Wie jedes traditionelles Maxe-Baumann-Fernsehspiel kommt der "Schwarm" mit einer Handvoll Darsteller aus. |
"The Swarm"
Und so landete die weltumspannende Vorlage als eine Art Kleines Fernsehspiel in acht Folgen im ZDF. Finanziert nicht von den großen Anlegerfonds, sondern zumindest zum Teil mit deutschen Steuergeldern, fiel die Ausstattung dann nicht ganz so üppig aus wie in der Vorlage. "Der Schwarm", des globalen Anspruchs auch deutscher Ökofilmemacher wegen "The Swarm" genannt, erinnert vom Personalaufgebot an die berühmten DDR-Schwänke mit Maxe Baumann: Die immer gleiche Handvoll Gestalten taucht auf und geht ab, wie der Provinzbühnenbuffo sagt, sie schauen nachdenklich, besorgt oder sehr betrübt in Zimmer und Labors, durch die immer gerade kurz zuvor eine beeindruckend gründlich arbeitender Reinigungskolonne gezogen sein muss. Alles glänzt, alle immer frisch gewienert und auf Hochglanz poliert.
Selbstverständlich haben sich die drei Regisseure Barbara Eder, Philipp Stölzl und Luke Watson für einen zeitgemäßen Blaufilter entschieden, der eine Art Widerschein des Meeres auf alle Oberflächen des Films legt. Die Wände sind sanft blau, die Pullover, die Himmel, die Jacken, die Tische. An denen sitzen die Darsteller als buntes und diverses Wissenschaftler*innenkollektiv und über ihre immer tadellose Internetverbindungen halten sie Kontakt mit anderen diversen Bedenkenträgern. Zwischendrin führen Fahrten im fossil betriebenen SUV durch spektakulär saubere Landschaften, über denen ebenfalls ein lichter Blaufilter liegt. Normale Menschen, Bevölkerung, Passanten, Nicht-Wissenschaftler gibt es weder drinnen noch draußen, mag sein, der Etat hat nicht gereicht, mag sein, es ging darum, die Botschaft auszusenden, dass es letztlich nicht darauf ankommt, wer hier gerettet werden soll, sondern nur darauf, wer rettet.
Sie sind nicht das Volk
So wenig gewöhnliches Volk, ganz normale überforderte Politiker oder gewöhnliche Klimakämpfer mit ihren Klebstofftuben und Plakaten im "Schwarm" auftaucht, so wenig verraten die Wissenschaftlerdialoge in den Schöner-Wohnen-Kulissen über die Inhalte von Schätzing vielverkauften Werk. Selbstverständlich täuscht der Blick über die unberührt anmutenden Weidelandschaften, die Sehnsuchtsstrände und kleinen Höfen. Irgendwo tief im Meer wartet das Böse, das schon die Bibel vorhergesagt hat, wie ein betonter Vortrag aus dem Buch Exodus erinnert.
Aber ob die Drehbuchautoren die Vorlage gelesen oder nur bei Wikipedia nachgeschlagen haben, lässt sich schwer entscheiden. Auf jeden Fall aber haben sie verstanden, wie ein solcher Film heutzutage zu drehen ist, wenn er im Gemeinsinnfunk laufen soll: Die Mehrheit ist aus lauter Minderheiten zusammengesetzt, die sich an ihren Rändern leicht überschneiden, so dass alles zuverlässig abgedeckt ist, was anderenfalls Beschwerde führen würde. Zugleich aber kommen alle, die auftreten, aus demselben Milieu: Hochintelligent, aus bionadebürgerlichem Haus, auf fünf Kontinenten studiert, aber jeder Handarbeit abholt. Der von Oliver Masucci gespielte Kapitän Alban, immerhin wohl Absolvent einer nautischen Fachhochschule mit dem Abschluss "Nautischer Wachoffizier", gilt hier schon als einfacher Seemann, eine Art Kuli mit beschränktem Horizont, der in kurzen Sätzen zuweilen zum Besten geben darf, was ein Sachse sagen würde, wäre er an Bord.
Lieber zeitig als rechtzeitig
Die action ist überwiegend verbal, die Tischrunden, gebeugt über Bildschirmbatterien, die selbst nach den Stromsparbeschlüssen der Bundesregierung niemals ausgeschaltet werden, beschwören das Unheil umweltverzehrender Menschenaktivität mit Begriffen wie "Biolumineszenz" und exponentiellem Zellwachstum. Ehe sie in den Heli steigen, mit dem Jeep ausfahren oder auf einer Reise nach Stockholm schnell noch Station in Mailand machen, um Probleme zu wälzen, die noch gar nicht absehbar sind. Aber gelöst werden müssen, ehe man sie zu fassen bekommt.
Wer erinnert sich da nicht gern an die Klimakirche, an den Ablasshandel und die religiöse Überzeugung, die Rettung der Welt sei zwar keine Privatsache, weil der Einzelne nur so wenig tun könne. Aber andererseits sei sie eine durch und durch deutsche Angelegenheit, weil man sich hierzulande am Ende, wenn alles in die Binsen gegangen ist, zumindest diesmal nicht nachsagen lassen will, dass man am Untergang schon wieder eine gewisse Aktie habe.
Momente der Entspannung
Es gibt auch Momente der Entspannung im Meeresmarathon über sechs Stunden, der insgesamt ein dem überwiegend alten und noch älteren ZDF-Publikum angemessenes sehr ruhiges Erzähltempo anschlägt. Problemlos darf das Heimkino für ein paar Minuten oder auch eine Viertelstunde verlassen werden, anschließend ist alles immer noch wie zuvor. Mal waren die Weltenretter auf einen Kaffee im Strandcafe, der Wind wehte der Wissenschaftlerin ins Gesicht, aber die Frisur saß. Mal hat man skeptisch über die weitere Rettungsstrategie beraten, die gesellschaftliche Mehrheit im Zustand fortgesetzter Dringlichkeit, eine kleine, aber mächtige Gruppe jedoch augenscheinlich noch immer nich ganz überzeugt, ob diese ganze Aufregung nicht absolut unbegründet ist.
Es gelingt erst mit der normativen Kraft des Faktischen, diese Leugner und Zweifler eines Besseren zu belehren. Tatsächlich dräut aus den Tiefen, an den Stränden, aus dem Wasser dunkel herauf, wovor der wache Geist der Wissenschaft, der nicht nur an Wissenschaft glaubt, alle schon lange gewarnt hat. Wie groß der gesellschaftliche Wandel ist, der Deutschland seit der Veröffentlichung von Schätzings Buch und selbst noch seit dem Abschluss der Dreharbeiten überrollt hat, wird zum Finale hin deutlich: Die Entdecker der YRR, besser bekannt als "Schwarm", verwandeln sich umgehend in SPD-Kader, die mit dem Bösen Dialoge führen und um jeden Preis um einen Frieden verhandeln wollen. Die Leugner aber, die Zweifler, Hetzer gegen die Wissenschaft und Skeptiker angesichts von Ereignissen, die kein Naturgesetz erklären kann, wollen schießen, kämpfen, biologische und chemische Waffen einsetzen.
Eine ewiggestrige Botschaft
Im "Schwarm", einem vor allem dank der aus dem "Tatort" bekannten Blaufiltertechnik optisch zeitgemäß wirkenden Film, gilt diese Vorgehensweise noch als martialisch, toxisch männlich und viel zu rabiat. Gerade hier aber zeigt sich, wie alt die eben erste erschienene Serie jetzt schon ist: Im richtigen Leben käme heute niemand mehr auf die Idee oder würde sich gar wagen, einem Feind, der ohne Kriegserklärung angreift, die Hand entgegenzustrecken und ihn einzuladen, statt gegenseitige Vernichtung zu riskieren, einen Kompromiss zu finden.
Sagen wir mal, wenn von Profis und ohne Knallchargen wie Klaus Umlauf aufgezogene Serien scheiße sind (ich rechne Hits wie Walking Dead und Game of Thrones ab Staffel eins dazu), dann sind die mit Der Schwarm durchaus auf Industrielevel.
AntwortenLöschenIch werde mir das auch nicht kostenlos ansehen, nicht mal zum Ablachen.
Ebent erst bei Klonovsky betr. "Im Westen nichts Neues" gelesen - auch nicht unübel.
AntwortenLöschenMit Arno Schmidt: "Oh diese Schweine alle miteinander!" (Aus dem Leben eines Fauns)
Am besten fand ich ja die junge großäugige Wissenschaftlerin die ihre gefühlten Erkenntnisse in so bedeutungsschweren Worten vorträgt. Daran erkennt der Normalbürger, grüne Wissenschaft wird gefühlt und ist damit der auf Fakten beruhenden Wissenschaft der alten weißen Männern moralisch haushoch überlegen.
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