Der junge Künstler Kümram zeichnete Christine Lambrecht in ihrer Zeit als Ministerin mit Fehlfarben auf Parkett bei einem verwegenen Panzerritt. |
Deutschlands Größe, seine geografische Lage, seine Wirtschaftskraft, kurz: sein Gewicht, machte sie zu einer Führungskraft, auch im Militärischen, das hatte Christine Lambrecht ein Jahr nach ihrem ersten Arbeitstag im Verteidigungsminsiterium ganz grundsätzlich verstanden. Die erste Frau, die in Stöckelschuhen zum Frontbesuch erschien, ihren Sohn als Handtäschchen auf Inspektionsreisen mitführte und die Geschichte der Tiernamen-Tradition der deutschen Panzerwaffe mit "der Gepard ist kein Panzer, der Gepard ist ja dafür da, Infrastruktur zu schützen dadurch, dass er dann mit diesem Rohr in die Luft schießt" um eines der bemerkenswertesten Kapitel bereichterte, war endlich angekommen in einem Amt, in das sie unglücklich hineingescheitert war wie in alle zuvor auch.
Kungelrunden, Hinterzimmer, Raucherpausen
Die Älteren erinnern sich an Namen und Kungelrunden, Hinterzimmer, Raucherpausen. Andrea Nahles, damals noch eine große Hoffnung der europäischen Arbeiterklasse, wollte Katarina Barley gern aus dem Weg haben, um eine mögliche Konkurrentin im Kampf um das Kanzleramt rechtzeitig auszuschalten. Nahles lobte Barley also nach Brüssel weg. Die entsetzte Justizministerin musste folgen, Parteiräson.
Ersatz fand Nahles in der stillen, unbekannten und ungelenken Lambrecht, die stets geknechtet aussah. Eine Dienerfigur ohne Machtansprüche, traurig gekleidet, charismatisch wie ein Schulpausenbrot. Aber treu und beflissen: Lambrecht fiel als Justizministerin nicht auf, also auch nicht negativ. Sie verschärfte einmal mehr die Meinungsfreiheitsaufsicht und das Waffenrecht, verabschiedete ein "Paketbotenschutzgesetz", sprach auch von den häufig beschworenen Sonderrechten für Kinder im Grundgesetz und der Senkung der Strafmündigkeitsgrenze.
Loyale graue Maus
Gut genug, dass nach dem überraschenden Sieg bei der Bundestagswahl kein Weg um die loyale graue Maus herumführen durfte. Das Justizministerium war zwar weg, das ertrotzten sich die Liberalen. Aber mit dem Verteidigungsressort fand sich eine Anschlussverwendung für Christine Lambrecht, in der sie ähnlich engagiert und weitgehend folgenlos hätte agieren sollen. Verteidigung am Hindukusch war zwar nicht mehr. Mit einer neuen Front an der Memel aber rechnete auch niemand.
Als der Krieg ausbrach, erwischte er die Friedensministerin auf dem falschen Stöckelschuh. Wo ihre Amtsvorgängerinnen Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer noch erfolgreich hatten abtarnen können, dass Deutschland im Grunde genommen schon lange nicht mehr über eine Armee verfügt, fiel ihr die "bedingte Verteidigungsbereitschaft" der Truppe krachend auf die Füße.
Der Kanzler rief die Zeitenwende aus, 100 Milliarden mindestens schwer. Das Geld auszugeben aber traute er der fachfremden Fachministerin nicht zu - das Rüstungsprogramm wurde Chefsache, der ungediente Mann übernahm selbst die Oberaufsicht über den geplanten Großeinkauf von Jägern, Gewehren, Luftabwehrraketenstellungen und Munition. Die Panzerbärin auf der früheren Hardthöhe wurde Frühstücksdirektorin über Pleiten, Pech und Panzer.
Von Fettnapf zu Fettnapf
Und nicht einmal eine gute. Selbst in der zweiten Reihe stolperte Christine Lambrecht von Fettnapf zu Fettnapf. Wäre nicht der Krieg allmählich zur einer reinen Wirtschaftsangelegenheit geworden, das Jahr, das ihr noch blieb, hätte sie selbst mit der ihr stets gewogen bleibenden unabhängigen Parteipresse nicht überstanden. So lief die Zeit gegen sie, tickticktick, jeder konnte es hören, nur die numerisch immer noch als Ministerin angestellte Christine Lambrecht nicht. was alles fehlte, was nicht lief oder kaputtging, obwohl es brandneu war, es hatte nie mit ihr zu tun.
Die legendären 5.000 Helme, mit denen Deutschland zu Kriegsbeginn ein unübersehbares Zeichen Richtung Russland gesetzt hatte, sie wurden ergänzt durch Geparden, weil die keine Panzer sind. Und Marder, weil die als leichte gelten. Im Bombenhagel vor dem Brandenburger Tor zeigte sich die Sozialdemokratin kampflustig. Dank des Krieges haben sie immer viele interessante Leute kennengelernt.
Der Rücktritt der 57-Jährigen folgt dem Drehbuch ihrer Amtszeit. Freitag, kurz vor Nachrichtenschluss, sickerte im politischen Berlin durch, dass es dazu kommen könnte, womöglich, wenn sich nichts anderes ergibt. Lambrecht trat nicht wie frühere Minister mannhaft vor die Presse, um angesichts einer Welle von fake news, die ein ehemaliges Nachrichtenmagazins verbreitet hatte, ihren Abgang zu verkünden. Nein, die Ampel prüfte zuvor die Wassertemperatur: Wie käme ein Rücktritt an? Hilft er wirtschaften? Lenkt er ab? wen? Und wovon?
Höchste Regierungskunst
Regierungskunst in höchster Vollendung. Ohne schon weg zu sein, ist Christine Lambrecht schon mehr da. Ein Wochenende lang hagelte es Nachfolgernamen, plötzlich hat es vielen schon viel zu lange gedauert. Olaf Scholz bekam Mitgefühl für das "Personalpuzzle" (SZ), dass er nun auch noch zusammensetzen müsse. Die Verteidigungsministern im Aufbruch, die Innenministerin demnächst auch abgängig. Und das Partitätsversprechen des Bundeskanzlers als zusätzliche Lösungskomplikation. Bislang hat sich Scholz nicht zur anstehenden Umbesetzungskaskade geäußert. Wenn US-Verteidigungsminister Lloyd Austin kommende Woche zu Besuch nach Berlin kommt, um seine "Amtskollegin" (RND) zu sprechen, wird er sie treffen. Oder eben jemand anderen von ähnlichem Format.
Erst wenn Eva Högl als Schweinchen Dick das Verteidigungsministerium übernimmt, wird die letzte Sau durch die Bundeswehr getrieben.
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