Vor Urzeiten protestierte Deutschland noch lautstark gegen die Grenzkontrollen der Nachbarstaaten. |
Vor acht Jahren war der Aufschrei noch ohrenbetäubend. Dänemark hatte Grenzkontrollen eingeführt, Mediendeutschland war entsetzt. Staatssender beklagten das Ende von Schengen, Hessens Europaminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) forderte zum Urlaubs-Boykott, die Süddeutsche Zeitung sah eine "Axt an die Europäische Idee" gelegt und in Brüssel kam die große Sorge auf, "dass die Kontrollen gegen EU-Verträge und das Schengen-Abkommen zur Reisefreiheit verstoßen".
Als Deutschland Grenzkontrollen verurteilte
Auch Italien musste sich warm anziehen, als es angesichts des "Zustroms" (Angela Merkel) entschied, seine Grenzen zu kontrollieren. die Bundesregierung ließ keinen Zweifel daran, dass sie die italienischen Maßnahmen verurteilt. "Wir sehen in dieser Frage raschen und detaillierten Aufklärungsbedarf. Die Reisefreiheit und das Schengen-Abkommen sind wesentliche Errungenschaften der europäischen Einigung und dürfen nicht in Frage gestellt werden", kommentierte das Außenministerium bissig.
Erst als Deutschland Monate später selbst dazu überging, seine offenen Grenzen zu kontrollieren, beruhigte sich die Lage. Das Verhalten der Kontrollstaaten, zu denen inzwischen auch Frankreich und Griechenland gehörten, war nun nicht mehr Beispiel dafür, "wie fragil Regelungen und Grundüberzeugungen in der EU sein können" (SPD). Sondern eine Notwendigkeit, um die Bevölkerung wenigstens symbolisch zu beruhigen.
Die längsten sechs Monate der Welt
Die Lage war und die Lage ist unter Kontrolle. Nach den europäischen Verträgen sind Grenzkontrollen im an sich offenen Schengen-Raum zwar nur für "einen begrenzten Zeitraum von höchstens 30 Tagen" möglich, der bei "außergewöhnlichen Umständen im Sinne von Artikel 29 auf eine Höchstdauer von zwei Jahren verlängert werden" kann. Wenn sie bei der EU-Kommission angemeldet und von dort genehmigt wurden.
Nach drei Jahren immerhin begann die EU zunehmend dringlich ein Ende der Kontrollen zu fordern. Auf dringende folgten dringendste Mahnungen der Kommission, "die vereinbarte Reisefreiheit ohne Kontrollen im Schengenraum wiederherzustellen". Ehe es dazu kommen konnte, kam die Pandemie. Ein neuer Grund, die Schengen-Regeln zu ignorieren. Auch die EU akzeptierte das. Zumindest bis zum Juni 2020. Dann hieß es zum ersten Mal, nun müsse alles wieder werden, wie es soll.
Verhallte Rufe, beendete Karrieren
Wurde es nicht. Nicht 2021, nicht 2022. Und auch nicht 2023. Aus dem möglichen einen Jahr vorübergehender Grenzkontrollen sind mittlerweile siebeneinhalb geworden. Beinahe sämtliche Politiker, die die "ersten innerstaatlichen Mobilitätsbeschränkungen" (Stiftung Wissenschaft und Politik) damals beschlossen hatten, sind verschwunden, abgetaucht, aus Talkshows und der Erinnerung gewichen. Nancy Faeser, im Moment noch nicht nur SPD-Spitzenkandidatin zur Landtagswahl in Hassen, sondern im Nebenberuf auch Innenministerin, hat die Grenzkontrollen gerade noch einmal verlängert, zum 13. Mal, seit die EU-Kommission verkündete, sie würden bis Dezember 2016 beendet.
Regeln sind zum Brechen da und wer sie nur lange genug bricht, von dem wird gar nichts anderes mehr erwartet. Hatte der Grieche Dimitris Avramopoulos das leidige Thema der hartnäckigen Regelverstöße der meistens Mitgliedsstaaten wenigstens immer mal genutzt, um der europäischen Öffentlichkeit in Erinnerung zu rufen, dass die EU natürlich auch über einen Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft verfügt, ist seit dessen Abschied nicht nur jede Spur seiner segensreichen Tätigkeit aus den Annalen der EU getilgt worden, sondern auch das EU-Mahnwesen vollständig zum Erliegen gekommen.
Illegale Praktiken, allgemein akzeptiert
Seit sieben Jahren weigert sich eine Handvoll EU-Staaten, ihre "temporären Grenzkontrollen" aufzuheben und das Schengenabkommen wieder in Kraft zu setzen. Das ist so lange, dass selbst der für eilige Entscheidungen wirklich nicht bekannte Europäische Gerichtshof es nicht mehr vermeiden konnte, zu entscheiden, das das illegal ist. Doch Deutschland ignoriert das Urteil einfach.Und im Unterschied zu ihrem Vorgänger Thomas de Maiziere, der noch als Totengräber der Reisefreiheit für Flüchtende angegriffen wurde, muss Nancy Faeser nicht einmal mehr eine laue Ermahnung aus Brüssel, Hannover, Hamburg oder München fürchten.
Die Parteipresse kennt es nicht anders, die kritischen Wochenschriften sehen "irreguläre Migration" (Stern) nun kritisch. Irgendeinen EU-Kommissar, der auf die Einhaltung der Regeln dringt, die sich die Schengen-Staaten einst gemeinsam gegeben hatten, gibt es nicht mehr. Acht Jahre nach de Maiziere Versicherung, es gebe keinerlei Pläne, Schengen auszuhöhlen und "systematische Grenzkontrollen wieder einführen" zu wollen, gibt es nicht einmal einen Anlass für Faeser, sich gegen Kritik von der EU wehren zu müssen, denn es gibt keine Kritik der EU an den rechtswidrigen Handlungen der Bundesregierung.
Keine SPD fordert die Bundesregierung mehr "zum Handeln" auf, keine liberale Partei sieht "raschen und detaillierten Aufklärungsbedarf", kein Christsozialist will das "sehr eng begrenzen". Die Medien haben sich dem stillen Chor wie stets getreulich angeschlossen. Wie es ist, mag es auch den Regeln widersprechen, die permanente Grenzkontrollen untersagen, ist es gut. Ein Satz wie der des früheren SPD-Innenexperten Sebastian Edathy jedenfalls, seinerzeit noch eine hochgeachtete Führungsfigur der deutschen Arbeiterbewegung, wird nie mehr fallen: "Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie unseren Nachbarn deutlich macht, dass das Wiedereinführen von Schlagbäumen auf Dauer nicht akzeptabel ist".
OT
AntwortenLöschenJenseits der Grenze üben sie schon mal für vier Panzersoldaten und ein Hund, ganz ohne Volltreffer, einfach so.
https://twitter.com/Aforgomor/status/1648048089339445249
https://pbs.twimg.com/media/Ft8FP7rWcBUr0aT?format=jpg
https://pbs.twimg.com/media/Ft8FQH4WcAASyvf?format=jpg
Sebastian Edathy -
AntwortenLöschenWie hieß der nochmal vollständig - Edathyparaphil?
Edathy will keine Grenzkontrollen. Die sind für Kinderficker auf der Flucht auch hinderlich.
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