Dienstag, 18. Juli 2023

Eine Rackete gegen rechts: Abschied vom Osten

Carola Rackete EU Wahl Kandidatin Linkspartei
Der junge Künstler Kümram hat Carola Rackete mit ihrem kulturell angeeigneten Haupthaar gemalt.

Sie begann als Seenotretterin, verwandelte sich später in eine führende Klimaschützerin und ist nun auf dem Sprung von Bord und Barrikade ins Europaparlament. Carola Rackete, vor Jahren über Nacht berühmt geworden mit verwegenen Verstößen gegen internationales Recht, soll für die heute als Die Linke auftretende frühere DDR-Staatspartei SED als Spitzenkandidatin zur Europawahl auftreten. Neben dem zuletzt bei der Wahl zum Bundespräsidenten gescheiterten Mainzer Sozialmediziner Gerhard Trabert und der in Köln aufgewachsenen Özlem Demirel wäre die aus Schleswig-Holstein stammende Rackete eine von drei Westdeutschen an der Spitze der Wahlliste der ehemaligen ostdeutschen Regionalpartei.

Abschied vom Osten

Aber darauf kommt es nun auch nicht mehr an. 30 Jahre nach ihrer ersten Umbenennung in SED/PDS schaffte die Linke bei der letzten Abstimmung zum EU-Parlament noch schmale 5,5 Prozent, ihre fünf Abgeordneten schlossen sich der "GUE/NGL" genannten linken Fraktion an, in der auch die tschechischen Kommunisten, spanische Antikapitalisten und gleich zwei portugiesische Kommunistische Parteien gehören, die den Euro, die Marktwirtschaft und die Abkehr vom Marxismus-Leninismus ablehnen.

Mit dem Votum für Rackete setzt die einst als Kümmererpartei erfolgreiche Linke ein klares Zeichen für ein Ende des Versuchs, den eigenen Wählerinnen und Wählern nach dem Munde zu politisieren. Ein Neustart, den die Parteivorsitzende Janine Wissler im ARD-Sommerinterview ankündigte: Angesichts seit Jahren dramatisch bröckelnder Zustimmungswerte soll ein "Neustart" (Wissler) her, der neue Maßstäbe für eine Verwandlung der früheren ostdeutschen Flächenpartei in eine Avantgarde-Truppe für die urbanen Schlachtfelder um Klima, Gerechtigkeit und Willkommenskultur setzt. Der Kampf um den Sonneberger wird aufgegeben, alle Hoffnung richtet sich darauf, in Berlin Mitte und den Bionadevierteln der Republik wenigstens einmal noch genügend Stimmen zu sammeln, um ein paar Sitze in Brüssel zu erobern.

Links überholt die Grünen

Links überholt sogar die Grünen, denn sei sei "Teil eines linken Pols der Hoffnung, der größer ist als sie selbst", wie Janine Wissler zu glauben vorgibt. Das West-Duo mit der radikalen Retterin, Trabert und dem heute schon in Brüssel verschwundenen Co-Parteichef Martin Schirdewan tritt dabei weniger in der Erwartung an, mit dem neuen Kurs ostdeutsche Wutbürger anzulocken, sondern mehr, um im K-Gruppen-Stil die Lage in den eigenen Reihen zu klären: Die liegen im Schatten der früheren Fraktionschefin Sahra Wagenknecht in so tiefer Agonie, dass die grassierende Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Ampel und der fehlende Glaube, dass es die oppositionelle Union anders oder gar besser machen würde, bisher nicht ein Promille auf das Stimmungskonto der bei der Bundestagswahl 2009 noch zweistellig punktenden ehemaligen ostdeutschen Volkspartei einzahlt.

Der schleichende Tod der noch knapp über 50.000 Mitglieder zählenden Partei könnte nun Fahrt aufnehmen. Mit "neuem Schwung" und dem neuen "klaren Profil" (Wissler) stellt sich die vom Streit zwischen jungen und häufig westdeutschen Antikapitalisten und ostdeutschen Traditionalisten gebeutelte Linke konsequent gegen den überwiegenden Rest ihrer Wählerinnen und Wähler. Einfach  ganz "weit weg von der Lebensrealität vieler Menschen" (Trabert) fehlt es der Linkspartei an Antworten auf alle Fragen der Zeit, wie Janine Wissler in ihrem an Ausflüchten und Ablenkungsmanövern reichen Sommerinterview bewiesen hat. 

Mit Carola Rackete aber, die fest überzeugt ist, dass die Klimakrise ein Ergebnis kapitalistischer Misswirtschaft und Ausbeutung ist, das sich nur ändern lässt, wenn der Kapitalismus einer staatlichen Klimaplanwirtschaft weichen muss, hat sie nun immer hin ein Symbol für die Illusion einer end- und grenzenlosen Umverteilung.

3 Kommentare:

  1. Vielleicht sollte die Linke mal linke Politik machen statt die globalen Direktiven der Oligarchen umzusetzen. Mit etwas Glück bleiben die Roten vielleicht an der neuen 3,5%-Hürde hängen, wie hoffentlich auch der Sonneborn.

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  2. Gibt es eigentlich keine Berater, die Parteien einmal zuflüstern könnten, was der Wähler sich denn so wünschen könnte? Mit einem Programm so ca. SPD der 70er Jahre und der Versöhnung mit Sahra Wagenknecht könnte die Linke, meiner bescheidenen Meinung nach, so locker auf 10 % der Stimmen kommen. Gott sei dank, geht man dort aber offensichtlich lieber den Weg alles irdischen, als auch nur ein Jota vom woken Kurs abzuweichen. Ich bin immer fasziniert, wie man das durchhalten kann, ohne auch nur ein Fitzelchen Selbstzweifel zuzulassen.

    Das die Spitzenkandidaten für die Linke inzwischen alle aus dem Westen kommen, haben sich die Ossis doch selbst zuzuschreiben. So bestraft die Linke alle ihre potentiellen Wähler dafür, dass diese sich der AfD zugewandt haben. Geschieht diesen treulosen Tomaten nur recht.

    Außerdem interessant finde ich, dass sich heute vor allem Leute für die Linke hergeben, die in der guten alten Zeit der DDR, allesamt umstandslos weggesperrt worden wären. Aber was solls, der Blick muss immer sturgerade nach vorn gerichtet werden. Die früheren Zeiten sind vergeben und noch mehr vergessen. Die gute Frau Rakete kommt eben auch langsam in ein Alter in dem man langsam mal an die Fleischtöpfe der Demokratie ran muss. So lange ist es bis zur Frühverrentung auch nicht mehr hin. Bei den Grünen war momentan wohl kein Plätzen mehr für eine Quereinsteigerin verfügbar.

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  3. Das die Spitzenkandidaten für die Linke inzwischen alle aus dem Westen kommen ...

    Wollen wir nicht ungerecht sein: Die deutsche Sprach' hat schon gewisse Tücken.


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