Sonntag, 2. April 2023

Inflationsritter: Deutschland-Tempo für das Geld-Karussell

Die Wucht aus der Wirklichkeit nehmen: Fratzschern bedeutet, dass nie etwas so schlimm ist, wie es den Menschen vorkommt. Abb: Kümram, Tränen auf Seide, koloriert

Ein Hellseher, der immer danebenliegt. Ein Forscher, dessen Erkenntnisse keiner Überprüfung standhalten. Ein Institutschef, der nach Sonnenstand Auskunft gibt, aber jederzeit bereit ist, auch das Gegenteil zu sagen. Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, hat das Überleben im Irrtum zu einer Kunstform entwickelt. Der 42-jährige Ökonom, Politikberater und Professor für Makroökonomie an der Berliner Humboldt-Universität geht mit seinen Aussagen immer dorthin, wo es nicht wehtut: Die Aktienmärkte würden nächstens um 30 oder 40 Prozent korrigieren. Habecks Plan der Bundesbäckerferien begrüßte er. Und die Inflation erklärte er früh zu keinem Problem, sie würde von selbst weggehen, schneller sogar, als irgendjemand schauen kann.

Ein Muster an Wissenschaftlichekit

Fratzscher ist ein Musterexemplar des Wissenschaftlernden dieser Republik. Mit seinen Prognosen liegt der Berliner beständig falsch, das aber richtig. Eine Gewohnheit, die ihn keineswegs daran hindert, schon in der nächsten Woche mit einer neuen Erklärung der Realität hervorzutreten, die mit der Wirklichkeit wiederum nichts zu tun hat. Je mehr Böcke er schießt, desto größer wird der Jägerstolz des ökonomischen Weidmanns, der für eine Einladung ins Fernsehen noch bereit wäre, zu erklären, dass die zusammengebrochene Brücke hinter ihm niemals hätte einstürzen können, wäre nur auf die gehört worden, die rechtzeitig gewarnt haben. 

Auch zu denen hätte Marcel Fratzscher im Nachhinein natürlich immer gehört. Wenn er eines weiß, dann um die Mechanismen des professionellen Vergessens der Medien. Die sind jederzeit gern bereit, über alles Vergangene hinwegzusehen, gibt man ihnen nur immer im Augenblick, was sie gerade haben wollen.

Unbemerkte Positionswechsel

Das sogenannte "Fratzscher" bezeichnet die Tätigkeit, mit der Positionen gewechselt werden können, ohne dass vor den Augen des Publikum seine Bewegung stattfindet. Im Kleinen versuchen sich auch große, bekannte Namen mit diesem Trick - der französische Präsident Emmanuel Macron  etwa verzückte seine Zuschauer in aller Welt erst vor wenigen Tagen mit einem gekonnten Taschenspiel. Den wahren Meister der Disziplin aber gelingt es nicht nur, die gesellschaftliche Vergesslichkeit als Lehm zum Bau ganzer - und klimaneutraler - Gedankengebäude zu nutzen. Sondern auf der Grundlage einer unerschütterlichen Selbstgewissheit, die auf ungezählten Irrtümern beruht, eine geradezu weißglühende Überzeugungskraft auszustrahlen.

War die Inflation eben noch kein Problem, ja, sogar notwendig, um die kleinmütig zögernde und von Zweifeln befallene Wirtschaft auf den rechten Pfad des linken Degrowth-Wachstums zu zwingen, vermag sie sich schon wenige Interviews später in den Auslöser des "wirklichen Problems der Inflation" zu verwandeln, dass "bei den Verteilungseffekten liegt, vor allem den steigenden Wohnkosten und Energiepreisen für einkommensschwache Familien".

Wider den Alarmismus

Das Problem der Inflation ist doch, dass sie Inflation auslöst, die Inflation auslöst, die wiederum Inflation auslöst. Aber fingerflinkes Fratzschern weist umgehend den Ausweg aus einer Situation, deren Betrachtung leider in der öffentlichen Debatte "von Alarmismus geprägt" ist. Fehlt es unten oder bis in die Mitte, nur weil einen "notwendige Normalisierung" (Fratzscher) endlich eintritt, dann darf niemand der EZB die Schuld geben, sondern "die Politik sollte selbst Verantwortung übernehmen".

Wer denn sonst könnte helfen? Das Schöne an dieser Art Wert- und Wohlstandsvernichtung ist doch, dass der Staat dabei immer gewinnt und dass das kaum jemand bemerkt. Die Berge an Altschulden schrumpfen, die Steuereinnahmen aber explodieren förmlich. Nur der Staat könne andererseits die höheren Kosten stemmen - folglich müsse er sich solidarisch zeigen und den Forderungen der Gewerkschaft nach 10,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt für den öffentlichen Dienst nachgeben. Nicht einmal dieser große Schluck aus der Pulle gleiche doch die Reallohnverluste bis hierher aus. "Acht Prozent 2022, in diesem Jahr vermutlich nochmal um die sechs Prozent: Das heißt, Ende des Jahres werden die Menschen 14 Prozent weniger Kaufkraft mit ihren bestehenden Löhnen haben", hat der DIW-Chef errechnet. 

Keine konzertierte Aktion

Gut für die Umwelt, gut für die Klima, aber schlecht für die Stimmung. Nachdem der Scholz-Plan für eine konzertierte Aktion gegen Verarmung und Geldentwertung in den letzten Koalitionsrunden keine Rolle mehr gespielt hat und das ursprünglich ausgelobte "Klimageld" wohl endgültig in der Schublade verschwunden ist, verspricht sich Marcel Fratzscher im Augenblick von einem Lohnsprung im öffentlichen Dienst die beste Chance, die nächste Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung zu erklimmen. Auch mit zehn Prozent mehr Geld müssten die Menschen "immer noch ihren Wohlstand einschränken", aber der Staat könne das stemmen, weil er auf der anderen wegen der immer noch ausstehenden Neuregelung der kalten Progression auch gleich wieder mehr einnehme.

Um die eine noch weitergehende gesellschaftliche Spaltung entlang der Grenzen von Beschäftigten im öffentlichen Dienst und bei privaten Arbeitgebern zu verhindern, müsse dann als nächstes eine Erhöhung des Mindestlohnes folgen, auf die private Unternehmen automatisch mit Lohn- und Gehalterhöhungen für ihre höherqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reagieren werden. Am Ende des verrückten Zyklus könnten dann alle die Preise ihrer Produkte und Dienstleistungen erhöhen, um die Mehrausgaben zu finanzieren. Das wird aber auch kein Problem sein, weil ja nun alle mehr Geld haben, um höhere Preise überall zu bezahlen.

 

5 Kommentare:

  1. Der, die Kemfert und der Graichen sollten heiraten. Zusammen wären sie der Einstein des Lobbyismus.

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  2. @Anonym1: Ich würde noch Thomas Fricke in den Mixer werfen ...

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  3. OT
    >> El Zorro 1. April 2023 at 20:27
    Die Masochistendeutschen wollen das so! Das darf nie vergessen werden. Die wollten auch einen Hitler und wollen wieder so einen. Um masochistisch zu leiden und zu jammern und sich später sadistisch auszuleben. Die Schlächter und Quäler im 3. Reich waren zum großen Teil ganz „normale“ Bürger. Aber krank! Vorher Masochisten, dann Sadisten! <<

    El Zorro nennt sich der August - wohl eher El Gusano.

    Frei nach Sefton Delmer: > Bis sie sich aus freien Stücken wollüstig grunzend in ihrer (ihnen eingeredeten) Schuld suhlen ... < --- das geht auch mehr oder weniger indirekt, z.B. durch wohlfeile Eselstritte gegen NS-Größen (Die ganz Megaschlauen bilden sich ein zu wissen, dass ER in Wirklichkeit Schicklgruber hieß).

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  4. Schicklgruber ...
    Es ist auch magisches Denken* mit im Spiel. Der Deifi wird der Leybhafftige, der Bär zu Bruno oder Beowulf (Bienenwolf) - bloß nicht den eigentlichen Namen nennen, das gibt aua.
    * Denn früh belehrt' ihn die Erfahrung: Sobald er schrie, bekam er Nahrung.

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