Die meisten Bundestagsabgeordneten schaffen es ins Hohe Haus, ohne jemals ein Direktmandat gewonnen zu haben. Sie wollen den Weg über die Parteiliste nun zum Königsweg in die Volksvertretung machen. |
Er wurde immer größer und größer, ein Bläh-Bundestag, dem selbst Wolfgang Schäuble nicht Einhalt zu gebieten vermochte, so engagiert er es auch immer wieder versuchte und versprach. Die Zusammenstellung der Abgeordneten sollte alles zugleich sein, gerecht und divers, aus vielen kleinen Wahlkreisen, damit die Leute in Cottbus nicht wie im EU-Parlament denselben Abgeordneten haben wie die in Wittenberg. Aber wer zu viel gewann, sollte auch nicht zu viel gewinnen, es wurde ausgeglichen und aufgestockt, was ging, auch wenn die Stühle beinahe nicht mehr in den neuen Reichstag passten, der ursprünglich einmal für 600 Volksvertreter ausgelegt gewesen war.
Aufgeräumter Bundestag
Die 138 Abgeordneten, die inzwischen mehr im Plenum, in den Ausschüssen und den Wandelgängen beschäftigt sind, sind meist nicht zu sehen, nicht jedenfalls, wenn Bundestagssitzungen stattfinden. Doch allein ihre Diäten schlagen Jahr für Jahr mit 18 Millionen Euro zu Buche, dazu kommen 38 Millionen für Mitarbeitergehälter, 7,5 Millionen Aufwandsentschädigung, 1,5 Millionen Kostenpauschale, die Übernahme von Reisespesen, Zuschüsse zu Versicherung und Altersversorgung und Übergangsgelder für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Hohen Haus.
Für eine Nation wie Deutschland, die im Geld schwimmt, sind das keine Summen. Dennoch hatte das Bundesverfassungsgericht mehrfach geurteilt, dass ein Wahlrechtsreform notwendig sei, weil die bisherigen wie die 2011 geänderten Regelungen verfassungswidrig gegen den Gleichheitsgrundsatz und die vom Grundgesetz garantierte Chancengleichheit der Parteien (Az.: 2 BvE 9/11) verstoßen. Große Proteste gab es nicht, nicht einmal kleine. Alle Parteien beteuerten ja, dass sich doch wirklich bemühen. es ließ sich da aber eben nichts übers Knie brechen, fast anderthalb Jahrzehnte lang.
Nur ein Reförmchen
Auch ein Wahlrechtsreförmchen, um den guten Willen zu zeigen, zeigte, dass die Parteien sich schwertaten, die Last leichter zu machen. Kein Abgeordneter will sich selbst abschaffen oder seine Aussichten auf Wiederwahl schmälern, nicht einmal Wolfgang Schäuble, der seine Karriere hinter sich hat, nun aber dabei ist, einen ewigen Rekord für die Länge seiner Parlamentszugehörigkeit aufzustellen. Jeder Reformversuch scheiterte, immer wieder wurde nach verfassungswidrigen Regeln gewählt. Und jedes Mal wurde das größte demokratische Parlament der Welt noch größer und größer.
Bis nun der Stein der Weisen gefunden wurde. 598 Sitze und nicht mehr, weg mit all den Überhang- und Ausgleichsmandaten, mit dem Austarieren zwischen Parteistimmen, die bisher Zweitstimme hießen, und den Voten für die Direktkandidaten in den Wahlkreisen, die die Väter und Mütter des Grundgesetzes "Erststimme" genannt hatten. Die Ampel-Parteien einigten sich auf einen neuen Namen: Aus der Zweitstimme wird künftig die "Hauptstimme", denn längst sind Parteien hierzulande nicht nur Vereinigungen, die an der politischen Willensbildung mitwirken, sondern selbst der in Vereinsform gegossene politische Wille ihrer Vorstände. Die bisherige Erststimme schrumpft dafür zu "Wahlkreisstimme", eine Art Vielleicht-Votum, das nur noch dann zählen soll, wenn der Kandidat einer Partei einen Wahlkreis direkt gewinnt, seine Partei nicht zu viele Hauptstimmen abbekommen hat.
Hundert Prozent können nicht reichen
Ein Konzept, das die Verhältnisse umkehrt. Maßgeblich für den Einzug ins Parlament wäre nicht mehr das Ergebnis eines Kandidaten in seinem Wahlkreis, selbst wenn er dort 100 Prozent aller abgegebenen Stimmen holen würde. Entscheidend ist die Zahl der Sitze, die die Liste seiner Partei erobert hat: Die Zweitstimme wird zur neuen Erststimme, die Erststimme dagegen verfällt, wenn der Kandidat bei seinen Wählerinnen und Wählern zu gut ankam, seine Partei aber zu schlecht.
Für Parteien wie die FDP und die Grünen klingt die Idee fabelhaft, die sie gewinnen keine oder kaum Wahlkreise direkt. Die CSU dagegen hat derzeit genau so viele Abgeordnete im Bundestag wie sie Direktmandate holte. Und die langsam wegdämmernde Linke sitzt überhaupt nur noch im Hohen Haus, weil sie drei Wahlkreise erobern konnte. Für AfD und SPD ist es ziemlich egal, ob das Wahlrecht gerecht bleibt oder so neu zugeschnitten wird, dass der Königsweg ins Parlament künftig über die Listenaufstellung der einzelnen Parteien führt und nicht mehr über einen Wahlkampf, der im Wahlkreis stattfindet.
Die heilige Parteiräson
Wie die Sache ausgeht, ist deshalb klar. Nur 299 der derzeitigen Bundestagsabgeordneten sind als Direktkandidaten gewählt, 437 dagegen rutschten über einen Listenplatz ins gut bezahlte Ehrenamt, den ihnen die Aufstellungsregelungen ihrer Partei einbrachten: Regionaler Proporz, Geschlechtergerechtigkeit, jung oder alt, linker Flügel, rechter Flügel. In Zeiten, in denen bei Kommunalwahlen immer öfter unabhängige Kandidaten die Vertreter des Parteienstaates schlagen, halten es die Vorstände der Parteien natürlich für wichtig, wenigstens den Bundestag so abzusichern, dass dort nicht auch irgendwann Leute reinrutschen, die sich den Menschen in ihrem Wahlkreis mehr verpflichte fühlen als der heiligen Parteiräson.
Auch wenn absehbar ist, dass das Bundesverfassungsgericht den Versuch, die demokratischen Regeln auszuhebeln, selbst in seiner von den Großparteien gemeinsam so sorgfältig designten derzeitigen Zusammensetzung abweisen wird, ist damit viel gewonnen: Die Bläh-Bundestagsdiskussion wird beendet, man zeigt Tatkraft, Reformeifer und "Deutschland-Geschwindigkeit" (Scholz). Und eine oder sogar zwei Bundestagswahlen wird man nach den neuen Richtlinien auch abhalten können, ehe es dann notwendig sein wird, erneut am Wahlrecht zu schrauben.
OT
AntwortenLöschenEin paar Sekunden haben genügt, einem den Tag zu versauen. Die Glotze an - auf Platz eins ist der Sender Allah Ruft Dich* - "Die Pfefferkörner" - Merke: Klimaleugner tun gewohnheitsmäßig Bienenstöcke mit Benzin abfackeln. Würgpfuibrech.
*Wofür "ZDF" steht, brachte ich ja schon ...
ich errechne 88Mio EUR bei 10000 EUR Monatsdiät. Anyway. ggü. 1Mrd, die der ganze Parlamentsbetrieb jährlich mittlerweile kostet, immer noch Peanuts. Da frag ich mich wo die restlichen 90% dieser Milliarde verpulvert werden.
AntwortenLöschenWer hätte gedacht, dass die Reform die Diktatur der Proleten noch befestigen wird. Jeder.
AntwortenLöschenOT noch einmal
AntwortenLöschenIn Ralph Ruthes jüngstem Video: "Politiker, die die Klimakrise ernst nehmen ..." - das Grauen! Das Grauen!
der rest ist eoine dunkelziffer. all die saaldiener, kantinenhelfen, sterneköche, itler
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