Es war ein Beben zu spüren in der Macht in dieser Woche, als 3.000 Polizisten zur traditionellen Razzia-Zeit vor Morgengrauen losschlugen. Mit Erfolg. Wenige Stunden später war eine Putschistengruppe zerschlagen, ein Netzwerk ausgehoben, das vom Zentrum im gutbürgerlichen Westen über eine Zugangsberechtigung für den Bundestag bis ins rotregierte Thüringen reichte. 25 Mann auf der Umsturzkiste, alle älteren Datums, alle besseren Standes.
Der Tweed-Prinz und die Medien
Die Medienrepublik, noch unschlüssig, wie viel Raum man anderen aktuellen Ereignissen nun eigentlich hätte geben müssen, nahm die Enthüllung des deep state um den Tweed-Prinzen Heinrich XIII Reuß dankbar auf. Ein "Schattenkabinett" wurde enttarnt, ein "militärischer Arm", die Verquickung adliger Kreise mit höchsten Unteroffiziersrängen der Bundeswehr und Verbindungen zu einem im Ausland tätigen Spitzenkoch, mit dem abgemacht war, dass er später, nach der Ausrufung des Fürstentums Reuss und dem Abschluss eines Friedensvertrages mit den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges, die Kantinen im neuen Staat übernehmen würde.
Die Sicherheitsbehörden relativierten die Gefahr, die in Wirklichkeit nie bestanden habe. Die Innenministerin plädierte dafür, angesichts der Bedrohung durch Reichsbürger*innen, Querdenkende und alten Adel umgehend die öffentliche Sicherheit zu erhöhen. Bürgerinnen und Bürger, die für den Staat arbeiten, sollten künftig nicht mehr Job und Einkommen verlieren, wenn ihnen staatsfeindliche Bestrebungen oder Äußerungen nachgewiesen werden. Sondern schon, wenn sie ihnen nachgesagt werden und sie Vorwürfe nicht mit schlagenden Beweisen entkräften können.
Zweifel an der Angst
Dennoch schien es fast, als werde das alles nicht recht ernst genommen von der Öffentlichkeit. Bis in Sendezentralen der Medienrepublik mischten sich Zweifel in die Angst, der Heinrich und seine Prinzengarde seien gerade noch so gestoppt worden. Von "lächerlich" bis "Rentnergang", von "verlorenes Häufchen" bis "grottenschlechtes Drehbuch" reichten die Vorwürfe an die Verschwörer. Der erfolgreiche Anti-Terroreinsatz, der größte in der Geschichte der Bundesrepublik, geriet unter Rechtsfertigungsdruck, weil große Adressen mit Schlagzeilen wie "Die Putschfantasien der Reichsbürger-Truppe" relativierten, was ausweislich einer Feindesliste mit 18 Namen, die sonst im Ernstfall nach dem Putsch niemand mehr gewusst hätte, eine sehr große Bedrohung gewesen war.
Aber nicht überall wird so gezweifelt, werden die Putschpläne kleingeschrieben und Versuche unternommen, schiefe Vergleiche mit dem zivilgesellschaftlichen Widerstand durch die Letzte Generation anzustellen. In den unergründlichen Tiefen der Kommentarspalten der Wochenschrift "Die Zeit" etwa ist der Glaube fest, dass es diesmal wieder knapp war.
Zeit, dass was passiert
Es wird auch langsam Zeit, dass etwas passiert. Reichsbürger gibt es nicht erst seit gestern und dass sie den Staat bedrohen, ist ein offenes Geheimnis", heißt es da in einer Analyse der Vorfälle um die "meschuggen Kaiser-Wilhelm-Nostalgiker" (Die Welt). Es sei kein "Zufall, dass es einen Regierungswechsel in linker Richtung brauchte, damit der Rechtsstaat wehrhaft wird , endlich!". Die Union habe auf dem rechten Auge eine Sehschwäche, Seehofer mit freundlicher Unterstützung von Maaßen seinerzeit viel wertvolle Zeit verplempert. "Das ist eine Schande sondergleichen, gerade in Deutschland."
Thema ist auch die AfD, die aus Sicht der Kommentatoren hinter den Putschplänen steht. "Diese Partei ist teils ein trojanisches Pferd der gewaltbereiten Rechten und Neonazis, teils offen und aggressiv faschistisch, rassistisch, verfassungsfeindlich, putin-hörig", schreibt einer. "Eine üble Mischung, die ebenso wie die Untertanen des Reiches Weimarer Verhältnisse veranstalten will." Klar aber auch, dass "dies der AfD indessen nicht gelingen wird, denn sie haben es heute mit wehrhaften Demokraten zu tun." Das sei "bei den allermeisten Konsenz, von der Linken, über SPD und Grüne bis zur CDU."
Verankerter Rechtsterrorismus
Aber sind es nicht eher "post-weimarer Verhältnisse"? Schließlich sei heute "der Rechtsterrorismus tief in der Gesellschaft verankert (worden)" und "viele waren bereit, gegen die da oben, diese "links-grünen" etwas zu machen, was auch immer." Das zu wissen, braucht es keine Geheimdienste, es reicht ein "Zeit"-Abo: "Die rechtskonservativen Politiker und Medienvertreter hetzen seit Jahren und schwafelten vor den Kameras das herbei, was diese Terrorgruppe umsetzen wollte." Man kennt sie doch, seine Pappenheimer: "Das gemeine Volk will die Klima-Aktivisten eher tot fahren, als etwas gegen den Klimawandel zu tun, alles durch Hetze verstärkt." Der Schreiber kennt einen Grundschulrektor, der das vor einer Klasse geäußert habe. "Ist ja eh gängige Meinung." Die AfD diene im Bundestag im Grunde "als verlängerter Arm der Terrorgruppe, immer bereit für den Umsturz".
Die Hoffnung liegt nun darauf, dass die Auswertungen der beschlagnahmten Datenträger weitere Ermittlungsansätze bringen werden. Dass die Beweise hätten vernichtet werden könne, weil die Informationen über den bevorstehenden Einsatz schon Wochen vorher breit gestreut worden waren, gilt unter Zeit-Leser*innen als smarter Trick der Ermittler. "Man erhöht den Druck auf eventuell weitere Täter, damit diese dann eher bereit sind zu kooperieren, um sich günstigere Rahmenbedingungen für eine möglichst geringe Strafe zu verschaffen, man gibt ihnen ein paar Tage Zeit, im eigenen Saft zu schmoren, bevor man erneut aktiv wird."
Unzählige Sympathiekundgebungen
Die 54 Beschuldigten dieses Komplotts sind das eine, die "unzähligen Symapthie- oder Verharmlosungskundgebungen in den Kommentarspalten seriös-konservativer Medien das Andere". Der bürgerliche Konservative, erkennbar am Tweet-Jackett, "steckt unter eine Decke mit rechtsaußen Spinner, welch Überraschung" (Ironie). Ist eine Demokratie nicht verloren, in der es "mehr als genug Leute gibt, die die klebenden Klimaaktivisten auf eine Stufe setzten mit den Putsch Prinzen und seiner Terrortruppe?" Die verharmlosen und versuchen, Zweifel an der Terrorgefahr zu sähen! "So als ob die Wirkung einer Waffe vom Alter des Schützen abhängen würden." Dass die Reuss-Rebellen sich eher aus reiferen Altersgruppen rekrutieren, sei doch naheliegend. "Rechtsextreme und AFD ziehen eher Leute im oberen Alterspektrum an, das ist wohl kaum die Schuld der Sicherheitsbehörden."
Diese "Saht" geht auf. "Die jetzt veröffentlichten Zahlen zeigen die Gefährlichkeit dieser Bewegung", auch sieht man nun, "wie viele Radikale daran arbeiten, unsere Demokratie zu zerstören und den Rechtsstaat zu stürzen." 54. "Diese Entwicklung ist brandgefährlich." Dass es Vertreter dieser Umstürzler bis in den Bundestag geschafft haben, ist ganz besonders beunruhigend. "Tja demokratisch legitimiert ist log lange nicht demokratisch."
Ein Lob der Justiz
"Richtige und gute Arbeit der Justiz", aber reicht das? Einer der Demokraten meint, dass es Zeit wäre, "daß Personen in öffentlichen Ämtern viel mehr als bisher auf ihre Gesinnung überprüft werden sollten". "Dübel" wird da übel. "Gesinnungsprüfung vielleicht nach Art der iranischen Sittenpolizei?", schlägt er vor.
Mi Tu", "landvogel", "Harzzaach", "Veritas", "Parlez-Vous-Kung-Fu" und "rot und juckig" sind in den Avatarbildern getrennt, aber sonst weitgehend einig. "Die RAF war aufgrund ihrer
politischen Ziele längst nicht so gefährlich wie diese Reichsbürger,
denen es um Zerstörung des Staats und unserer Demokratie geht."
Danke an alle Behörden, die "auch noch so exzentrisch Anmutende ins Visier genommen" haben. Sieht blöd aus, aber "wieviele Personen hat es gebraucht den halben Bahnverkehr in Deutschland
lahmzulegen?
Wenn man weiß wo die Schnittstellen sind bedingt es nicht besonders viel
Leute um einen möglichst großen Schaden anzurichten".
Also warum sei ein AfD-Verbot immer noch kein Thema? Nur weil "ein haufen vollversager so derbe von ihrer eigenen hybris geblendet war,
dass sie ernsthaft für möglich hielten, was sie sich da im ergebnis
zusammenphantasiert hatten"?
Sowas nenne ich nachhaltig: den Reichstagsbrand ohne Reichstagsbrand zu inszenieren. Oder es fehlte bereits am notwendigen Kanister Benzin.
AntwortenLöschenHier ein kompetenter Kommentar, der mit kleinen Veränderungen auf das derzeitige Geschehen, der den vielen Kommentatoren aus der "ZEIT" und anderen "Demokraten" sicher das Herz erwärmen wird.
AntwortenLöschenwww.youtube.com/watch?v=GD-sMteDTLw
Welch ein Trost, daß die Kommentatorenklasse der BRD wie einst die Arbeiterklasse der DDR fest an der Seite der Regierung steht. Der Versuch, die sozialistische Obrigkeit durch eine faschistische Diktatur zu ersetzen, ist wie am 17.06.1953 an der Entschlossenheit der Menschen guter Gesinnung gescheitert. Die Regierung dankt der ZEIT und ihren aufmerksamen, hellwachen Lesern für die Courage sich ohne Schonung des eigenen Lebens diesen gefährlichen Verbrechern entgegengestellt zu haben. Auch Luftgewehr und Steinschleuder konnten sie nicht einschüchtern, ihre Brust den eventuell tödlichen Schüssen der Meuterer auszusetzen. Dieser Mut verdient mindesten Bundesverdienstkreuze am Bande, Steinmeier handeln Sie!
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