Montag, 31. Juli 2023

Krisenherd Rhein: Deutschland auf dem Trockenen

Rhein Spaziergänger Dom und Brücke
"Vater Rhein" gilt als Garant deutscher Wirtschaftsstärke. Führt der Fluss wenig Wasser, droht die geplante Erholung in Gefahr zu geraten.

Verbote, Vorschriften, dauernde Gängelung, hohe Steuern, ausufernde Bürokratie und eine EU, die den Allmachtsfantasien der deutschen Politik zum Hineinregieren in den Alltag von Millionen Bürgerinnen und Bürgern nicht etwas in den Arm fällt, sondern die auf Hochtouren laufende Berliner Vorschriftenfabrik sogar noch übertreffen würde, wäre sie nicht durch ihre innere Spaltung meist daran gehindert, sich schnell auf eine Lösung zu einigen. So sieht er aus, der Blick der Verfassungsfeinde auf die gefühlte Dauerkrise im besten Deutschland aller Zeiten, das inzwischen quasi im Wochentakt verliert, was seine Stärken waren. 

Nicht mehr nur die fußballernden Männern, sondern nun auch die Frauen stecken Niederlagen ein. Die Umfragewerte aller demokratischen Partien sind im Niedergang. Das Vertrauen in die Gemeinsinnsender schwindet und selbst dort, wo sich die erklärten Feinde von Verfassung, Frieden und Freiheit mit Ansage zusammenrotten, raffen sich nur noch wenige Hundert Aufrechte auf, um ihren Widerstand auf die Straße zu tragen.  

Gelähmte Triebkraft

Lähmung, Furcht und Resignation haben selbst die erfasst, die als gesellschaftliche Triebkraft berufen sind, die Menschen zu leiten und führen. Knieweich und fest zur Kapitulation entschlossen präsentierte sich zuletzt nicht nur Grünen-Chefin Ricarda Lang, sondern auch Robert Habeck, der geheime Vorsitzende der früheren Umweltschutzpartei: Bald werde es keine Industrie mehr geben, formulierte er er eine typische German Angst, wie sich auch die AfD nicht müde wird zu beschwören. Die Erwartung, all die vorübergehend pausierenden Bäcker*innen, Chemiefabriken und Schuhverkäufer könnten in nächster Zeit wieder aufsperren, hat selbst der grundoptimistische Vizekanzler offenbar verloren.


Allerdings kommt nun frohe Kunde aus Hamburg, wo das frühere Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" sich von unbequemen Realitäten nach wie vor nicht einschüchtern lässt. Auch die Reporter der erfolgreichen Wochenschrift beschäftigt in diesen bewegten Tagen natürlich vor allem die bedrohte Demokratie in Israel, ein lange eng befreundeter Staat, der womöglich in Kürze aussortiert werden muss aus der Liste der möglichen Urlaubsländer. Daneben aber ist da noch die Wirtschaftskrise, die natürlich auch beim "Spiegel" nicht so genannt wird, um nicht Wasser auf die Mühlen der Falschen zu schaufeln. Ungeachtet dessen aber hat Patrick Müthing der Ursache der deutschen Wachstumsschwäche nachrecherchiert - und er ist am Rhein gelandet, wo ein dramatisches "Dauerniedrigwasser" ("Spiegel") sich als die wahre Krux herausstellt, die das geplante neue deutsche Wirtschaftswunder verhindert.

Wider die Flusspegelverharmloser

Nicht nur für "die örtliche Binnenschifffahrt geht es um die Existenz" (Müthing), sondern für die gesamte Volkswirtschaft. Mögen auch Verharmloser und Verschweiger behaupten, es gebe am längsten deutschen Fluss derzeit gar nichts Besonderes zu sehen, weil der Flusspegel sich im Normalbereich bewegt - es ist dennoch "wieder wenig Wasser im Rhein", notiert der "Spiegel". Und das "dieses Jahr schon früher als sonst". Das macht dann etwas mit einem Land, das einst Exportweltmeister war und  den Globus bis heute als größte Signalfabrik der Erde mit Vorbildwirkungen versorgt. 

Eine Krise gibt es zwar nicht, weil der Begriff auch beim "Spiegel" so streng auf dem Index steht, dass er seit Monaten nicht mehr in Texten verwendet werden darf, in denen das Wort "Deutschland" auftaucht. Doch mit dem Satz "Ökonomen sehen die Erholung der deutschen Wirtschaft in Gefahr", umschreibt der "Spiegel" vorsichtig die akute Gefahr, die angesichts von Niederschlagsmengen, die um 18 Prozent über dem Vorjahr liegen, nur erkennen kann, wer sich von Durchschnittswerten, Niedrigwasserrekorden und Statistiken nicht blenden lässt. der Schuh, er drückte letztes Jahr noch bei der Energieversorgung, die ohne Wasser eben so bedroht war wie "Flora und Fauna"

Fahrlässiger Wassermangel

Nun mag der Pegel heute zwei Meter höher stehen und der vorhergesagte Dauerregen die Aussichten aufhellen, dass damit noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Aber nachdem eine erste Warnung im Juni ungehört verhallte, soll eine zweite nun noch einmal Druck auf die Verantwortlichen machen. Gefährdet nicht das "Wachstum des Bruttoinlandsproduktes" (Spiegel) durch fahrlässigen Wassermangel. Schafft schnell Abhilfe für den "toxischen Rhein" (Spiegel). Nährt das geplante Wirtschaftswunder durch Frischwasserzufuhr.

Paketschnürung fürs Fundament: Tiefflug des Plattitüden-Bombers

Ricarda Lang ARD-Sommerinterview
Wie Buddha ruht Grünen-Chefin Ricarda Lang in der Gewissheit, dass der Kurs richtig ist. Der junge Künstler Kümram hat die Zukunftspolitikerin still in sich ruhend porträtiert.


Sie macht sich keine Sorgen, selbst nicht nach dem Verlust der Hälfte der Wähler ihrer Partei. Ricarda Lang will nicht jammern, sondern Lösungen suchen, aus Mitte der Politik machen und nach knapp zwei Jahren im Amt in Kürze richtig zeigen, "welche Partei Lösungen hat", für die Probleme, die die Ampel-Koalition in den ersten Hälfte ihrer Regierungszeit zutage förderte. Die Erfolgsfrau der ehemaligen Umweltpartei zeigte sich im großen ARD-Sommerinterview trotz der kühlen Witterung luftig leicht in roten Pumps und schwarzem Kleid, aber bestimmt im Auftreten: Keine Zusammenarbeit mit rechts, kein Schlechtreden des Landes, kein Verzagen angesichts der miesen Stimmung im Land, kein Aufgeben nur wegen der quengelnden Bürgerinnen und Bürger draußen im Land und derzeit keine Diskussion um den nächsten grünen Kanzlerkandidaten.  

Stabil durch den Winter 

Wie ein Buddha sitzt sie da, auf einem roten Sessel, leicht von der Kamera weggebeugt, wie es im Influencer-Seminat gelehrt wird, die kleinen Hände pausenlos in Bewegung, während sie ein Plattitüdenbombardement abfeuert. "Schlecht reden, dagegen wehre ich mich", versichert Ricarda Lang, schließlich seien "wir ja stabil durch den Winter gekommen", wenn auch "noch lange nicht über den Berg". Die kleine Frau mit den raumgreifenden Gesten mag schon diesem ersten Augenblick seltsam entrückt wirken. Dass sie angesichts der anhaltenden Talfahrt Deutschlands davon spricht, dass das Land "noch nicht über den Berg" sei, folgt allerdings einer klaren Logik: Der Fernsehauftritt soll helfen, die bedrohliche Stimmungslage erst mal über den Sommer zu  stabilisieren.  Im Herbst könnte dann schon allgemeines Vergessen einen gnädigen Schleier über die Verwerfungen der vergangenen Monat werfen.

Die Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin, ein Geschwätzlieferant, der traditionell für alle Parteien arbeitet, hat Lang aufmunitioniert mit buzz words und ganzen Sätzen, die kein Heilsversprechen auslassen.  Der Standort muss jetzt gesichert werden, durch "die Ansiedlung neuer Technologie" natürlich. Wichtig ist auch wieder der "Bürokratieabbau", zudem brauche es einer Vereinfachung bei der "Fachkräfteeinwanderung" und eine "neue Investitionsagenda", die flankiert werden wird von einem "Industriestrompreis" auf Kosten der Bürger. Ricarda Lang glüht innerlich vor Begeisterung dafür, wie glatt ihr das alles von der Zunge geht, und wie überzeugend es in ihren eigenen Ohren klingt.  

Aufbruch zur Abwanderungsverhinderung

Ist doch alles gar nicht schwer! Die "Standortsicherung"  wird erst einmal "verhindern, dass Betriebe abwandern" und das "Wachstum woanders stattfindet". Der Staat hilft dann mit "Investitionen in öffentliche Infrastruktur", dass doch noch ein Land entsteht, "das einfach funktioniert", wie sie eine Wahlkampfparole von 2021 zitiert. Die anderen - "komm, wir bauen ein neues Europa", "Wirtschaft und Klima ohne Krise" oder "keine Waffen in Krisengebiete" - werden nicht erwähnt, dafür aber ein Plan, den Bürgern in Kürze zu Vermögen zu verhelfen: "40 Prozent der Menschen haben kein Erspartes, da müssen wir ran". Schließlich, so Lang, müssten ja "die, das erarbeitet haben, profitieren".

Bei Ricarda Lang wird sie geholfen. Mit einem "Bundestariftreuegesetz" und viel mehr Stromtrassen zum Beispiel, "von Nord nach Süd". Daherinnen fließt dann der Erneuerbare, "geschnürt" als "gemeinsames Paket", um der "Wirtschaft zu helfen, unser wirtschaftliches Fundament sichern". Ja, sagt Ricarda Lang zufrieden, "ich glaube, es sind Dinge dabei, die ich sehr sinnvoll finde". Weil sie ja auch "glaube, dass wir unsere Ziele schaffen bis 2035, 100 Prozent erneuerbaren Strom".

Sie sorgen für Stromtrassen

Noch ist da die eine oder andere mathematische Schwelle, noch warten auch physikalische Herausforderungen. "Ein Nadelöhr" nennt lang den Umstand, dass die Zahl der tagtäglich fertiggestellten Windkraftanlagen ab heute verzehnfacht werden müsste, um die "Ziele" (Lang) zu erreichen. Eine Schwierigkeit, die der 29-Jährigen bewusst ist: "Da müssen wir rangehen", sagt sie und auch die Frage lösen "wie zorgen wir dafür Stromtrassen". Der erste Schritt aber, der im politischen Geschäft als der schwerste gilt, ist gegangen: "Wir wissen, dass es besser werden muss, was es gerade auch wird."

Genau. Besser könnte es wohl niemand aus der aktuellen Generation der führenden Spitzenpolitiker sagen. Und kaum einer könnte sein Versprechen so faktensatt unterfüttern wie Ricarda Lang. Die will, dass der "Wasserstoffhochlauf gelingt", diese "Mammutprojekt", dass ein "Energiesystem schaffen wird, das auch für unsere Enkel tauglich ist", während sie das "Land wirklich grundlegend modernisiert", ohne dass es dabei darauf ankommt, "wer fliegt oder Auto fährt", sondern nur darauf, dass "wir das Stück für Stück gemeinsam als Gesellschaft abarbeiten", ob wir "am Zeitenrand stehen" oder es "um Jobs und um Wohlstand" geht, wie beim Klimaschutz, denn "da geht es um Wohlstand".

Ist der erst weg, diese Lehre hat Ricarda Lang "ganz klar" gelernt, wird es nichts mit dem nächsten eigenen Kanzlerkandidaten. wer das werden soll, ob sie bei der Auswahl mitreden darf oder ob Robert Habeck und Annalena Baerbock das wieder ganz demokratisch unter sich ausmachen, das zu diskutieren sei jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, so Lang. "Jetzt tun wir alles dafür, damit wir dafür in der Lage sind."

Sonntag, 30. Juli 2023

Brotverbot: Keine halben Sachen

Brotschneideverbot in Rheinland-Pfalz
Mit der Durchsetzung des Brotschneideverbots setzt sich Rheinland-Pfalz an die Spitze einer Bewegung, die dem Begriff "Staatsmacht" wieder zu mehr Anerkennung verhelfen will.

Lascher Umgang mit Gesetzen, halbherzige Einhaltung von Vorschriften, kaum mehr Kontrollen der Einhaltung der Rechtslage. Immer mehr Längerhierlebende haben den Eindruck, dass Deutschland eher schnell als langsam die Kontrolle über sich selbst verliert. Kein Land weltweit hat mehr Vorschriften, Richtlinien, DIN-Normen, EU-Vorgaben und detaillierte Festlegungen zur Durchführung des Alltagslebens der Bürgerinnen und Bürger. Und doch herrscht ein gelinder Eindruck von Anarchie vom Görlitzer Park in Berlin bis nach Sonneberg, wo staatsfeindliche Elemente auf ihrem Marsch durch die Institutionen mittlerweile im Landratsamt angekommen sind.  

Zeichen setzen gegen die Anarchie

Dringend ist die Notwendigkeit, gegenzusteuern, deutliche Zeichen zu setzen gegen die Aufgabe der Staatsmacht. Im von den Berliner liebevoll "Görli" genannten größten Drogenkaufhaus der Republik ist das nur schwer möglich, an den Grenzen gar ausgeschlossen. Ebenso wenig können Bundestruppen in den von Franken bewohnten Teil Thüringen entsandt werden, um die regelbasierte Ordnung wiederherzustellen. Zu groß ist die Gefahr, dass ein solches Eingreifen, so dringend es geboten scheint, kontraproduktiv wirkt und die Kräfte stärkt, die es eigentlich schwächen soll.

In Rheinland-Pfalz weichen die Behörden deshalb nun auf andere gesellschaftliche Bereiche aus, um Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Das Landesamt für Mess- und Eichwesen geht dort mit hohen Bußgeldern gegen den seit Jahren gepflegten Brauch bestimmter Bäckereien und Supermärkte vor, Brotlaibe halbgeschnitten anzubieten. Vorgeblich ein Angebot, das sich an Ältere, Alleinlebende oder Vulnerable richtet, die sich entweder kein ganzes Brot leisten können oder es nicht schaffen, ein ganzes Brot zu essen, ehe es steinhart wird. In Wirklichkeit aber ein Verstoß gegen das Eichgesetz: Das bestimmt, dass Brot vor dem Verkauf gewogen wird und mit dem dabei festgestellten Gewicht in den Verkauf geht. Wird der Laib in der Filiale durchgeschnitten, verliert er seine amtliche Wägemarke.

Keine Ausnahmen von Wiegepflicht

Da nur Brötchen und Backwaren bis 250 Gramm von der Wiegepflicht ausgenommen sind, haben die Mess- und Eichüberwacher in den letzten Wochen zahlreiche Bußgeldbescheide in dreistelliger Höhe pro illegal verkauften halben Brot ausgestellt. Überführt wurden die Täter durch verdeckte Testkäufe zur Beweissicherung: Bäckereien und Bäckereifilialen, die halbe Sachen anboten, um sich bei älteren und alleinstehenden Kunden anzubiedern, müssen nun zahlen. Auch wenn sie natürlich sofort reagiert und den Verkauf von halbierten Brotlaiben eingestellt haben.

Hoffentlich eine Lehre für alle, die immer noch meinen, der Staat zeige sich zunehmend zahnlos, er überlasse die Straße denen, die am lautesten schreien, und die Entscheidung über wichtige Weichenstellungen anderen, nur weil sie sich in besonders durchsetzungsstarken Lobby-Gruppen organisieren. Dass das Brotverbot in der Pfalz bei uneinsichtigen Kunden zu Verwunderung und Ärger geführt hat, zeigt, wie sehr die Sitten bereits verroht und die Respektskultur zur Idee verkommen ist, man könne sich in diesem Staat alles erlauben, selbst den Verkauf illegal geschnittener Brote.

In anderen Zeiten kauften Deutsche ein Bahnsteigkarte, ehe sie eine Revolution auch nur in Betracht zogen, heute aber kritteln sie selbst an Behördenentscheidungen herum, als handele es sich um Vorschläge beim "Bürgerdialog" der Bundesregierung oder Hinweise des künftig mitregierenden Bürgerrats.

Auswärtiges Amt im Inlandseinsatz: Der lustige Baerbock

Außenministeriu wehrt sich gegen Baerbock-Fälschung
Kommafehler gelten im Auswärtigen Amt als digitale Unterschrift unter echten Pressemitteilungen.

Sie flunkern, sie fälschen, sie verführen Uneingeweihte dazu, fake news zu glauben und gefährden damit die ohnehin von so vielen Seiten unter Beschuss geratene Demokratie. Als wäre es nicht schwer genug für die Bundesregierung, nach Heizungsstreit, Ampelknatsch, Ukrainekrieg und Inflation umzusetzen, was sich die Fortschrittskoalition aus SPD, Grünen und FDP vor knapp zwei Jahren auf die Fahne geschrieben hatte, müssen sich gerade die beliebtesten Mitgliederinnen und Mitglieder des Kabinetts auch noch immer wieder der offenen Angriffe selbsternannter Humoristen und Satiriker erwehren.  

Angriff aus dem Unterholz

Die einen verhöhnen Klimawirtschaftsminister Robert Habeck als kommenden Kanzler, die anderen bezichtigen Kanzler Olaf Scholz der Tatenlosigkeit oder Umweltministerin Steffi Lemke der Lüge. Selbst Unionspolitiker wie Friedrich Merz, der mit seiner CDU fest zur Bundesregierung steht, wird verleumdet und auf großer Bühne vor Millionen Wählerinnen und Wählern mit früheren deutschen Spitzenpolitikern wie Adolf Hitler und Heinrich Himmler gleichgesetzt.

Am schlimmsten aber trifft es freilich die einzige noch beliebte deutsche Politikerin Annalena Baerbock. Es ist eine ganz, ganz miese Tour, mit der der X-Account "Außenministerin Annalena Baerbock (Parodie) nichtsahnende und arglose Bürgerinnen und Bürger seit Monaten hinter die Fichte führt. "Ich jette für euch um die Welt, damit ihr es nicht mehr dürft", heißt es da programmatisch - ein Satz, der die feministische Außenpolitik der Ampel auf einen Punkt bringt. 

Täuschend echte Einträge

Nur Insider vermögen in der Verwendung des Wortes "jetten" auf Anhieb zu erkennen, dass sich hinter täuschend echt nachgeahmten Einträgen wie "Hätte #Niger ein feministisches Militär, wäre es jetzt deutlich leichter, dagegen vorzugehen -dem zurzeit inhaftierten Präsidenten Bazoum werde ich eine verbindliche Frauenquote im Militär und Kabinett vorschlagen" oder "As I understand, @RTErdogan told me today, the feminism foreign policy is bacon of hope for Turkey. Let’s make independent of Kobold soon" keine amtlichen Mitteilungen der Bundesministerin verstecken können, weil auch Annalena Baerbock niemals "jettet" oder fliegt, sondern stets nur "reist", wenn sie ihren dienstlichen Obliegenheiten in fremden Ländern und entlegenen Weltgegenden nachgeht.

Im politischen Berlin sorgen die durch die fortgesetzten Fälschungen ausgehende Verunsicherung breiter Kreise der Bevölkerung für große Besorgnis. Es herrscht die Furcht, dass eine Vielzahl von Betreuungspflichtigen hereinfallen könnte auf Ankündigungen, die bekannte SPD-Politikerin Sawsan Chebli zur Familienministerin und die kapitalismuskritische Entsagungs- und Kriegswirtschaftspredigerin Ulrike Herrmann zur Wirtschaftsministerin machen zu wollen. 

Warnung auf der Notruffrequenz

Mit einer Sendung auf der Notruffrequenz hat sich das Auswärtige Amt (AA) nun erstmals zum Versuch geäußert, die echte Annalena Baerbock zu leugnen: "Achtung Täuschung! Dies ist nicht der Handle von Außenministerin Annalena Baerbock", meldeten sich Duetschlands Diplomaten ganz undiplomatisch zu Wort. Mit "Handle", dem englischen Begriff für "Griff" oder "Henkel", ist dabei nicht der ehemals bekannte Musiker gemeint und auch nicht das Brathuhn. Sondern der Umstand, dass es nicht die wahre Annalena Baerbock oder eine ihrer Sockenpuppen in der Pressestelle des AA ist, die die Hand (englisch "händ") an der Tasse Twittertee haben. Vielmehr ist es eine fremde Macht, die sich durch die Behörden keinem eindeutigen Referenzwert zuzuordnen lässt. Was naturgemäß die Besorgnis verstärkt, hier laufe ein großangelegter Versuch zur verfassungsfeindlichen Delegitimierung des staatlichen Humormonopols.

Den Missbrauch der Meinungsfreiheit, von den mutmaßlichen Hinterpersonen der falschen Annalena Baerbock offenbar sehr gezielt unter Ausnutzung der immer noch erlaubten Mittel der sogenannten "Satire" und womöglich im Auftrag links- oder rechtspopulistischer Hetzer und Zersetzer betrieben, kann das Außenministerium mit seiner deutlichen Warnung zwar erschweren. Zugleich aber wertet die offizielle Aufmerksamkeit der Frauen und Männer, die im Auftrag der echten Annalena Baerbock twittern, die täglich mehrfach gesudelten Traktate der falschen Außenministerin in einem Maße auf, das die Urheber der Irritationen jubeln lässt. "Der Kommentar hätte glatt von mir sein können", freuen sie sich über die amtliche Aufmerksamkeit.

Ritterschlag für @baerbockpress

Der Angriff aus dem digitalen Unterholz wird durch den Versuch der Behörden veredelt, ihn abzuwehren. Kaum hatte das AA die anonyme Aufforderung zum Tanz öffentlich angenommen, war von einem "Ritterschlag" für @baerbockpress. "Für mich die allerbesten Tweets seit langem, weil sie so nah an der Realität sind", höhnt ein Nutzer hasserfüllt, ein anderer, der es zivilgesellschaftlich engagiert wagt, darauf hinzuweisen, wie strafbar es ist, "anderen vorzugaukeln ein Teil des Staatsapparates zu sein", wird brutal niedergebrüllt und  als "Spielverderber" bedroht.

Kein Spaß ist das nicht mehr, sondern bitterer Ernst. Gibt der Staat sein Außenministerinnenmonopol auf, gibt er alles auf. Der Plan, feministischer Außenpolitik ein Gesicht zu geben, auf dass die globale Welt schauen kann, um sich zu orientieren, würde zur Lachnummer und draußen im Lande entstünde der Eindruck, Satire sei unter Umgehung der Bundeshumorrichtlinien (BHR) grenzenlos und straffrei möglich. 

Samstag, 29. Juli 2023

Zitate zur Zeit: Moderne Politik

Regenbogenflagge am Kanzleramt
Noch kleiner und günstiger war Mut nicht zu haben: Das Kanzleramt in Berlin flaggt Regenbogen.

F
ür die moderne Politik ist nichts zu lächerlich. 

US-Präsidentin Pauline Green in Ken Folletts "Never - Die letzte Entscheidung", 2021

 

Ausreden, Urlaub, Klima: So stemmt sich Deutschland gegen das Wort Wirtschaftskrise

Die deutsche Wirtschaft wankt in schwerer See, bisher aber ist es Politik, Behörden und BWHF gelungen, das Wort "Wirtschaftskrise" vollkommen zu vermeiden.

Es begann wie in Zeitlupe, angetrieben von russischen Trolls und einheimischen Unken. Die Bundesregierung aber behielt kühlen Kopf, mit einer klaren Strategie aus Preisbremsen, Betriebsferien und beruhigenden Mitteilungen über ein nahendes Wirtschaftswunder verhinderte sie nicht nur den von linken und rechten Extremisten angekündigten heißen Herbst. Sondern auch die Versuche, das Modell Deutschland schlechtzureden und Zweifel zu wecken am Kurs der großen Transformation, der vielleicht in den nächsten zehn, 20 oder 40 Jahren die eine oder andere Beschwernis für viele bringen wird. Danach aber ein Vorbild zu sein verspricht für alle anderen Staaten der Welt, die auf der Suche sind nach einem klimagerechten Wachstumspfad.

Die Zahlen, die der Internationale Währungsfonds, die "deutsche Wirtschaftsforscher" (Tagesschau) und das Ifo-Institut mit seinem Geschäftsklimaindex vorgelegt haben, sprechen dafür, dass ein gutes Stück der Strecke bereits zurückgelegt ist. Das dritte Quartal schon ist Deutschlands Wirtschaft stabil im Niedergang. Firmen wandern ab, die Zahl der Geschäftsaufgaben steigt. Degrowth, jene grüne Wirtschaftsstrategie, die mehr Bruttosozialglück bei weniger Anstrengung verspricht, greift Raum, Fachkräfte verlassen das Land und entlasten damit seine CO2-Bilanz, auch ohne direkten Kriegseintritt hat es Deutschland geschafft, umweltbelastende Wirtschaftstätigkeiten schneller zurückzufahren als selbst Russland und die Ukraine.

Früher wäre dergleichen zweifellos als "Wirtschaftskrise" denunziert worden. Heute aber gibt es keinen Grund, diesen alte, zuletzt im Verlauf der Finanzkrise vor 15 Jahren verwendeten Begriff wieder auszugraben. Rainald Schawidow, als Chef der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin höchster Sprachaufseher Deutschlands und zudem wichtiger Berater aller Ministerien und Parteien, verweist allerdings im PPQ-Interview darauf, welche Mühe es sein Haus doch immer noch kostet, Medien davon abzuhalten, einfachen, über viele Jahre antrainierten Reflexen zu folgen und Deutschland schlechtzureden. "Wir haben ja nicht die Möglichkeit, direkt einzugreifen, wenn sich jemand im Wort vergreift", sagt der Vater so vieler demokratiebelebender Begriffe wie "Protestterroristinnen", "Rettungsschirm", "Energiewende",  "Schulden-" und "Mietpreisbremse", "Stromautobahnen" oder "Wachstumspakt".

PPQ: Herr Schawidow, Bundesklimaminister Robert Habeck hat jetzt davor gewarnt, die schrumpfende Wirtschaft schlechtzureden und sich vom Pessimismus des IWF und anderer großer Adressen anstecken zu lassen. Liegt er richtig, wenn dazu auffordert, bestimmte Entwicklungen im Land nicht so ernst zu nehmen?

Schawidow: Unbedingt. Wir haben das lange mit den Ministerien besprochen, denn die Zahlen sind ja nun schon seit Monaten beängstigend. Bisher waren wir nicht gut, sondern eher schlecht, nun haben wir die rote Laterne unter den G7-Staaten und stehen selbst verglichen mit Russland auf den ersten Blick ganz schlecht da. Das ist dann für uns in der BWHF ein Zeichen, dass wir schauen müssen, Erklärungsmuster zu finden, die das alles in einem milden Licht erscheinen lassen, knackige, kompakte und einprägsame Begriffe also für eine konsternierte Gesellschaft, die traditionell dazu tendiert, sich schon bei kleinen Problemen am Abgrund und vor dem Untergang zu sehen.

PPQ: Für Sie in der BWHF kommt das also alles nicht unerwartet. Dennoch scheint es so, als hätten ihre Worthülsendreher und Propagandapoeten der Bundesregierung bislang nichts geliefert, was zur Beruhigung der Menschen beitragen kann.

Schawidow: Die Beobachtung scheint nur zutreffend zu sein. Allerdings hat Robert Habeck auf unseren Vorschlag hin zur fürchterlichen Prognose des IWF betont, dass es gar keinen Grund für diese berüchtigte German Angst gebe, obwohl die Vorhersagen der Währungshüter nahelegen, dass Deutschland im Begriff ist, sich vom kranken Mann Europas zu einem Komapatienten zu entwickeln. Wir haben dem Ministerium wegen dieser katastrophalen Diagnose geraten sachlich zu bleiben, aber inhaltlich auf Abstand. Mit seiner Aussage, die Daten seien "natürlich nicht gut" hat sich Robert Habeck ganz genau an unser Drehbuch gehalten. Unser im Anschluss umgesetzter Vorschlag, die irrationale German Angst selbst ins Spiel zu bringen, sorgt zudem dafür, dass die Fakten, die die Wirtschaftsforscher vorbringen, nun eher wirken wie böse Unterstellungen ohne Sachgrund.

PPQ: Dass Sie der nun seit fast einem Jahr andauernden Wirtschaftskrise immer noch keinen Namen gegeben haben, ist Zufall oder gehört es zur Strategie?

Schawidow: Es ist im Grunde genommen der Kern unserer Strategie. Sehen Sie, was immer den Menschen an  Themen beschäftigt, es braucht einen Namen. Ob das jetzt ein ausgebüxtes Tier ist, ein Naturphänomen oder eine Künstlerfigur - ohne Benennung existiert es nicht. Wenn Sie nur mal einige Jahre zurückdenken, damals, als wir die Staatsschuldenkrise hatten, als in Deutschland reihenweise Landesbanken umkippten und Politiker hätten einräumen müssen, dass sie bis zum Ohrläppchen in milliardenschweren Spekulationen steckten... was haben wir damals gemacht? Wir haben Herrn Steinbrück vorgeschlagen, die Schwierigkeiten einen "amerikanische Krise" zu nennen. Und als es nach Europa schwappte, haben den Namen "Finanzkrise" eingeführt, später dann, als sich nicht mehr leugnen ließ, dass es der Euro war, der seiner vielen Geburtsfehler kippelte, haben wie "Griechenlandkrise" daraus gemacht.

PPQ: Mit großen Erfolg, denn an Staatsschuldenkrise denkt heute niemand mehr, wenn er sich an die Stunden voll hektischer Krisendiplomatie erinnert...

Schawidow: Richtig. Und das ist auch der Grund, warum wir dem Kanzleramt und den Ministerien auf deren Anfrage in Sachen Worthülse für die Wirtschaftskrise mitgeteilt haben, dass wir eine Wortschaftskrise haben (lacht). Wir wollen es angesichts der Wirtschaftskrise einfach so lange wie irgend möglich vermeiden, dass der Begriff Wirtschaftskrise benutzt wird, weil das alles nur noch schlimmer machen würde.  Unsere Empfehlung war, die alte Worthülse vom "Null-Wachstum" wieder auszugraben. Das ist gelungen, die Leitmedien haben das begierig aufgegriffen.

PPQ: Absolut, die Taktik scheint aufzugehen. Das ganze Land beschäftigt sich mit Waldbränden auf Rhodos, Regenfällen in Italien, mit Brandmauern, der weiteren Durchsetzung der modernen Gendersprache und den kommenden neuen europäischen Regeln zum Ausbau der Bürokratisierung.

Schwawidow: Ja, und ich muss sagen, dass mich das sehr stolz macht auf mein Team. Sie müssen bedenken, wir sind Worthülsendreher, Propagandapoeten, Politdichter, Plakatwortsucher. Unser Bestreben ist es immer, mitreißende neue Begriffe wie zuletzt ,Brandmauer' zu erfinden oder intellektuell herausfordernde Weltbeschreibungen wie das rechtswidrige Verfassungsrecht in Israel. Umso schwerer fällt es meinen Leuten, die Füße stillzuhalten und die alarmierende Vorhersage eines erneut kräftig schrumpfenden Bruttoinlandsprodukt nicht sofort in eine relativierende, optimistisch stimmende Worthülse zu verpacken.

PPQ: Dem Ding keinen Namen zu geben, verhindert sozusagen, dass das Ding existiert?

Schawidow: So ist das unseren Studien zufolge. Schauen Sie sich um, Deutschland steckt mitten in einer tiefen und langandauernden Wirtschaftskrise, das Land leidet mehr als jedes andere unter dem schwachen Welthandel, den hohen Zinsen, den hohen Energiepreisen, dem Fachkräftemangel, der Überalterung, den Berichten über extreme Wetter-Ereignisse in anderen Ländern, dem Streit in der Ampel und der Unfähigkeit der EU, schnell und entschieden auf Angriffe wie den Inflation Reduction Act der US-Regierung zu reagieren. Aber: Wir sprechen über die Zusammenarbeit mit rechts, über Friedrich Merz und ob er Kanzlerkandidat wird, über Sexpraktiken in der Popbranche, über den Vorwahlkampf der Republikaner in den USA, über Niger und Ufos  und das vermutete Klima Mitte des Jahrhunderts. Für uns als BWHF ist das natürlich ein riesiger Erfolg.

PPQ: Woran machen Sie den fest?

Schawidow: Ganz einfach: Niemand, überhaupt niemand verwendet den Begriff, den wir nicht verwendet sehen wollen, um nicht den Falschen frisches Wasser auf die Mühlen zu leiten. Wir haben es geschafft, zum ersten Mal in der deutschen Geschichte, das möchte ich betonen, Politik, Parteien, Behörden, Tausende Medienarbeiter bis hin zu den privatkapitalistischen Medienheuschrecken und den Rest der Bevölkerung einzuschwören auf einen Krisenkurs, der die bedrohlichen Lage nicht verlacht und nicht ernst nimmt, sie aber auch nicht mit irgendwelchen beschönigenden Begriffen belegt. Sondern einfach ignoriert.

Freitag, 28. Juli 2023

Rauchzeichen: Brennende Ozeane

 

Ein japanischer Tanker, der unter panamaischer Flagge fährt, treibt brennend vor der niederländischen Küste. An Bord sind Tausende in Deutschland hergestellter Elektroautos aus den USA, in denen Lithium aus China und Kobalt aus Afrika stecken. Kurz nach dem Auslaufen Richtung Ägypten bemerkte die indische Mannschaft, dass ein Feuer unter Deck ausgebrochen war. Eines der Elektrofahrzeuge war in Brand geraten, die Flammen von Rhodos hatten übergegriffen auf den Car Carrier. Die "Fremantle Highway", vom aus den Tages der verstopften Suezkanals bekannten Eigner Luster Maritime ausgeschickt, ist erst zehn Jahre alt. Und schon ein Totalschaden.

PPQ-Kolumnistin Svenja Prantl betrachtet den Brand auf der "Fremantle Highway" als Menetekel. Die Menschheit muss jetzt handeln.

Svenja Prantl hat Bedenken.
Schuld ist in erster Linie das globale Klima, das immer mehr kippt. Hitzewellen am Mittelmeer, ein kühler, feuchter Sommer in Deutschland, ein Putsch im Niger, wo seit Wochen sommerliche Hitze mit bis zu 36 Grad herrschen. Die Welt ist aus den Fugen, Meteorologen verzeichnen den heißesten Juli seit 2016 und das trotz der Pariser Klimaverträge, die im Jahr zuvor die Weichen auf ein globales Langfristziel zur Begrenzung der Erderwärmung auf „deutlich unter 2 Grad", sowie die Verpflichtung, eine Begrenzung auf 1,5 Grad stellten.

Irre Angst vor Regionalkreisläufen

Ohne spürbaren Erfolg, wie die demonstrativ auf den Namen einer Autobahn getaufte "Fremantle Highway" zeigt. An Bord hat das Schiffe alle wirtschaftlichen Verwerfungen einer Zeit, die nicht so sehr scheut wie regionale Kreisläufe, die Beschränkung auf das Notwendigste und einen kargen Lebensstil, der sich begnügt mit dem, was die Natur freiwillig gibt. Da werden erst Tonnen von Lithium und seltenen Erden aus der Erde Afrikas und Asiens gekratzt, zu Batterien zusammengeschraubt und um die halbe Erde geschippert. Dann werden - inmitten einer von Menschenhand geschlagenen Lichtung, die größer ist als das Berliner Regierungsviertel - Fahrzeuge daraus geschmiedet, gebogen und geschraubt. Die auf einem 200 Meter langen Kahn in ein Lang geschippert werden, das nicht eine einzige Ladesäule besitzt.

Weil es geht, weil sie es können, weil die klugen Stimmen, die Rationierung, Kriegswirtschaft und verordnete Bescheidenheit fordern wie es die frühere Taz- und Bestseller-Autorin Ulrike Herrmann tut, einfach nicht laut genug zu hören sind. Das System des gewinnorientierten Wirtschaftens, es zwingt seine Untertanen, nach seiner Logik zu funktionieren. Das Überleben erfordert harte Arbeit, gelingt es, entsteht das Gefühl, nun auch eine Belohnung verdient zu haben. Im kleinen Maßstab ist das die kleine Sünde, die Tüte Gummibären, das Eis, der Cocktail, die Bratwurst. Im großen wuchert es zu Urlaubsreisen, zu Fernflügen und Exkursionen durch fremde Länder, die nicht sein müssen, weil alle die fremde Ferne längst gründlich erkundet ist.

Kleine Fluchten sind erlaubt

Der Kapitalismus aber zieht einen Teil seiner Elastizität eben aus der Fähigkeit, kleine Fluchten zuzulassen. Die hatten seine sozialistischen Konkurrenten nie zu entwickeln vermocht. Der Kapitalismus schafft es so, seinen Gefangenen ein Gefühl der Freiheit zu vermitteln, das den Insassen des sozialistischen Lagers in den Jahren der Existenz des straff organisierten, fest abgeschotteten Gegenentwurfes mehr und mehr schwer abging.

Damals gab es keine Waldbrände, keine allumfassende Dürren, aber auch keine Weltgemeinschaft, die an einem Strang in die richtige Richtung zog, wenn auch viel zu langsam. Der Handel zwischen Regionen, die Tausende Kilometer voneinander entfernt liegen, hatte noch längst nicht das Ausmaß angenommen, das heutige Lieferketten benötigen, um nicht im Leerlauf zu rotieren. Den Pries dafür zahlt die Allgemeinheit, ihn zahlen Urlauber auf Rhodos ebenso wie die in Sharm El-Sheikh, auf Mallorca und Madeira, die letzte Generation, die diese ehemals so idyllischen Orte noch besuchen konnte, ehe sie einer außer Rand und Band geratenes Weltklima vom Globus brennt.

Eine Menetekel der kochenden Ozeane

Die "Fremantle Highway" erscheint vor dem Hintergrund entflammter Wälder und kochender Ozeane wie ein Menetekel. Trotz der Klimakatastrophe, die unübersehbar begonnen hat, fällt die Antwort der Weltgemeinschaft weiterhin "erbärmlich" aus, wie UN-Generalsekretär António Guterres bereits vor Monaten beklagt hat. Deutschland, das sich selbst als Vorreiter einer Welt sieht, in der Menschen den Planeten bewohnen, ohne Spuren zu hinterlassen, diskutiert alles andere, aber nicht das, was wichtig ist: Da geht es um Brandmauern und Wirtschaftswachstum, um den Krieg in der Ukraine, Zinsen, Migration und die Angst vor einer Wärmepumpenpflicht.

Dabei weiß jedermann spätestens seit sich Konstanz am Bodensee zum Klimanotstandsgebiet erklärt hat, dass eine solche inkonsequente, vor Leugnern, Verharmlosern und Beschwichtigern einknickende  Klimapolitik bis zum Ende des Jahrhunderts zu einer Erderwärmung von 2,8 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter führen wird. Fast zweimal so viel wie das vereinbarte Ziel von 1,5 Grad und ein Garant dafür, dass Italien-Urlaub, Reisen nach Ägypten, Spanien, Tunesien und Marokko im Hochsommer kaum noch möglich wären. Millionen müssten auf die Nebensaison im Frühjahr und im Herbst ausweichen, um Familien mit Kindern nicht zu benachteiligen, wäre es nötig, die Schulferien zu verschieben...

Rasenden Auges in den Untergang

Zweifellos, Deutschland rast sehenden Auges auf eine Katastrophe zu. Immer noch aber setzen viele auf Wunschdenken, auf unerprobte Technologien und Wunderlösungen setzen. Löschflugzeuge sollen gegen die Waldbrände helfen, Bewässerung soll die Ernten retten, die durch beständig sinkende Anbauflächen weit weg sind von den 50 Millionen Tonnen Ertrag, der vor Jahren noch erzielt wurde. "Es ist Zeit, aufzuwachen und aufzustehen", hat UN-Generalsekretär Guterres gefordert, lange bevor auch die Meere in Flammen aufgingen. Es wäre doch so einfach: Die Menschheit müsste nichts weiter tun, als alle ihre  Anstrengungen an allen Fronten deutlich zu erhöhen, die Nutzung von Öl, Kohle und Gas sofort zu beenden und eine "komplette Umwandlung der Industrie hin zu sauberer Energie" vollziehen.

So einfach, so leicht und so schwer zu machen. Dass die Politik nicht wagt, Klartext zu sprechen und den Deutschen die Rechnung zu präsentieren für ein Leben im Überfluss, macht es schwer, eine Brandmauer zwischen den von allen bisherigen Bundesregierungen hochgezüchteten Wohlstandserwartungen und einer Realität hochzuziehen, die es erfordert, perspektivisch mit immer weniger auszukommen. Die Feuer von Rhodos und die Flammen an Bord der "Fremantle Highway" aber leuchten uns heim - sie zeigen, was geschieht, wenn Politik auf dem Rücken derer gemacht wird, die am wenigsten besitzen und am meisten leiden.

Deutsche Wetterkartenkultur: Eine Reise in die Dunkelheit

Wetterkarten im Zeitvergleich
Wetterwelt im Wandel: Es begann mit Schwarz und nähert sich dem nun wieder an.

Nichts wollen sie mehr glauben, nicht einmal die Wetterkarten. Sachsen, Sonneberger und Verschwörungstheoretiker, die erst die Seuche geleugnet haben, die schneller verschwand als jede andere vor ihr, später dann den Energieausstieg und die Heizungswende, zielen nun auf den Klimasommer. Gar nicht heiß sei es, sagen sei, eher kühl sogar. Nachts 13 Grad, wo bleibe da die Klimaerwärmung. Und tagsüber? Ja, früher hatten wir auch schon mal Sonne und 26 Grad.

Im Fegefeuer der Kritik

Natürlich stemmen sich die im Fegefeuer der unsachlichen Kritik stehenden Sendeanstalten mit aller Macht ihrer weltweiten Korrespondentennetzwerke gegen die Zweifel. Irgendwo ist es immer warm, irgendwo sogar immer zu. Mal kocht das Meer weit draußen vor Madeira, mal brennt die Sonne Portugal weg, mal stehen die Wälder in Griechenland in Flammen. Durch umsichtiges Nachrichtenmanagement lässt sich damit stets ein warmes Gefühl braten, dass dem bibbernden Urlauber in Ahlbeck das Gefühl gibt, seine "Leinwandvilla" (Die Welt) einfach nur an der falschen Stelle aufgebaut zu haben.

Der kluge Mann baut vor. Karl Lauterbach jedenfalls hat es gern heiß und deshalb ist er nach Italien "gereist" (DPA), wo genug Anlass besteht, die Hitze zu beklagen, die ihren Ursprung in einer Erderwärmung hat, die schnell voranschreitet, besonders in Europa, also offenbar nach dem Verursacherprinzip vorgeht. Hitze, der "unsichtbare Feind, der unsichtbare Killer" (Eckhard von Hirschausen) sucht die heim, die sie durch frühes Bronze- und Eisenschmieden, Bandkeramik, die Entwaldung für Acker- und Schiffsbau und schließlich die Industrialisierung veranlasst haben.

Wetterkarten als Gesicht der Krise

Zum Gesicht der Krise sind die öffentlich-rechtlichen Wetterkarten geworden. Ehemals kühle Sachstandsberichte, die eher wage Auskunft über Dinge vorzugeben gaben, die sowieso niemand wusste, haben sich die Tapeten der Studios, in denen die Wetterfrösche wohnen, längst in hochartifizielle Signalgeber verwandelt, die ganz gewöhnlichen deutschen Nationalmannschaftskapitäninnenbinden in Sachen Zeichendichte kaum nachstehen. 

Eine ARD- oder ZDF-Wetterkarte ist nicht mehr schlicht schwarz wie damals, als halb Polen noch ganz offiziell in die Zuständigkeit der Staatsmeteorologen fiel und sie ist auch nicht mehr von dem zarten Grün, das 30 Jahre nach Erfindung des Farbfernsehers durch Werner Flechsig eingeführt wurde und lange dazu diente, den Zuschauern eine heile Welt vorzuspielen.

Teil der Klimaerziehung

Die ersten Karten zeigen schon wieder schwarz.
Nein, Wetterkarten, die im Fernsehen gezeigt werden, tragen heute schwer an der Last, einen Teil der in Kindergarten, Schule und an den Universitäten versäumten Klimaerziehung nachleisten zu müssen. Ist der Sommer warm, fällt das leicht: Kräftige Farben lassen sich dank neuer Techniken weitaus saftiger darstellen als das noch vor wenigen Jahren möglich war. Zudem erforderte die flächendeckende Einführung des besonders energiehungrigen HD-Fernsehens im Kampf gegen die Klimakrise eine Umstellung der Farbräume. 

Mag auch die deutsche Wirtschaft heute schwächer sein als früher, die Fußballnationalmannschaft, die nationale Energieerzeugung und die Nachfrage nach Wärmepumpen - die Farben, die den Kontrollverlust der Menschheit über das Weltwetter illustrieren, sind kräftiger denn je. "Das hat technische und gestalterische Gründe", haben die Faktenchecker von "Correctiv" ermitteln können, die "Tagesschau" etwa stelle alle Farben auf den Wetterkarten intensiver dar, "um sie besser erkennbar zu machen".

Hetzer nutzen gutgemeinte Geste

Eine  gutgemeinte Geste an die alternde Gebührenzahlerschaft, die von Leugner, Zweifler und Verschwörungstheoretikern absichtlich missdeutet wird, um den Eindruck zu erwecken, dass heute bei denselben Temperaturen sehr viel alarmistischer wirkende Farben eingesetzt werden. Das mag so wirken, ist aber eben nicht so gemeint. Das mag für das uneingeweihte Auge sogar den Eindruck erwecken, 35 Grad Hitze von 2002 seien sehr viel weniger bedrohlich gewesen als 27 Grad heute. Doch so ist es ja auch.

Der Klimawandel schreitet voran, die Wetterkarten marschieren in fester Formation hinterher. Was glüht, muss glühend rot sein, was heißt verbrennt ist, changiert ins Violette. Und was endgültig verbrannt ist, bewegt sich ins Kohlerabenschwarze, mit dem alles anfing. Eine Reise in die Dunkelheit, die bei Geschwindigkeit der Thermometervorgaben schon in Kürze beendet sein wird.

Donnerstag, 27. Juli 2023

Grüner Wasserstoff: Komasaufen mit Energiechampagner

Auto Antrieb Wasserstoff
Alles wird grün und alle freuen darauf, dass der "Champagner der Energiewende" bald überall sprudelt.

Nun also wieder Wasserstoff, mit funkelnagelneuer neuer Bundesstrategie. 17 Jahre nach der Gründung der  "NOW GmbH Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie" durch die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel und nur zwei Jahre nach einem grundlegenden Strategiewechsel der Firma mit zwei gutbezahlten Geschäftsführern hin zu allen "emissionsfreien Technologien in einem integrierten Energiesystem" soll es der superleichte Gasersatz aus Luft und Wasser wieder richten. Noch fehlt es an ausreichend Windrädern und Solaranlagen für den "überzähligen Strom" (DPA), der eines Tages aus reichlich Wasser und Technologie ganz und gar grünen Wasserstoff machen wird, der alles das antreibt, was nach dem Ende des Energieausstieges nicht mehr mit Erdgas und Öl gefüttern werden kann.  

Nur die Technologie fehlt noch

Es fehlt es auch noch am Wasser und an der Technologie, doch an Optimismus fehlt es nicht: Bis 2030 sollen in Deutschland zehn Gigawatt Wasserstoff hergestellt werden, um die Erderwärmung zu begrenzen. Wo elektrische Energie nicht geeignet ist, die Reste von Industrie, den Kollektivverkehr und die Kraftwerke anzutreiben, wird dann grüner Wasserstoff eingesetzt, CO2-neutral und nachhaltig. Auch schwere Nutzfahrzeuge, Flugzeuge und Schiffe werden in sieben Jahre umgerüstet sein und mit dem betrieben, was Jules Verne 1870 in seinem Roman "Die geheimnisvolle Insel" die "Energie von morgen" nannte: "Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist."

Wichtigste Voraussetzung, das große grüne Ziel zu erreichen, sind nicht technische Gegebenheiten, wirtschaftliche Fakten oder die praktischen Umstände, die das Vorhaben angesichts hoher Erzeugungskosten von Wasserstoff, niedriger Wirkungsgrade der Elektrolyseverfahren und großer Energieverluste durch die vorgesehene mehrfache Umwandlung von Strom in Gas, Gas in anderes Gas und Gas in Strom geradezu fantastisch erscheinen lassen. Wichtigste Voraussetzung ist wie immer der Plan, von dem Regierungen stets davon ausgehen können, dass er draußen im Land bei den Protokollführern für bare Münze genommen wird. Dann freut sich jedermann über den Raketenstart in Energiezukunft, die neuen Superziele finden allgemeinen Beifall, schließlich sind sie jetzt doppelt so gut und klimaschonend wie zuvor.

Begeistert gefeierte Blütenträume

Robert Habeck versteht vielleicht nichts von Wirtschaft, aber das Geschäft mit der Bewirtschaftung medialer Blütenträume beherrscht der Klimaminister wie kein zweiter. Irgendetwas mit "Kraftakt" und "Wasserstoffwirtschaft" hat er ihnen diesmal in die Blöcke diktiert, es wird wiedermal eine "gigantische Aufgabe", "denn das Gas soll eine zentrale Rolle in der nichtfossilen Zukunft spielen – als chemischer Grundstoff etwa in der Stahlindustrie, als klimaneutrale Energiequelle und als Speichermedium" (Taz). Dazu dreht Habeck nun vor aller Augen den "Wasserstoff-Hahn" (n-tv) auf, den es nicht gibt, um den "Champagner der Energiewende" nächstens mal so richtig strömen zu lassen.

Von fünf Gigawatt hoch auf 10 soll die Produktionskapazität für grünen Wasserstoff in Kürze sieben Jahren schnellen. Dann könne Deutschland schon "ein Drittel seines Bedarf" (Habeck) selbst produzieren. Das wird nichts weniger als ein weiteres großes Wunder werden: Derzeit werden in Deutschland jährlich 55 bis 60 Terawattstunden Wasserstoff in Deutschland produziert und verbraucht. Zu 95 Prozent handelt es sich dabei um den alten, grauen Wasserstoff aus Erdgas, nur der Rest ist so grün, wie bald alles sein soll. Weil aber nun die deutsche Erzeugungskapazität für grünen Wasserstoff bei etwa 20 Gigawatt liegen müsste, um allein den bisherigen Bedarf zu decken, geht Habecks Rechnung, mit zehn Gigawatt ein Drittel des künftig verdoppelten Bedarfes herzustellen, nur in der Fantasie besonders Wohlmeinender  auf.

Nur die Rechnung geht nicht auf

Derzeit decken die fünf Gigawatt grüner Wasserstofffabriken fünf Prozent einer Nachfrage, die sich den Plänen der Bundesregierung zufolge in den kommenden Jahren durch die vielen, vielen neuen Anwendungsgebiete wenigstens verdoppeln soll. Die zehn Gigawatt würden damit am Ende wiederum für etwa fünf Prozent der Nachfrage reichen, günstigstenfalls. Selbst zwei Drittel grünen Importwasserstoff eingerechnet, von dem niemand weiß, woher er kommen soll, und niemand weiß, zu welchem Preis, bleibt eine Lücke von 35 Prozent Unterversorgung. 

Um die zu schließen, müsste Robert Habeck einen Weg finden, in den kommenden paar Jahren aus zehn Gigawatt Produktionskapazität eine von 100 Gigawatt zu machen. Oder er verlässt sich einfach weiter darauf, dass niemand nachrechnet.

Wumms und Wirtschaftswunder: Die Brandmaurer

Von Rezession ist keine Rede, von Wirtschaftskrise auch nicht.

So geht es nun also zu Ende, das gerade erst angekündigte neue Wirtschaftswunder. Noch kaum eine Wärmepumpe ist eingebaut, noch kaum ein Klimakiller-SUV ausgetauscht, noch wenig ist zu sehen von der Investitionsoffensive mit Braunkohlemitteln, EU-Wiederaufbauförderung und Sonderzahlungen aus dem Chips Act, den selbst führende Leitmedien für bereits beschlossen und besiegelt hielten, als er es noch längst nicht war, weil er nach anderthalb Jahren schon so vertraut klingt wie Green Deal, Fit for 55 oder - lange, lange ist es her - Lissabon-Strategie

Warten auf die Erneuerbaren

Im Mai hatte der Bundeskanzler die Idee vom neuen Wirtschaftswunder in Gespräch gebracht, ein Vorschlag, der unmittelbar auf Wumms und Doppelwumms folgte. Der Wirtschaftsminister assistierte mit dem Vorschlag eines Industriestrompreises, der, wenn schon nicht die Bürger, dann doch wenigstens die noch verbliebenen Firmen vor der verheerenden Folgen der weltweit führenden Klimastrompreise schützen soll, bis "die Erneuerbaren" (Ricarda Lang) ihre segensreichen Preissenkungswirkungen mit voller Wucht entfalten.

Der steht aus, dafür aber sinkt die Wirtschaftsleistung nun schon im dritten Quartal hintereinander. Was Ende 2022 noch ein Ausrutscher war, geschuldet unaufmerksamen Statistiker, und Anfang des Jahres dann als "technische Rezession" wie eine Art Landregen erklärt wurde, der vorüberziehen würde, hält nun doch länger. Die Bäcker, sie backen nicht mehr. Die Schuhverkäufer haben zugemacht. Die smarten Lastenrad-Start-Ups sind überschuldet. Selbst die letzten Verbrenner will kaum mehr jemand haben. 70 Tage nach der Wirtschaftswunderankündigung trübt sich die trübe Stimmung dauerhaft ein, der kranke Mann Europas ist zurück.

Gekuschelt in ein Leichentuch

Doch auf dem Krankenbett, schon leicht gekuschelt in ein Leichentuch, beschäftigen ihn allerlei andere Fragen. Was ist mit dem Klima und hat der Regen auch damit zu tun? Ist es so kalt, weil es warm ist? Rammstein, gibt es da schon neue Behauptungen? Welche Binde trägt die als "Mannschaftskapitänin" gemissgenderte Spielführerin der "deutschen Frauen-Nationalmannschaft" (ARD) und welche Botschaft trägt sie damit in die Welt? Schließlich aber, und in Zeiten abnehmenden Lichts zentral: Was meinte Friedrich Merz, als er versuchte, an der Brandmauer nach rechts zu pickern wie ein Berliner Mauerspecht in den letzten Augenblicken der DDR?

Es gäbe viel zu tun und es gibt viele Argumente dafür, es sein zu lassen. Kein Mensch will mitten in den Sommerferien, wenn Rhodos brennt und unklar ist, wer denn nun Millionen Wählerstimmen nach Sonneberg schaufelt, Informationen darüber verarbeiten müssen, dass sich "die Lage verdüstert" und auf die Agonie der letzten vier Jahre ein "langer Abschwung" (Spiegel) folgen wird.  Ist nicht lieber Johnny Depp bewusstlos in seinem Hotelzimmer gefunden worden? Hat nicht Greta Thunberg 215,50 Euro Strafe zahlen müssen? Wechselt der Kane nun zu Bayern? Und machen die Punks wieder ihr Protestcamp auf Sylt? Obwohl das Neun-Euro-Ticket ja jetzt auch  teuer geworden ist?

Es gibt keine Wirtschaftskrise

Die Wirtschaftskrise, sie ist da, aber nicht hier, sondern in Ägypten, Sri Lanka, Afghanistan und der Türkei. Für Deutschland haben Politik und Medien eine unüberwindliche Brandmauer zwischen Wirklichkeit und ihrer Benennung errichtet. Bis die Bundesworthülsenfabrik (BWHF) in Berlin einen knackigen neuen Begriff gefunden hat, mit dem sich die anhaltende Abnahme des Bruttoinlandsproduktes ähnlich elegant umschrieben lässt wie mit dem Anfang der 2000er Jahre zuletzt verwendeten "Minuswachstum", wäre es wäre es nicht die Freuden der Knappheit zu entdecken, das zu feiern, was noch da ist, und den Kanzler dafür zu preisen, dass er sich den Urlaub im "befreundeten europäischen Ausland"  nicht von Untergangspropheten und Bundesstatistikern verderben lässt.

Diesmal ist es nur eine "Sommerrezession", die spätestens am 23. September beendet sein wird, weil dann der Herbst beginnt. Vielleicht werden Maschinenbau und Elektrotechnikbranche, die Chemieindustrie und die Autohersteller dann immer noch "schwächeln" (Welt), aber kein vernünftiger Mensch wird dann noch von einer Sommerrezession sprechen. Durch den Winter danach kommt Deutschland immer gut, weil die EU Gasspeicherfüllstände vorschreibt und der Wirtschaftsminister sich täglich melden lässt, wo der Zeiger steht. Danach ist dann schon Frühlingserwachen.

Mittwoch, 26. Juli 2023

Der Nazi-Magnet: Böhmermann auf Faschisten-Pirsch

Der Schock sitzt tief über den Verrat des CDU-Chefs an der Brandmauer. Wie Kakerlaken, wenn das Licht angeht, verschwand jeder Rest von Unterstützung, auf den der langgediente Politiker bis dahin noch hatte hoffen können. Parteifreunde schimpften, Parteifeinde sprachen ihm die Eignung ab, als Steigbügelhalter einer am Umgang der SPD mit der früher als SED auftretenden Linkspartei orientierten Taktik der Normalisierung extremen Gedankengutes musste sich Merz bezeichnen lassen.  

PPQ-Kolumnistin  Svenja Prantl  erklärt den vielschichtigen Humor des Nazijägers Jan Böhmermann.

Schwer, darauf noch einen satirischen Seitenhieb zu setzen, aber nicht unmöglich für den Bundesclown  Jan Böhmermann. Mit feinster Klinge nahm der Vorreiter der Re-Integration zumindest weiblicher Rechtsradikaler  den Flankenball auf, den Merz mit "die CDU ist eine Alternative für Deutschland mit Substanz" beschriftet hatte. Und beruhigte seine 2,7 Millionen Follower beim Kurznachrichtennetzwerk X mit der Nachricht: "Keine Sorge, die Nazis mit Substanz wollen nach aktuellem Stand voraussichtlich nur auf kommunaler Ebene mit Nazis zusammenarbeiten."

Das mutet auf den ersten Blick nicht allzu lustig an, enthält aber eine Portion Humor, die viele Leserinnen und Leser bereits überfordern dürfte. Einerseits spielt Böhmermann hier geschickt darauf an, dass nunmehr nicht nur die 18 (!) bis 21 Prozent mutmaßlich zu allen Schandtaten bereiten AfD-Wählerinnen und Wähler als Nazis gelten müssen, sondern auch die 28 Prozent der Wahlberechtigten, die bisher meinten, sich mit der Auskunft, treu zur Union zu stehen, vor solchen Unterstellungen schützen zu können. 

30 Millionen Nazis im Land

Zusammen macht das 30 Millionen Nazis im Land - ein Anstieg um 350 Prozent seit 1945, als nur 8,5 Millionen Deutsche sich zum Nationalsozialismus bekannten. Das wirft kein gutes Licht auf die Arbeit so vieler hauptberuflich engagierter Bärendienstler bei ARD, ZDF, HateAid, Hass-gegen-Netz und Amadeu-Stiftung, Volksverhetzer, Bundesblogampelamt (BBAA) und den anderen Aufsichtsbehörden. Es wirft aber erst recht kein gutes Licht auf Jan Böhmermann, der sich als Künstlerfigur schon seit Jahren gemein macht mit einem anderen alten weißen Mann, dem er selbst bereits nachgewiesen hat, dass er als "Nazi-Magnet" einem kommenden Vierten Reich den Weg ebnet.

Ja, 2016, als es für windige Prominente noch nicht trendig war, sich in die Unsichtbarkeit von Mastodon zurückzuziehen, hatte sich Böhmermann im Zorn von dem damals noch als Twitter bekannten Dienst verabschiedet. Seit langer Zeit aber ist er zurück und er nutzt seine Prominenz tagtäglich, um arglose und nichtsahnende Nutzer zum Nazi-Magneten zu locken. Indem er etwa 30 Millionen Deutsche zu Nazis erklärt, gesteht Jan Böhmermann nun aber, dass er die Hälfte seines Gehaltes von "Faschisten" (Böhmermann) bezieht. Während er die mit deren  Hilfe erlangte Bekanntheit nicht etwa nutzt, um mit seiner von der Gesellschaft finanzierten Reichweite bedingungslos Gutes zu tun. Sondern dazu, Elon Musks Nazi-Magneten weitere Opfer zuzutreiben.

Dass Böhmermann keine Satire kann, werden angesichts dieser Umstände nur Menschen behaupten, die den vielschichtigen, selbstironischen Humor des Bremers nicht zu entschlüsseln vermögen.

Friedrich der Bloße: Zwischen Baum und Borke

Friedrich der Bloße: CDU-Chef Merz hat sich beim Versuch, seine Partei strategisch breiter aufzustellen, Ohrfeigen von Merkelianern, der politischen Konkurrenz und sämtlichen Medien eingefangen.

Die alte Kanzlerin fürchtete ihn. Friedrich Merz galt als harter Hund, ein Konservativer, der sich nicht scheute, harte Kante zu zeigen. Die Granden der CDU hatten sich bei Wahl zwischen Merkel und Schäuble für Merkel entschieden. Merkels erstes Bestreben war, die Entscheidung unumkehrbar zu machen. Die neue Partei- und schließlich auch Fraktionsvorsitzende entsorgte ihren Konkurrenten gründlich, den Rückzug ins Privatleben aber überließ sie ihm selbst.

Sauerländer ohne Stolz

Dass Friedrich Merz noch einmal wiederkommen würde, war nicht zu erwarten., Doch so sind die Männer: Die Ausbootung schmerzte, jahrelang. Selbst sein zweifellos vorhandener Stolz stand dem oft als "Sauerländer" bezeichneten Hobbyklarinettisten nicht im Weg zurück. Friedrich Merz kandidierte einmal vergebens als Nachfolger von Merkel. Er tat es noch mal, nachdem es nicht gelangt hatte. Und er hätte es wohl noch ein drittes mal versucht, wäre die Partei nicht endlich soweit gewesen, mangels Alternativen zumindest ganz leise nach ihm zu rufen.

Wähler wandern von den Grünen ab.
Friedrich Merz übernahm die von endlosen Regierungsjahren unter einer endlos regierenden Kanzlerin ausgelaugte, ermüdete und von sich selbst enttäuschte Partei als tief gespaltenen Haufen. Hier die Merkelianer, die am liebsten Sozialdemokraten, noch lieber aber Grüne wären. Dort die übrigen, die gern wieder das Deutschland von früher hätten, ungegendert, mit Wohlstand für alle und ohne die alltäglichen Zeichen, Signale und Bitten um Verzeihung. Ihnen galt Friedrich Merz für die ersten paar Stunden seiner Amtszeit als Hoffnungsträger. Der neue Mann würde klarmachen, wo es langgeht. Und keine Rücksicht nehmen auf die alte Garde der unter Merkel Aufgestiegenen, die natürlich ihr eigenes Weiterso planten. Schließlich, argumentierten sie, habe dieser Kurs 16 Jahre zum Regieren gereicht.

Friedrich Merz hat seitdem ein Kunststück fertiggebracht, das in der Geschichte der CDU einmalig ist. Der 67-Jährige hat alle enttäuscht, bei denen angefangen, die sich von ihm einen Ruck zurück erwartet hatten, bis zu denen, die ihm nicht zutrauten, fortzusetzen, was Angela Merkel durch kluges Abwarten und die Betrachtung aller Dinge vom Ende her erreicht hatte.

Letzter Plan Bierdeckel

Es mag sein, er hätte gern. Doch 20 Jahre nach der letzten großen Reformidee, die die Union damals mit seiner Bierdeckelsteuer vorgelegt hat, ist Friedrich Merz keiner mehr, der ein Amt haben will, weil er es braucht, um etwas zu tun oder gar zu erreichen. Vielmehr gehört der Westfale nun zweifellos zu jener anderen, zu jener den politischen Betrieb dominierenden Art des Politikers: Er hat den Posten, Merz sogar mehrere. Und das allein war Ziel all seiner Bemühungen.  

Merkel lag vollkommen falsch, was die Ambitionen des gelernten Anwalts betrifft. Sicherlich träumt Friedrich Merz davon, eines Tages doch noch in Kanzleramt einzuziehen. Doch sich der Entscheidung zu stellen, es nur zu den eigenen Bedingungen zu werden, kommt für ihn nicht infrage. Vom ersten Tag als Vorsitzender irrlichtert der gewiefte Taktiker zwischen den Polen seiner Partei: Den Linken gibt er Geschwätz von Gerechtigkeit und gemeinsamem Grünsein. Die Rechten hält er mit Andeutungen über Ruhe, Ordnung und niedrigere Steuern bei der Stange.

Keine Alternative zur Alternative

Wo sollen sie auch hin? Links von der Union steht die grüne Sozialdemokratie mit ihren kunterbunten Fahnen, grün, gelb, rot und noch röter. Rechts von der Union ist nur die Schwefelpartei, die als Alternative in Erwägung zu ziehen für altgediente CDU-Wählerinnen und -Wähler einfach nicht infrage kommt. Oder besser kam. Denn anderthalb Jahre nach der Übernahme des Parteivorsitzes durch Merz lässt sich nicht mehr übersehen, dass es dem früheren Blackrock-Manager nicht gelungen ist, die CDU zu einer Alternative zur Alternative für Deutschland zu entwickeln, der die Herzen der Millionen von enttäuschten, empörten und verängstigten SPD-, FDP- und Grünen-Wähler zufliegen.

Was dort wegbröckelt, läuft gleich bis ganz nach Rechtsaußen weiter. Die Union stagniert, die Überzeugung des neuen Parteivorsitzenden, es reiche vollkommen aus, auf die Fehler der Ampelparteien zu vertrauen und darauf zu warten, dass dem Volk am Ende ja doch nichts übrigbleiben wird als einen zu rufen, stellt sich mehr und mehr als Illusion heraus. Absichtlich hatte Merz es lange vermieden, sich inhaltlich festzulegen oder gar erkennen zu lassen, wie die Union Deutschland zu regieren gedenkt. Der letzte Leitantrag, den ein Parteitag beschloss, hieß "Klarer Kurs für sichere Energie und eine starke Wirtschaft", er hätte aber ruhig auch noch mal "Orientierung in schwierigen Zeiten" heißen können, wie damals 2016, als es der Partei schon einmal gelungen war, 23 Seiten ohne jeden Hinweis auf einen Inhalt zu füllen.

Angst vor der letzten Gelegenheit

Es war wohl die Angst, auch diese letzte Gelegenheit zu verpassen, sein Lebenswerk zu krönen, die Friedrich Merz veranlasst hat, die CDU nach rechts zu steuern. Natürlich, inhaltlich wächst nichts zwischen Baum und Borke, zwischen Merkelianern und den letzten paar Konservativen. Also musste ein neuer Generalsekretär her, und ein neuer Ton, schrill von Grenzschließungen und Asylabschaffung orgelnd. Es war der verzweifelte Versuch, die Partei für die zu öffnen, die zuletzt in Massen direkt von den Grünen zur Schwefelpartei abgewandert waren. Über die Brandmauer. Ins gesellschaftliche Abseits.

Er ist schiefgangen. Merz' Experiment, Selbstverständlichkeiten auszusprechen, um die Grenzen des Sagbaren demonstrativ auszutesten, kann zwei Tage später schon als gescheitert gelten. Statt seiner schwarzen SPD etwas mehr Beinfreiheit zu verschaffen und ihre strategischen Optionen zur Mehrheitsbildung so zu erweitern, wie es der roten SPD bei der Frage von Bündnissen mit der SED gelungen ist, steht der CDU-Chef 48 Stunden nach seinem erwartungsfroh geplanten Manöver als Friedrich der Bloße da: Die parteiinternen Konkurrenten stürzen sich auf ihn, manche bissig, manche aber auch so milde, als sei der Chef mit seinem Gequatsche nicht einmal ein wenig Aufmerksamkeit wert.

Klare Machtperspektive

Hätte die CDU jemand anderen, wäre Friedrich Merz fällig. Hat sie aber nicht, weswegen der Vorsitzende es ja überhaupt nur wurde und weswegen er nun auch wird bleiben dürfen. Die 28 Prozent bei Umfragen sind ja so schlecht auch wieder nicht, dass ernsthaft zur Revolution gerufen werden müsste. Hält das Ergebnis, wird sich Friedrich Merz nach der nächsten Bundestagswahl aussuchen können, ob er mit der SPD oder mit den Grünen regieren will. Hält der Trend zur Abwanderung von Millionen Wählerinnen und Wählern hinter die Mauer, ist das auch kein Problem. Regiert er dann eben mit SPD und Grünen.