Mittwoch, 12. April 2023

Nord-Stream-Täter: Die Rache der Natur

Fake News aus der Propagandaküche amerikanischer News-Outlets: Angebliche Aufnahmen vom Meeresgrund, die jetzt aufgetaucht sind. Abb: AInmerkung nach einer Idee von bing/create


Seit Monaten ermittelt Schweden zu den mutmaßlichen Nord-Stream-Explosionen, seit Monaten suchen deutsche Behörden nach dem/der Täter*in, auch die DänenInnen, natürlich die Amerikaner/innen, die Polen, Russen, Esten, Letten und Littauenden, aber auch Norwegen, Großbritannien, Frankreich und die Niederlande, ja, sogar die Ukraine jagen nach den Urhebern der verheerenden Explosionen in der Ostsee im letzten Herbst, die Europas Energieversorgung vom Kopf auf die Füße stellten.

Staat oder Hobby-Terroristen

Staatlicher Akteur oder Hobby-Terroristen? Schlanke kleine schnelle Privatjacht oder russischer Flottenverband? US-Spezialeinheit oder sächsischer Taucherklub? Bisher ist kaum etwas aus den Büros der Ermittler nach außen gedrungen. Zuletzt verwirrten Nachrichten über eine Verwicklung des Weißen Hauses die Öffentlichkeit, dann konterten die offiziellen Stellen mit der Theorie um den Segler "Andromeda". Schließlich legte die schwedische Staatsanwaltschaft wichtige Erkenntnisse vor, nach denen nun doch wieder "höchstwahrscheinlich ein staatlicher Akteur für die Explosionen verantwortlich" sei. Möglich sei aber auch, so der zuständige Staatsanwalt Mats Ljungqvist, dass auch nicht-staatliche Akteure dazu in der Lage seien, einen Terroranschlag wie den vor der dänischen Ostseeinsel Bornholm durchzuführen.

Ein wichtiger Fingerzeig, gerade vor dem Hintergrund der Hinweise, die die Geschichte in solchen Momenten umfassender Unklarheit gibt, wie der schwedische Privatermittler Jorgen Torgersson der schwedischen Nachrichtenagentur TT sagte. Torgersson wurde bereits im Oktober vergangenen Jahres von einer skandinavischen Umweltgruppe beauftragt, die Verursacher der klimaschädlichen Explosionen zu finden. Keine große Sache, glaubte der 53-Jährige zuerst. "Verdächtig sind aufgrund der notwendigen komplexen Tatvorbereitungen, der hohen Kosten und der nötigen umfassenden Vorkehrungen zur Geheimhaltung nur sehr wenige Staaten, große Unternehmen oder gut vernetzte Gruppen."  

Ein Echo von "Der Schwarm"

Lange Zeit war auch für den früheren Chefermittler der schwedischen Geheimpolizei Gehejmpolitsaken (GPS) die wichtigste Spur, "dass ein Staat dahintersteckt." Mittlerweile aber hat Torgersson bei einem Besuch in Deutschland, wo der große, kräftige Mann mit dem kurzgeschorenen Haar weilte, um sich mit dem hierzulande ermittlungsführenden Generalbundesanwalt abzustimmen, den ZDF-Ökothriller  "Der Schwarm" gesehen - und schlagartig, sagt er, sei ihm "klargeworden, womit wir es hier überwiegend wahrscheinlich zu tun haben."

War es die Ukraine nicht, nicht die USA, Russland auch nicht, Polen, Großbritannien und Norwegen, drei große Profiteure der Stilllegung von Nord Stream I und 2, ebenso wenig - dann blieben, da Deutschland selbst nicht über die technischen und taktischen Voraussetzungen zur Durchführung eines solchen Anschlages verfüge, nur noch nicht-staatliche Verursacher. "Die aber wären nach allgemeiner Auffassung nicht zu einer Organisation in der Lage, schon gar nicht zum Anschlag selbst und erst recht nicht dazu, ihn durchzuführen und danach unentdeckt zu blieben."

Ausgeschiedene Verdächtige

Nicht-staatliche sei deshalb wohl zutreffend, meint Jorgen Torgersson. Nur eben anders als Beobachter bisher annähmen. Schieden Staaten und private Terrorgruppen wie der IS, die NSU, RAF und baskische Separatisten gleichermaßen aus, bleibe für Spekulationen kein Raum mehr. "Im ,Schwarm' haben wir gesehen, dass es die Natur durchaus vermag, sich selbst für menschliche Übergriffigkeit zu rächen." Trotz neuer Fotos (oben), die kürzlich in den USA geleakt worden waren, hält Torgersson die Täterfrage für geklärt. "Wir können nicht sagen, wer hinter dem Anschlag steckt, aber wir wissen heute, was es war."

Der Streit um die Täterschaft, die Zeit der Schuldzuweisungen und die Angst der Bundesregierung, es könne der falsche Täter gefunden werden, all das sei vorbei. Weder die Spuren, die zuletzt auf eine mutmaßlich pro-ukrainische Gruppe mit Basis auf Rügen hingewiesen hatten, noch Wladimir Putins Beschuldigungen Richtung USA hält Torgersson nach den Recherchen seines mit Spezialisten, Experten, Wissenschaftlern, Forschern und Sicherheitsleuten gespickten Teams für tragfähig. "Unserer Überzeugung nach schauen alle in die falsche Richtung."

Opfer der Natur

Der Schwede hingegen ist überzeugt, dass die Nord-Stream-Pipelines der Rache der Natur selbst zum Opfer gefallen sind. "Der Schwarm hat uns gezeigt, was in dieser Hinsicht möglich ist." Dass die westlichen Verbündeten zuletzt im UN-Sicherheitsrat eine von Russland beantragte unabhängige Untersuchung der Explosionen im September verhinderten, sei aus seiner Sicht völlig unnötig gewesen. "Es gibt keinen Anlass, Angst zu haben, dass die Tätersuche dazu führt, dass die Bundesregierung Sanktionen gegen enge Verbündete verhängen muss." Nur Russland, China und Brasilien hatten dem Antrag zugestimmt, auch von UN-Seite aus nach den Pipeline-Terroristen zu suchen, die Nord-Stream I und II zum Bersten gebracht und riesige Mengen Methangas in die Ostsee geschleudert hatten.

Ein Umweltverbrechen, das Jorgen Torgersson nach sachlicher Betrachtung aller Umstände, Indizien, Hinweise und Beweise nur einem Akteur wirklich zutraut - der Natur selbst.  Wie evangelische deutsche Pastoren, muslimische Selbstmordattentäter oder tibetische Mönche, die sich in die Ecke gedrängt fühlten und zur Gewalt gegen sich und andere griffen, sei auch die Natur in eine ausweglose Lage geraten, beschreibt er. Nach einem halben Jahr intensiver Ermittlungen sei bei Würdigung der Gesamtumstände weder Russland noch die USA oder irgendein anderer Staat als Täter überführt, die Spuren zu privaten Terrorgruppen aber hätten sich als sämtlichst Irrwege herausgestellt. "Wenn wir also davon ausgehen, dass die Pipelines wirklich explodiert sind, dann führt uns die das zu einem Verdächtigen, mit dem bisher niemand gerechnet hat."

Gaia wird zum Täter*in

Mutter Natur, mal als still duldendes Opfer der Menschheit, mal als kommende Erlöserfigur dargestellt, spielt bei den Nord-Stream-Angriffen wohl eine andere, dunklere Rolle, so zumindest das Ergebnis der unparteiischen Untersuchung, die Torgerssons private Ermittlergruppe durchgeführt hat. "Die Natur wollte ein Zeichen setzen", ist der Schwede überzeugt. Einen Schuldigen im Sinne einer möglichen Anklage und Verurteilung werde niemand finden, weder in Moskau noch in Washington oder Warschau. "Womit wir es hier zu tun haben ist ein Hilfeschrei des Planeten." Das sei die schwer begreifliche Wahrheit, die seine objektive und transparente internationale Untersuchung zutagegefördert habe. 

Jorgen Torgersson plädiert nun für eine von Skandinavien ausgehende Initiative, der Natur zuzuhören, "am besten in der Uno-Vollversammlung". Da sich die Pipeline-Explosionen in den ausschließlichen Wirtschaftszonen von Schweden und Dänemark ereignet hätten, müsse von dort aus auch das Signal kommen, den kleinlichen Streit um die Explosionsursache beizulegen. Alle Staaten könnten ihre parallel laufenden eigenen Untersuchungen beenden, denn das von ihm vorgelegte Ergebnis sei eines, "mit dem alle sehr gut leben können". 

Umweltgruppe ist hochzufrieden

Selbst die Umweltgruppe, die ihn ursprünglich beauftragt hatte, habe sich trotz des großen Klimaschadens durch  die gewaltigen Explosionen und dem absehbaren Fehlen eines Schuldigen, der auf Entschädigung verklagt werden könne, hochzufrieden gezeigt. "Meine Mandantschaft geht davon aus, dass sich aus dem Tathergang, wie wir ihn jetzt aufgeklärt haben, eine lange Reihe von Vorteilen bezüglich des Weltfriedens, aber auch des Umweltschutzes und der Klimaziele ergeben."

 Nord Stream I und II: Was wir nicht wissen und warum das sehr gut ist

4 Kommentare:

  1. OT
    >>> „Europa erwies sich als nicht vorbereitet für die Krise, die sich aus dem Konflikt in der Ukraine ergab. N i e m a n d hat die steigenden Preise, die Nahrungsmittelknappheit und die Energiekrise rechtzeitig vorhergesehen. Jetzt müssen wir danach trachten, für künftige Bedrohungen gewappnet zu sein“, sagte Österreichs ehemaliger Vizekanzler Heinz-Christian Strache, der ... <<<
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    Was ich mit dem machen würde, könnte ich, wie ich wollte, kann ich aus naheliegenden Gründen nicht schreiben.

    ("Niemand" hat mir das Auge ausgestochen! - Warum grölst du dann so, Polyphem?)

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  2. Die drei Taucher um das Lagerfeuer werden sich in Zukunft dreimal überlegen, mit wem sie ihre Handyfotos teilen. Man gerät zu leicht in Sachen hinein.

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  3. Die Taucher machen bestimmt die Einsatzbesprechung, bevor sie die oben zu sehende Tat begingen. Oder es ist der Abschluß der Aktion, mit lecker Fisch vom Unterwasserlagerfeuer.

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  4. Im gestrigen Interview von Donald Trump hat er auf die Frage, wer Nordstream gesprengt habe, geantwortet, er wolle seinem Land nicht schaden, aber wer es nicht war, könne er sagen: Russland!

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