Dienstag, 24. Januar 2023

Korruptes EU-Parlament: Ein Prosit auf die Transparenz

Kein Foto vom grusinischen Wein: Als das Geschenk dokumentiert werden sollte, war das halbe Dutzend Flaschen einer Billigsorte bereits ausgetrunken.

Es kommt jeden Tag etwas rein, nicht immer die ganz großen Sachen, aber doch Sammlerstücke und Seltenes, das bei "Bares für Rares" noch eine lange Karriere haben kann. Roberta Metsola, die Präsidentin des Europäischen Parlaments, die nicht ganz so viel Erfolg in den Medien hat wie ihr Vorgänger Martin Schulz, die in Brüssel aber dennoch als mächtige Frau gilt, hat zuletzt glatt ein wenig den Überblick verloren. 128 oder 142 Staatsgeschenke, die die Chefparlamentarierin aus Malta im Amt annehmen musste, wurden bei der Meldepflicht, die sich das EU-Parlament auferlegt hat, um wenigstens den Anschein von Korrumpierbarkeit  zu vermeiden, übersehen.  

Übersehene Präsente

So peinlich: All die Goldmedaillen, Blusen und Sportdresse, Kunstwerke, Bücher und natürlich der Wein, sie fielen der obersten Hüterin der Integrität des größten teildemokratisch gewählten Parlaments der Welt erst wieder ein, als der Versuch der griechischen EU-Vizepräsidentin Eva Kailis aufflog, das EU-Parlament im Auftrag der Blutprinzen von Katar dazu zu bewegen, Visafreiheit für die Katarer einzuführen. Das Unterwandermanöver flog auf, Kailis verlor auf geheimnisvolle Weise ihren Posten und wanderte ins Gefängnis. Denkbar knapp vor dem Zielstrich gelang es der EU, die Öffnung der Grenzen für die reichen Scheichs zu stoppen, die bis dahin im Konsens von EU-Kommissionspräsidentin, Parlament und Mitgliedsstaaten beschlossen worden war.

McAllisters Galaxy Tablet kostet weniger als 150 Euro.
Obwohl das einzig Eva Kailis zu verdanken ist, gilt der Rufschaden als beträchtlich. Roberta Metsola machte sich umgehend für schärfere Regeln für die um die 700 oder 800 Parlamentarier in Straßburg und Brüssel stark: Die bisher schon scharfen Meldefristen müssten verschärft, die Transparenz des Parlaments erhöht werden. Bisher galt, das Mitglieder des EU-Parlament ein sogenannter "Verhaltenskodex", der nach Angaben aus Brüssel "einen starken Schutz gegen unethisches Verhalten" bot. Seitdem müssen alle Geschenke oder Vergünstigungen im Wert von über 150 Euro, die Abgeordnete während der Ausübung ihrer Pflichten erhalten, abgelehnt werden. Der Gedanke dahinter ist natürlich nachvollziehbar: Mit etwa 39.000 Euro an Gehalt, Kostenvergütung und Personalbudget sollen sich die Parlamentarier ausreichend von den europäischen Wählern ausgehalten fühlen.

Regeln werden in der Regel beachtet

Die Regeln werden in der Regel streng beachtet, doch wer wie Roberta Metsola an der Spitze von quasi 440 Millionen Bürgerinnen und Bürgern steht, der kann leicht auch mal etwas vergessen. Wie eben die Meldung der "125" (Spiegel) Geschenke, die auch 128 oder "rund 140" (SZ) gewesen sein können, was aber, wie eine aktuelle Liste des EU-Parlaments zeigt, kaum mehr nachvollziehbar ist. Die sechs Flaschen Wein etwa, die Metsola im Mai 2022 vom georgischen Promierminister Irakli Garibashvili geschenkt bekam, waren schon  ausgetrunken, ehe sie Metsolas Betreuer dazu kamen, sie wie vorgeschrieben zu fotografieren. 

Bei allen anderen Geschenken aber herrscht Ordnung. Egal was EU-Abgeordnete von wem auch immer geschenkt bekommen, es hat niemals einen wert über 150 Euro. Auch Metsolas signiertes Trikot der spanischen Fußballnationalmannschaft ist weniger wert, auch das Samsung Galaxy-Tablet, das der deutsche CDU-Abgeordnete David McAllister aus Bahrein geschenkt bekam und das Parfüm, das die grüne Abgeordnete Hannah Neumann im Zuge einer wahren Geschenkeflut aus den Öl-Emiraten verehrt bekam und nun nachmeldete. 

Der heilige Kodex

Alles muss raus, auch im laufenden Verfahren.
Sanktionen drohen keinem der vergesslichen Volksvertreter. Der heilige Verhaltenskodex sieht nur vor, dass Regelverstöße bestraft werden können, nicht aber dass sie betraft werden müssen. Roberta Metsola aber, der im Zuge der Transparenzbemühungen des Parlaments gleich auch noch eine Reihe von fremdfinanzierten Reisen eingefallen waren, die sie wegen der hohen Arbeitsbelastung zu melden vergessen hatte, will nun Konsequenzen ziehen: Strengere Regeln für Abgeordnete, die wie sie auf Einladung einer Weingesellschaft kostenlosen Urlaub in einem Fünfsternehotel machen, noch mehr Transparenz für gute Gaben, die der gute Volksvertreter annehmen und auf einen Wert von unter 150 Euro schätzen muss.  

Um das verlorene Vertrauen wiederherzustellen, will die Präsidentin des EU-Parlaments nicht nur einen Kulturwandel anstoßen, sondern auch eine schärfere Aufsicht durchsetzen: Das Hohe Haus, das in diesen Tagen von der belgischen Staatsanwaltschaft öffentlich vorgeführt wird, indem ganze Ermittlungsakten aus dem laufenden Kailis-Verfahren illegal, aber sehr gezielt an große Medienhäuser weitergegeben werden, wird nicht davon abrücken, dass etwa die Erstattung direkter Ausgaben durch Dritte kein Geschenk sind, wenn der eingeladene Abgeordnete behauptet, die jeweilige Reise oder Veranstaltung in seiner dienstlichen Funktion als gewählter Volksvertreter besucht zu haben. 

Hilfe von "Bares für Rares"

Doch der Wert von feinen grusinischen Weinen, goldenen Medaillen vom Persischen Golf, High-Tech-Powerbanks, koreanischen Tablets, edlen Blusen mit Spitzenkragen und aufwendig gestalteten Kunstwerke könnten künftig von einer Parlamentswertschätzkommission festgelegt werden, die von der Redaktion von "Bares für Rares" fachliche Unterstützung erhält. Metsola erste Vorschläge zur Reform der Lobbyregeln beinhalten ebenfalls, dass Abgeordnete ihre Ebay- und Ebay-Kleinanzeigenaktivitäten umfassend werden melden müssen. Verstöße gegen diese Pflicht, wie Metsolas 14-Punkte-Plan zur Transparenzerhöhung vorsieht, würden nicht zu Strafen führen, aber vorgesehen ist, dass bei Verstößen Sanktionen verhängt werden könnten.

Geplant ist derzeit eine feierliche Annahme der neuen, drastischen Regeln zu einem der anstehenden Jahrestage des Inkrafttretens des Lissabonner Vertrags.

3 Kommentare:

  1. Die sind ja voll transparent.

    Die Gabentische werden immer bunter
    Und am Mittwoch kommt die Müllabfuhr und holt den ganzen Plunder


    Geier Sturzflug, 1983

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  2. Wenn alle Geschenke transparent wären, hätte der Empfänger keine Freude der Überraschung beim Auspacken. Ein wenig Freude sollte den Abgeordneten gegönnt werden, sie haben ja sonst keine.

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  3. Da ist es doch einfacher, ein wenig Geld aufs Konto, und man kauft sich was man wirklich braucht.

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