Samstag, 3. Dezember 2022

Weltmeister der Schmerzen: Der Abschied der Deutschen von der Zukunft

Sorgfältig wasserdicht verpackt, schwimmen Deutschland überall die Felle weg.

Wie das damals war. Deutschland baute die besten Autos der Welt, es grub die meiste Kohle aus für die größte Chemieindustrie, aus der die magischsten Stoffe kamen. Deutsche errichteten Kernkraftwerke, sie erfanden und produzierten Arzneien mit  unglaublicher Heilkraft. Die Straßen waren glatt, die Städte groß oder hübsch und aller paar Jahre wurde eine deutsche Mannschaft Fußballwelt- oder Europameister.

Weltmeister der Schmerzen

Als die Ostdeutschen im Jahr 1990 zu ihren Brüdern und Schwestern im Westen stießen, staunten sie baß über das, was sie empfing. Eine Bürokratie mit Eigenheiten, die langsam arbeitet, aber ohne die "Beziehungen" der ganz speziellen DDR-Korruption, die nie so genannt wurde. Ein modernes Land, das Geld hatte und es für sehr Vernünftige Dinge ausgab. Kaum war der Osten Westen geworden, begann ein Bauboom. Häuser, die kurz vor dem Zusammenbruch standen, verwandelten sich in kurzer Zeit zurück in prächtige Bürgervillen. Städte, die Ruinenlandschaften geglichen hatten, bekamen neues Pflaster, neue Lampen und rundherum neue Fassaden.  

Nichts ging wirklich schnell, aber es ging voran. Die Neubürger stellen fest, dass es nun alles gab und in unbegrenzter Anzahl. Wie Menschen, die dank einer Zeitmaschine aus dem Mittelalter in die Moderne stolpern, stand ihnen der Mund offen. Elektrische Fensterheber! Schallplattenläden mit Regalen bis zum Horizont. Bücher, Zeitungen und von allem mehr, als ein Mensch im Leben lesen kann. Kinos, groß wie Stadien. Stadien, schick wie Paläste. Und schließlich auch wieder Europa- und Weltmeister! 

Der Starttag liegt im Nebel der Geschichte

Wann der Abschied der Deutschen von der eigenen Zukunft begann, ist nicht genau bekannt. Es muss um die Tage herum gewesen sein, als Gerhard Schröder mit dem Versuch scheiterte, seinen sogenannten Reformkurs weiterzutreiben und statt seiner Angela Merkel das Ruder übernahm. Die neue im Kanzleram sah umgehend ein, dass die anfangs durchaus auch von ihr geplanten Umbauten am zusehends schwerfällig und manövrierunfähig gewordenen deutschen Staatsschiff nur Unruhe unter Passagieren und Besatzung auslösen, ihre gerade erst eroberte Machtposition aber kaum stärken würden.

Merkel ließ es laufen, die Medien standen kollektiv Spalier und klatschten. Wie war sie doch weise. Wie war sie klug. Wie grandios ging ihr Plan auf, nichts zu tun, sondern einfach abzuwarten. Als habe die sich stets als Ostdeutsche ausgebende Hamburgerin einen Bann über das ganze Land gelegt, der alle Insassen hinderte, auszusprechen, was wirklich war, kuschelten sich 80 Millionen gern und immer lieber in das wohlige Gefühl, dass die Frau im Pokemon-Jäckchen, die Hände zur Raute geformt, für sie sorge und immer bereit stehe, sie alle zu retten, wenn etwas Ungeplantes, Böses, Dunkles dazwischenkam.

Der Zauber gegen das Böse

Es war wie eine Versteinerung, anzuschauen wie im Zeitraffer. Arbeit kam aus der Mode, je schneller, je mehr sie Dinge, Waren und Güter produzierte. Eigenverantwortung schien zunehmend unnötig, denn Mutter Staat, das Merkel-Matriarchat, stand, das legendäre Friedensgewehr bei Fuß, parat, jede Blessur wegzupusten, jedes Wehwehchen mit Hilfs- und Rettungspaketen zu heilen und für die gute Laune allüberall gab es dann und wann noch ein Schnäpschen obendrauf. 

Merkel hatte die Dinge im Blick, sie hatte das Land im Griff, denn sie dachte jede Krise keineswegs vom Ende her, sondern von dort, wo sie für Wahlbürgerinnen und Wahlbürger ihren Anfang nimmt: Medien, Fernsehen, Zeitungen, Magazine. Testhalber hatte die frischgebackene Kanzlerin vor der Sommermärchen-WM 2006 alle Besitzer, Verleger und sonstige Verantwortlichen einbestellt und sie auf einen gemeinsamen Kurs eingeschworen. Und siehe: Was nicht berichtet wurde, das ist auch nie geschehen. Gewalt wurde zu einem friedlichen Fußballfest. Und wenn das geht, geht alles.

Gleise in die Zukunft

Die Gleise waren gelegt, auf denen Deutschland seiner Zukunft nun davonfuhr. Die Infrastruktur aus Brücken, Straßen, Sporthallen, sie bröckelte, die Fanfaren bliesen Triumphmärsche. Der Aufschwung war unendlich, aber den zehn, 15 Millionen, die ihn mit ihrer Hände Arbeit und vielen, vielen Schuldenmilliarden schufen, blieb nur wenig vom neuen Reichtum. Der Staat wurde immer größer, immer mehr Menschen beschlossen, gleich dort zu arbeiten, wo immer die Sonne scheint. Die Parteien teilten sich das Fell des Bären, klug genug, ihn zuvor nicht zu erlegen.

Gab es Probleme, große Krisen gar, wurden Brosamen gestreut. Später entstand dann sogar die wegweisende Idee, sich Probleme selbst auszudenken, kleine, nebensächliche Schwachheiten. Und sie dann großem Pomp und Geschrei zu bekämpfen, auf dass jeder Mann und jede Frau sehen könne, wie schwer der Staat mit all seinen dauernd neu gegründeten Behörden, Ämtern und staatseigenen Gesellschaften kämpft, um den gesellschaftlichen Frieden und den gemeinsamen Wohlstand zu bewahren. Und wie viel mächtiger und stärker er noch werden müsse, um all die Last zu schultern.

Menetekel Behördenansiedlungsinitiative

Auf Pump, es lief alles nur noch auf Pump. Je mehr die Behördenansiedlungsinitiative auf Touren kam,  eine wilde Idee, die sozialen Ausgleich für den Osten versprach, indem dort neue, große Verwaltungsriesen aufgebaut würden, desto weniger Erfindungen wurden gemacht. Je mehr Menschen Deutschland aus dem Ausland "geschenkt" (Katrin Göring-Eckhardt) bekam, desto größer wurde der Mangel an welchen, die Heizungen bauen, Dächer decken oder Kranke pflegen wollten. Je billiger das Geld, umso mehr davon fehlte, je mehr fehlte, desto einfacher ließ es sich in den beständig wachsenden Fakultäten der Geschwätzwissenschaften verdienen. Ein Bionade-Adel entstand, der gefühlt Lastenrad fuhr und das durch den Besitz eines Volvo-SUV auch zeigte. 

Erfunden wurde nur noch wenig. Produziert, was die Alten gelehrt hatten. Dank China war Deutschland mit dem Nötigsten versorgt, Medikamente, Mode, Hightechzeug. Die Amerikaner lieferten den Rest. Filme, Musik, das gute Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen. Einmal noch zeigte Deutschland der gesamten Welt, wie gut die Enkel von Ottmar und Fritz Walter, Toni Turek, Sepp Maier, Franz Beckenbauer und Rainer Bonhof, Lothar Matthäus, Jürgen Klinsmann und Rudi Völler mit dem Ball umgehen können. Der Fußballtitel 2014, errungen in Brasilien, war der Höhepunkt der Ära Merkel, als noch alles möglich schien, weil alle bereit waren, sich alles weißmachen zu lassen: Geld lässt sich drucken. Strom lässt sich herbeiglauben. Das Klima des Jahres 2050, es würde sich von Berlin aus retten lassen, wenn man nur genügend "ehrgeizige Ziele" formuliere.

Am schlimmsten betroffenes Gebiet

Deutschland war am schlimmsten betroffen, immer und von allem. Deutschland schaffte das oder sprach einfach nicht mehr darüber. Deutschland war Vorreiter, zumindest verbal. Deutschland war Beispiel, wusste aber eigentlich nicht, wofür. Von Pisa-Schock bis "Flüchtlingszustrom" (Angela Merkel), von der Verwandlung in eine Werkbank bis zur Verwandlung in die bad bank der EU, von  Überalterung und Fachkräftemangel bis zur sportlichen Dauerkrise der Nationalelf, die vom Schrecken der Gegner zu einem kreischbunten Marketingobjekt wurde - Deutschland litt, es litt unter sich selbst, aber es litt liebend gern. Besser würde es sowieso nie mehr werden, dachten die Alten, während sie traurig auf die Felle schauten, die überall wegschwammen. Die Jungen reklamierten neidisch, dass ihnen etwas übriggelassen werden müsse vom Weltuntergang.

In Katar dann stotterte die Zeichenfabrik der Welt hörbar, die Last der Symbole, des ewigen Vorbildseins mit Pflichtzerknirschung und des Selbsthasses, der allem Respekt bezeugt, nur sich selbst nicht (Geert Wilders), sie drückte zu sehr nieder. Eine Zeitenwende ist voraus, wie sie Olaf Scholz nicht gemeint hat. Die "Mannschaft" des DFB schreitet schon mal vorn. Der Rest wird folgen.

9 Kommentare:

  1. Hi, mein subjektiver Eindruck, ohne Stellen zu nennen. Viele Details wirken hingeschoben, sozusagen arrangiert so das es hübsch glatt wirkt. Die Wirklichkeit der letzten 32 Jahre erkenne ich nur punktuell. Ich weiß auch nicht… der Artikel greift mich weder emotional noch begeistern mich Fakten. Mach doch ein Gedicht draus 🥳

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  2. Gut auf den Punkt gebracht! 😀

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  3. Klaatu, natürlich habe ich das Album. Der wohl beste Titel daraus soll a fußballfreien Wochenende der Erbauung dienen.

    “Calling Occupants of Interplanetary Craft”

    https://vimeo.com/75885228

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  4. @anonym: alles ist immer subjektiver eindruck. es geht im grunde auch nicht um die realität der letzten 32 jahre, sondern um die der letzten 15.

    aber das mit dem gedicht ist eine idee, vielleicht wird es auch ein lied

    untergehende völker haben ja die schönsten melodien

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  5. Merkel ließ es laufen? Wohin? In die Binden, auf die die BRD-Kickenden und Knieenden so scharf sind? Ist es das Aroma der Binden, das gleich psychedelischen Drogen Euphorie und Trance auslöst und hilft, auch die deftigsten Niederlagen als Triumph zu erleben? Dann ist ja alles klar,

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  6. klar ist gar nichts. die nachlassende gesellschaftliche dynamik ist ein schleichender prozess. der eine beobachtet einen kipppunkt früher und hält ihn pars pro toto für wichtig, der andere sagt, so lange das dach mir nicht auf den kopf gefallen ist, steht das haus super da.

    da jagt jeder auf einem weiten feld der interpretationen

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  7. https://reitschuster.de/post/synchronschwimmen-ahoi-das-war-es-mit-der-diversschaft/

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  8. Ein Band von Trauer durchzieht diesen Artikel, man merkt, wie sehr der Autor unter dem Abrutschen dieses Landes leidet. Wehmütig wirft er einen Blick auf die Erfolge der Vergangenheit und kann es nicht fassen, daß sie vorüber sind und nicht wiederkommen werden. Warum, könnte man jetzt fragen, hat sich die Nachkriegsgeneration ins Zeug gelegt und aus den Trümmern ein Land des allgemeinen Wohlstands aufgebaut, wenn doch heute alle Errungenschaften delegitimiert (ein bescheuertes rotgrünes Wort) werden sollen. Wäre es nicht vernünftiger gewesen, die Trümmer zu belassen und sich in ihnen einzurichten? Aber aus Trotz wollte man nicht auf Morgenthau hören und hat die den Deutschen einzig bekömmliche Weise zu leben abgelehnt. Wieviel Schweiß, wie viele Qualen hätten gespart werden können, wenn man Morgenthau gefolgt wäre. Nun kehren wir auf den von Morgenthau vorgezeichneten Pfad zurück, mit einem Umweg von 75 Jahren. Und die Siedler auf dem einst Deutschland geheißenen Fleck jubeln!

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  9. Ein Band von Trauer durchzieht diesen Artikel, man merkt ...

    ... dass unser (((alter Stinker))) wieder da ist. Lebensmittelmotten und nunjanungottnunja sind hartnäckig.

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