Es passiert, wenn es passiert. Plötzlich wird es dunkel, womöglich sogar am Abend, im Winter, wenn die Sonne nicht scheint. Finsternis senkt sich über Stadtteile, über ganze Städte. Frauen, plötzlich wieder gefangen in einer längst überwundenen Geschlechterrolle, rufen verunsichert nach Ehemann und Kindern, sie nesteln nach Kerzen und Feuerzeug, trösten und streicheln. "Das Licht geht gleich wieder an!" Der Mann aber wird regressiv zum Kerl, ein Typ der Art, wie sie einst Amerika entdeckte. Er ist der Erste, der sein Handy findet und erkennt, dass es kein Netz gibt. Im Dunkeln tastet er nach der Taschenlampe, in die er eben erst vor wenigen Tagen neue Batterien gefüllt hat. "Moment", ruft er. Und dann mit seinem Goethe: "Es werde Licht!"
Wie schlimm wird es
Den letzten richtigen Blackout gab es in New York am 14. Juli 1977, das hat die Süddeutsche Zeitung in einem Beitrag aus der Serie "Wie schlimm wird es" herausgefunden. Nur noch wenige Notbeleuchtungen funktionierten, Menschen waren verunsichert, beunruhigt. Niemand wusste mehr ein noch aus. Denn die Stadt war gänztlich unvorbereitet auf das Undenkbare. Jahre und Jahrzehnte war der elektrische Strom geflossen wie aus einer Quelle ohne Kapazitätsgrenze. Der big apple, er wuchs elektrisch, er kannte kein anderes Leben als das mit Lichtschaltern, Ampeln, U-Bahnen, Fahrstühlen und Straßenlicht.
Eine große Stadt als kleines Beispiel. Dieser Sommertag von 1977 weckte die Millionen Bürgerinnen und Bürger auf grausame Weise: Für 25 Stunden fiel der Strom aus, schuld ware ein paar Blitzeinschläge, die eine Satdt mitten in einer Hitzewelle erwischten. New York stürzte ins Chaos.Vor allem in Harlem, der Bronx und vielen Teilen Brooklyns machten sich Plünderer auf. Mit Einkaufswagen, Autos und Kleinlastern fuhren sie von Geschäft zu Geschäft, brachen die Scheiben ein und nahmen alles mit: Lebensmittel, Essen, Alkohol, Windeln.
Niemand wird Windeln plündern
Nun ist ein Stromausfall dieser Dimension hierzulande Experten nicht nur nicht zu befürchten, sondern nach den umfassenden Beschlüssen zur Stromsicherheit, die die Bundesregierung in den zurückliegenden Monaten getroffen hat, auch völlig ausgeschlossen. Zudem würde - der niedrigen Geburtenrate sei's gedankt - kaum jemand Windeln plündern. Dennoch ist in den Tagen der tiefen Verunsicherung ein neues Genre entstanden: Mitten in der Energiekrise und obwohl Deutschland kein Stromproblem hat, schüren immer wkieder auch angesehne Blätter und gemeinschaftlich von Bürgerinnen und Bürgern finanzierte Sender die Furcht vor einem Zusammenbruch der Stromversorgung.
Das Thema scheint unwiderstehlich. Seit Marc Elsbergs zehn Jahre alten Bestseller "Blackout - Morgen ist es zu spät" gilt der Weltuntergang, der zu Besuch in ganz gewöhnliche Wohnviertel und zu ganz normalen Menschen kommt, als Trumpfkarte im Spiel um die öffentliche Aufmerksamkeit. Ein reizvolles Thema, das allerdings lange fiktiv blieb. Erst mit Energieausstieg und dessen rascher Beschleunigung im Zuge des russischen Angriffs auf die Ukraine wurde aus dem märchenhaften Gedankenspiel eine reale Bedrohung, die sich fußballreportagehaft anbieten lässt. New York mahnt mit 1.600 zerstörten Geschäfte, mehr als tausend Bränden und knapp 3.700 verhafteten Plünder*innen in nur 24 Stunden. Auf 300 Millionen Dollar schätzten Behörden dort die Schäden später. Ganze Stadtviertel wurden zerstört.
Anziehende Apokalypse
Diese Art Apokalypse zieht die Warner an wie dunkle Ladenstraßen das lichtscheue Gesindel. Dass die Bundesregierung und - nach ausreichend deutlich vorgebrachtem politischen Druck - auch ihre Fachämter einen Blackout ausgeschlossen haben, lässt die Betreffenden nur umso raffinierter im trüben oraklen. Ja, einen Blackout habe man für unmöglich erklärt. Aber was sei denn mit mehreren? Und der Brownout, gherade erst neu erfunden, um am Ende Recht behalten zu können mit allen tröstlichen Vorhersagen, auch wenn es mal anders kommt? Sei der nicht in der Wirkung eher auch ein Stromausfall?
Obwohl Deutschland wie stets sehr gut vorbereitet in den Winterohnegas geht, weil es auf eine feste energetische Basis aus leistungsfähigen Braunkohlekraftwerken und selbst im Streckbetrieb hocheffizienten Atommmeilern vertrauen kann, stellen Kleingeister und die Spesenritter der Zukunftsangst den Blackout als anstehende Schicksalsfrage dar. Strom oder Sterben! Kraftwerk oder Tod! Geschickt manipuliert, verhilft die Angst vor dem Unmöglichen von Fulda bis Bonn und Unterhaching zu Klicks, so lange es noch geht.
Niemand ruft zum Preppern auf
Niemand hat die Absicht, Panik zu schüren. Niemand ruft zum Preppern auf, einer Beschäftigung, der vor Kurzem noch ausschließlich hartgesottene Delegitimierer staatlichen Institutionen nachgingen. Deren Vorsorge scheint weiterhin übertrieben, denn für die ersten Tage der Zukunft ohne Strom "reicht auch kalte Küche" wie die Süddeutsche Zeitung empfiehlt. Es gehe um "Notfall-Szenarien", um das Durchspielen dessen, was allenfalls so wahrscheinlich ist wie eine große Pandemie in Europa und dem Rest der Welt, gefolgt von einer Invasion einer früheren Großmacht in einem Nachbarland, während die deutschen Parteien sich bei der Klärung ihrer Führungsfragen auf Vertreter einer neuen, klimagerecht orientierten Generation von Krisenmanagern festlegen.
Kinder und Alte zuerst in die Wärmestuben, schnell werden die Kommunen auch Lichtinseln schaffen und damit Sicherheit für alle, die trotz aller Warnungen nicht an Batterien, Dosenbrot und zehn Liter Wasser pro Kopf für die ersten paar kalten, dunklen Tage gedacht haben.
Wie bitte? Bei Ihnen ist der Strom weg und auf den Straßen werden Leute totgeschlagen?
AntwortenLöschenDas ist eine Verschwörungstheorie, legen Sie auf. Wir werden Anzeige wegen des Missbrauchs des Notrufes erstatten.
P.S. 'Es werde Licht' - Jahwe, nicht Goethe
Einen Dunkeleinfall wird es nicht geben, denn
AntwortenLöschen• Die Bundesregierung hat alles krisen- und winterfest gemacht
• Habeck erklärt, bei einem Blackout ist nur der Strom weg, das Licht geht aber nicht
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