Mittwoch, 14. Dezember 2022

Inside Umsturz: So ticken die irren Terror-Rentner

Die 76 Jahre alte Tamara v. M. und der 82-jährige Hans Z. im Zwiegespräch.

In Deutschland hat kaum eine Protestorganisation in so kurzer Zeit so viel Aufmerksamkeit erhalten wie der sogenannte Reusssche Rat. Die Gruppe begründet ihre klandestinen Vorbereitungen auf einen sogenannten "Tag X" mit der Untätigkeit der Bundesregierung, Maßnahmen gegen Energiemangel, Deindustrialisierung, die Klimakrise und die Bedrohung der Demokratie durch die überall grassierende neue Volksseuche Apathitis zu beschließen. Die Geburtenraten sinken, die Temperaturen zwischenmenschlichen Bereich ebenso. Das vom Grundgesetz erklärte Ziel, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse herzustellen, sei nicht mehr erreichbar. Es müsse etwas getan werden, so die Aktivist*innen.

Was treibt den verrückten Rat?

Doch was treibt die Mitglieder des Geheimen Rates an? Der 82-jährige Hans Z. und die 76 Jahre alte Tamara v. M. packen im PPQ-Gespräch vorbehaltlos aus. Im Interview sprechen sie über Straftaten, die Demokratie und das mutmaßlich drohende Ende der Welt. Beide sagen kategorisch: "Es ist nicht unser Ziel, beliebt zu sein, unser Ziel ist es, die Welt zu ändern." Zu wichtig sei die Forderung, einen Systemwechsel einzuleiten. "Was wir fordern, beinhaltet deshalb auch Maßnahmen für stärkere Mitspracherechte der Bevölkerung jenseits der demokratischen Prozesse, denn aktuelle Beispiele zeigen ja, wie Entscheidungen unter dem Einfluss von Lobbyisten fallen."

Hans Z. zeigt auch Tage nach der größten Anti-Terroraktion in der Geschichte der Bundesrepublik keine Schuldgefühle. Man ziele weiterhin auf die "Adern der Gesellschaft", betont der frühere Labortechniker, an der Absicht festhalten zu wollen, die Gesellschaft "umzuerziehen", wie er es nennt. Bis es soweit sei, stehe der Rat dafür, dass "es weiter an allen Ecken und Enden Vorbereitungen für den Tag geben wird, an dem alles anders kommt". Z. gehört zwar nicht zu den Mitgründern der Gruppe, ist aber durch die beiden Rekrutierungshellseher des Prinzen Reuss auf seine Verlässlichkeit überprüft worden. 

Vernetzt und verstrickt

Seit Anfang des Jahres bereits hatte er Kenntnis von Mitglieder*innen der Gruppe in ganz Deutschland, die Schwerter und Äxte horteten, Kabinettslisten erstellten und Büchsenfleisch bunkerten. Mit Forderungen war der Rat noch nicht an die Bundesregierung herangetreten. Er selbst aber sei durchaus für die Verlängerung des Neun-Euro-Tickets für den Bahnverkehr und ein freiwilliges Tempolimit auf Autobahnen, sagt Z.

Wir lassen uns auch nicht von Gefängnisstrafen abschrecken", erklärt Tamara v. M., die ihre ersten Protesterfahrungen in den 80er Jahren im Kampf gegen Gorleben und den Nato-Doppelbeschluss gemacht hatte. Sobald die Regierung Demokratieschutzmaßnahmen umsetze, werde man die Vorbereitungen auf eine eigene Regierungsübernahme vorerst aussetzen, sagte v. M., für die das Mittel des "friedlichen zivilen Widerstands" durch das Schmieden von Umsturzplänen noch lange nicht ausgereizt ist. Demonstrationen alleine hätten historisch betrachtet nie größere Veränderungen in Demokratien bewirkt, betont sie. v. M. hatte vor 37 Jahren nach einer Aktion in München nach eigener Aussage fast 30 Tage in Gewahrsam gesessen. "Das hat mich und meinen Blick auf unser Land geprägt", sagt sie.

Verhaftungswelle gegen den Kern der Vereinigung

Nach der ersten Verhaftungswelle gegen den Kern der Vereinigung sei man derzeit dabei, "lose Enden wieder zu verknüpfen". Die Unterbrechung der Präparation für den Tag X begründet Tamara v. M.  damit, dass die Zeit für das Training neuer Ak­ti­vis­t*in­nen benötigt werde. Obwohl es "unendlich viel Gegenwind" gebe, denke doch niemand daran, aufzugeben. "Ein Systemwechsel ist weiterhin unumgänglich, wenn wir als Menschheit überleben wollen." Längst seien demokratische Prozesse zu kompliziert geworden, zwischen dem einzelnen Bürger*in ganz unten und der EU-Kommission ganz oben stünden sieben Instanzen von Stadt und Gemeinde über Landesverwaltungsämter, die Länder, den Bund und die föderale Gerichtsbarkeit. Daraus resultierten Ohnmachtsgefühle. 

Beide Aktivisti kritisieren die Ermittlungen gegen ihre Gruppe scharf. "Während der Staat unser Grundgesetz missachtet, durchsucht die Polizei die Wohnungen jener, die alles friedlich Mögliche versuchen, dies offenzulegen." Die Durchsuchungen seien ein "neues Niveau" der Einschüchterungsversuche des Staates. Wenn friedlicher Widerstand kriminalisiert würde, bedrohe das "die demokratischen Grundfesten" der Bundesrepublik.

Wir rasen in die Katastrophe", glaubten viele, nicht nur im Reussschen Rat. So sei das vermeintlich von der Weltgemeinschaft erklärte Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zur Zeit vor der Industrialisierung zu begrenzen, nie und nirgendwo demokratisch beschlossen worden. "Es gab weder Volksabstimmung noch Wahlprogramme der Parteien, die die Wahl zwischen Verzicht und Klimazielen erlaubten." Die Folge: Eine unumkehrbare Abkehr von den Ritualen der Demokratie, der Ausstieg vieler in die private Nische und sich ausbreitende Hass- und Hetzewellen. Dass Po­li­ti­ke­r*in­nen von CDU bis Grüne unisono dazu aufriefen, sich mehr einzubringen, wirke wie ein Schuldeingeständnis. "Man weiß um die Versäumnisse und Verkrustungen, will sie aber nicht eingestehen."

Agrarwende in den absoluten Klimakollaps

Im geheimen Rat und seinem Umkreis habe deswegen der Konsens geherrscht, dass "wir momentan die größtmögliche Störung, diesen symbolischen Stopp, um Politik und Menschen darauf aufmerksam zu machen, auf welche Katastrophe wir gerade zusteuern", so Hans Z. "Wir müssen endlich anfangen, darüber nachzudenken, welche Schritte wir jetzt sofort machen können." Ziel sei nichts weniger als ein Systemwechsel, verbunden mit einer Agrarwende, die den absoluten Klimakollaps verhindert, indem zu über Jahrhunderte gebräuchlichen und erfolgreichen feudalem Landbewirtschaftung zurückgekehrt werde.

Ein Vorhaben, das auf großen Widerstand bei Kleinbauern und industriellen Landwirten trifft. Doch während andere populistisch ein sogenanntes "Gesetz gegen das Wegwerfen von Lebensmitteln" forderten, wolle man mit einer sofortigen Agrarwende an der Wurzel des Übels anpacken. "Die Überproduktion führt doch erst zur Verschwendung", sagt Hans Z, der bis 2021 als Expert*in an Umbauforderungen an die Agrarindustrie mitgearbeitet hatte, um Massentierhaltung und Überdüngung abzuschaffen.

Störung und Bedrohung

Alles sei umsonst gewesen, sagt er heute. "Ohne einen Systemwandel wird es nicht gehen, wollen wir unsere Lebensgrundlage sichern." Die Klimakatastrophe sei weder das einzige noch das größte Problem", findet Tamara v.M. "Wir können es uns nicht mehr leisten, wegzuschauen und keine Maßnahmen zu ergreifen." Zumindest für einige Tage oder Wochen werde man die Vorbereitungen auf eine neue Zeit aber ruhen lassen, wenn die Politik öffentlich verspreche, die Gefangenen aus dem Rat freizulassen. "Wir spüren ja, dass wir vielen als Störung und als Bedrohung gelten, und ich kann auch verstehen, dass sie genervt von uns sind, aber ein Blick in die Geschichte zeigt, dass entschlossene Gruppen von Einzelnen eben schon oft zu großen Veränderungen geführt haben."

Gegen die Zivilgesellschaft habe sich der geplante Umsturz auch nie gerichtet. "Wir wollen gar nicht den einzelnen Bürger, die einzelne Bürgerin adressieren, das tut schon die Politik, die ihr Versagen viel auf den Einzelnen abgewälzt", sagt Hans Z. Der Wandel, den er herbeisehne, müsse von politischen Entscheidungen herrühren und das Kollektiv aller Menschen weltweit motivieren, eine zukunftstaugliche Veränderung anzustreben. Kantinenausrüstungen zu beschaffen, Vorräte an haltbarem Brot und eingekochtes Gemüse, das halte er für rundum gelungene und gewaltfreie Aktionen. "Der Rat hat sich einiges einfallen lassen, um den Alltag vieler Deutscher nicht zu stören." Letztlich gehe es darum, jede und jeden Ein­zel­ne*n überzeugen, um kollektiv etwas zu erreichen, auch wenn es am Ende nie möglich sein werde, "jeden Einzelnen davon zu überzeugen, dass unsere Protestform richtig ist".

Den Notstand bekanntmachen

Uns ist es wichtig, die Menschen zu informieren, in was für einem Notstand wir uns befinden und die Po­li­ti­ke­r*in­nen dazu anzuhalten, endlich die Wahrheit zu sagen", versichert Hans Z.  Er finde die Aufregung um den Rat und die langfristige Durchstecherei des Razziatermins an alle Medien übertrieben. "Schauen Sie doch, wie die Politik aktuell provoziert, dass Millionen oder, global gesehen, Milliarden Menschen sehr viel größeren Bedrohungen ausgesetzt sein werden." Diese Bedrohung verschwinde vollkommen hinter der geplanten Machtübernahme durch Heinrich XIII. Prinz Reuß. 

Die Kritik, dass im Rat nicht die gesamte Breite der Gesellschaft repräsentiert sei, so fehle es an Migranten, Ostdeutschen und Angehörigen der ungebildeten Stände, weißt Tamara v. M. zurück. "Bei uns sind nicht nur alte Mitglieder einer weißen, akademischen Mittelschicht aus dem Westen,wir sind vielmehr gut durchmischt." Es machten Menschen über 60 mit und auch Menschen, die eher aus dem adligen Milieu kommen. "Wir hätten gerne auch mehr PoC bei uns und mehr Ostdeutsche und würden sie sehr gern integrieren, wenn sie sich bei uns melden würden." Gemeinsam müsse man Aufstehen gegen die Folgen einer Politik, "die Folgen für den Planeten und unser Leben hat", wie Hans Z. sagt. Enttäuschend sei es für ihn, dass nach dem Bekanntwerden der Umsturzplanungen "alle über unsere Kabinettsliste reden, doch niemand fragt, weshalb ältere und ganz alte Menschen überhaupt in den Widerstand gehen". 

Weniger Lust auf Hetze und Hass

Die Sorge, dass die Menschen weniger Lust auf Hetze, Hass und Zweifel haben, weil die Initiativen des Rates nach ihrem Bekanntwerden in den Medien verspottet wurden, hat Hans Z. nicht. "Die Menschen wollen leben und sich emotional mit der Krise zu verbinden", sagt er. Er könne sich keine Mutter vorstellen, die angesichts drohender Ernteausfälle, einer Erosion bei demokratischen Werten und Korruptionsfällen in der EU sage "ich bin so genervt von den Menschen, die Umsturzpläne schmieden, dass ich möchte, dass mein Kind nichts zu Essen auf dem Teller haben wird". 

Deutschland stehe besonders in der Verantwortung, die Verfassung zu schützen. "Für das Recht auf Leben, auch für zukünftige Generationen, das ergibt sich aus den Grundrechten unserer Verfassung", betont Tamara v.M. Fakt sei, dass es "unser jetziges Leben in den nächsten Jahrzehnten so nicht mehr geben wird", dass auch unser Wohlstand verschwinden werde. "Auf lange Sicht drohen Kriege bis hin zur Vernichtung des Menschen." Sie sehe das mit Sorge.

4 Kommentare:

  1. Also wenn die Reichsrentner clever wären, würden sie das ihr Reich über das Thema Klimaschutz errichten. Da herrscht gewisse Maßnahmenfreiheit.

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  2. clever ist eine vokabel, die mir im zusammenhang mit der reussschen untergrundgang auch noch nicht begegnet ist. danke dafür!

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  3. Einfach abwarten, Europa zerlegt sich selbst und Deutschland vorneweg. Irgendwann sind die Löcher in den Sozialkassen auch mit Fiatgeld nicht mehr zu stopfen. Es folgt ein Lastenausgleich - und ja, Omas Kleinhäuschen ist mit dabei. Heute aber hat Düsseldorf erstmal seine Innenstadt freiwillig an Nordafrika übergeben. Brüssel, Paris.....

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  4. Einfach abwarten, Europa zerlegt sich selbst und Deutschland vorneweg ...

    Falsch, grundfalsch. Europa und Deutschland vorneweg WIRD zerlegt. Und nicht NUR von (((denjenigenwelchen))).
    Und abwarten ist zwar nicht verkehrt - Narretei aber wäre, zu erwarten, dass danach der Erlösus käme und alles lecker würde.

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