieht, in der Menschen den Planeten bewohnen, ohne Spuren zu hinterlassen, diskutiert alles andere, aber nicht das, was wichtig ist: Da geht es um Brandmauern und Wirtschaftswachstum, um den Krieg in der Ukraine, Zinsen, Migration und die Angst vor einer Wärmepumpenpflicht.
Dabei weiß jedermann spätestens seit sich Konstanz am Bodensee zum Klimanotstandsgebiet erklärt hat, dass eine solche inkonsequente, vor Leugnern, Verharmlosern und Beschwichtigern einknickende Klimapolitik bis zum Ende des Jahrhunderts zu einer Erderwärmung von 2,8 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter führen wird. Fast zweimal so viel wie das vereinbarte Ziel von 1,5 Grad und ein Garant dafür, dass Italien-Urlaub, Reisen nach Ägypten, Spanien, Tunesien und Marokko im Hochsommer kaum noch möglich wären. Millionen müssten auf die Nebensaison im Frühjahr und im Herbst ausweichen, um Familien mit Kindern nicht zu benachteiligen, wäre es nötig, die Schulferien zu verschieben...
Rasenden Auges in den Untergang
Zweifellos, Deutschland rast sehenden Auges auf eine Katastrophe zu. Immer noch aber setzen viele auf Wunschdenken, auf unerprobte Technologien und Wunderlösungen setzen. Löschflugzeuge sollen gegen die Waldbrände helfen, Bewässerung soll die Ernten retten, die durch beständig sinkende Anbauflächen weit weg sind von den 50 Millionen Tonnen Ertrag, der vor Jahren noch erzielt wurde. "Es ist Zeit, aufzuwachen und aufzustehen", hat UN-Generalsekretär Guterres gefordert, lange bevor auch die Meere in Flammen aufgingen. Es wäre doch so einfach: Die Menschheit müsste nichts weiter tun, als alle ihre Anstrengungen an allen Fronten deutlich zu erhöhen, die Nutzung von Öl, Kohle und Gas sofort zu beenden und eine "komplette Umwandlung der Industrie hin zu sauberer Energie" vollziehen.
So einfach, so leicht und so schwer zu machen. Dass die Politik nicht wagt, Klartext zu sprechen und den Deutschen die Rechnung zu präsentieren für ein Leben im Überfluss, macht es schwer, eine Brandmauer zwischen den von allen bisherigen Bundesregierungen hochgezüchteten Wohlstandserwartungen und einer Realität hochzuziehen, die es erfordert, perspektivisch mit immer weniger auszukommen. Die Feuer von Rhodos und die Flammen an Bord der "Fremantle Highway" aber leuchten uns heim - sie zeigen, was geschieht, wenn Politik auf dem Rücken derer gemacht wird, die am wenigsten besitzen und am meisten leiden.
Svenja hat ganz schön Farbe bekommen seit ihrer letzten Kolumne. Ich hoffe nur, dass sie in diesem Klimasommer immer genügend Sonnenschutzcreme für ihr Dekolleté hat.
AntwortenLöschenFrüher wäre das Lied mit dem brennenden Wald drei Wochen lang in Bong als Nr. 1 gesendet worden. Text und Meldie sind mit de heutigen Personaltableau in der künstlichen Szene undenkbar, auch nicht mit KI zu ersetzen.
AntwortenLöschendie fackeln unverkäufliche Audos ab und schicken ne Rechnung an Herrn Kaiser von der Versicherung
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