Sonntag, 25. Dezember 2022

Keine Abstriche an der Grundversorgung: 45 Haselnüsse vom Gemeinsinnfunk

Auf 45 Haselnüsse bringt es die ARD in diesem Jahr. Leicht unter dem Senderekord früherer Weihnachtstage, aber die Grundversorgung bleibt damit auch in Krisenzeiten gesichert.

D
ie Verfilmung von „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ gilt schon seit Jahren als grüner Ampelpfeil der sozialistischen Märchenwelt, ein einsamer Überlebender aus dem heute meist nur noch mit Warnhinwesen sendbaren Hinterlassenschaft aus dem Giftschrank der Defa. Immer zu Weihnachten greifen die Gemeinsinnsender in die Archivkiste und holen die Co-Produktion zwischen der Tschechoslowakei und der DDR zurück ins Programm. Millionen warten auf die Wiederaufführung,die "Haselnüsse" gehören inzwischen zum Fest wie Baum, Lametta und Konsumismus.

Traditionskost unterm Baum

Auch in diesem Jahr der Energiearmut ist die Grundversorgung mit der traditionellen Festtagskost also wieder gesichert. Fünfzehn Mal dürfe Libuše Šafránková als armes, gemobbtes Aschenbrödel und Pavel Trávníček als ewiggestriger Adliger bis Neujahr ran. Allein beim MDR läuft der Streifen zweimal, auch die ARD und der WDR zeigen die Geschichte vom Aufstieg des Waisenmädchens, dem aufgrund der unklaren Erbregelungen im Mädchenland nur Schimmel Nikolaus, der Hund Kasperle und eine Schmuckschatulle vom väterlichen Erbe bleiben, gleich doppelt. 

45 Haselnüsse gibt es damit insgesamt im Feiertagsprogramm, das macht mehr als 2.000 Kalorien. Klingt viel, ist aber deutlich weniger als 2020. Damals waren Aschenbrödel und ihre wundersamen Haselnüsse noch 19 Mal zu sehen gewesen. Womöglich Ausfluss einer seinerzeit noch teilweise hoffähigen neoliberalen Botschaft, dass jeder alles erreichen kann, gelingt es ihm nur, den schönen Schein zu wahren.

Ein bedenkliches Geschichtsbild

Falsche Vorbilder, ein bedenkliches Geschichtsbild, warnt der Medienwissenschaftler Hans Achtelbuscher. Aschenbrödel sei das role model der Frau aus der Unterschicht, die nicht aufgibt, sondern um ihren großen Traum kämpft, eines Tages selbst zu herrschen, statt beherrscht zu werden. Nach Meetoo, der Turds-Diskussion und dem anstehenden neuen Selbstbestimmungsgesetz wirke der in der Hochzeit der Verwandlung des revolutionären Sozialismus-Experiments in Ostdeutschland in eine konsumistische Schuldenwirtschaft entstandene verfälschte Grimm-Märchen wie aus der Zeit gefallen, so der Chef des An-Institutes für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung.

Aschenbrödel trage zwar anfangs "auch mal Männerkleidung", passe sich aber später kleinbürgerlichen Vorstellungen von "Lebensglück" und traditioneller Zwei-Ehe an. Bei jungen Menschen  könne diese Art der Darstellung zu Irritationen führen, warnt Achtelbuscher. "Wir wisse nicht, was das in den Köpfen anrichtet." Das gelte aus seiner Sicht umso mehr, als dass kein einziger Sender eine erklärende Talkshow oder eine aufklärende Reportage zu den tatsächlichen Verhältnissen in der Zeit der Königspaare, Hofbälle und verwöhnten jungen Prinzen im Umfeld der vielgesehenen Wiederaufführungen platziere.

Abgeschnitten geglaubte Zöpfe

So komme es, dass Millionen Zusehende einmal mehr mit längst abgeschnitten geglaubten Zöpfen aus einer Vergangenheit alleingelassen würden, "die doch niemand von uns zurückhaben will", beklagt Hans Achtelbuscher. Für fahrlässig halte er nicht nur den Umstand, die Zeiten der Monarchie zu idealisieren und das ewige Gebet von den Aufstiegschancen für jeden zu wiederholen, sondern insbesondere den Umstand, das mit den angeblich wunderwirkenden "Haselnüssen" eine altbekannte Verschwöungstheorie aufgewärmt werden, die von der Wissenschaft längst widerlegt sei.

In Wirklichkeit gebe es keine "Verwandlung" einer Haselnuss in ein Ballkleid. Forschende unter Achtelbuschers Ägide konnten vielmehr nachweisen, wie unter den primitiven Bedingungen der Dreharbeiten im Jahr 1973 fast so gezielt getrickst wurde, wie es heute üblich ist: Vom Ballkleid der späteren Prinzessin wurden zehn Farbfotografien angefertigt, die genau der Größe des Kleides entsprechen. Aus diesen Fotografien des Kleides wurden dann sogenannnte Sternphasen herausgeschnitten, das heißt, man fertigte in ihrer Größe zunehmende sternförmige Ausschnitte des Kleides an. Für den Film nahm man schließlich zuerst ein Einzelbild der auf den Boden gefallenen Nuss auf, danach die zehn Sternphasen von klein nach groß, bis zum letzten Bild des vollständigen Kleiderbündels. 

Für den uneingeweihten Zuschauer*in entsteht beim Abspielen der Bilder in hoher Geschwindigkeit bis heute auch in der hundertsten Wiederholung der Eindruck der "Verwandlung" der Nuss in ein Kleid, die nach Angaben von Wissenschaftlern überhaupt nicht möglich ist.

3 Kommentare:

  1. Es wird einige beim Böhmermannfunk wurmen, dass man den Leuten keine woke aktualisierte Fassung anbieten kann. Kommt sicher noch.

    AntwortenLöschen
  2. Voraussichtlich wird in der überarbeiteten Fassung aus dem Prinzen eine arabische Prinzessin und aus Aschenpuddel ein schwarzer Flüchtling.

    AntwortenLöschen
  3. Wobei ich Hoppe (Joe, dein Freund war hier) als auch Geschonnek (Er ist ein Knauser, der Kleine. Wieviel brauchst du?) als Mimen schätzte, obwohl beide Zecken waren ...

    AntwortenLöschen

Richtlinien für Lesermeinungen: Werte Nutzer, bitte beachten Sie bei ihren Einträgen stets die Maasregeln und die hier geltende Anettekette. Alle anderen Einträge werden nach den Vorgaben der aktuellen Meinungsfreiheitsschutzgesetze entschädigungslos gelöscht. Danke.