Freitag, 18. November 2022

Ende der Fußball-Einheit: Deutschland ohne Osten

Diversität auf Westdeutsch: Alle an Bord, aber keiner aus dem Osten.

Einer aus Paris, einer aus Yaoundé. Der Rest aus dem alten Fußballwesten. 32 Jahre nach dem Triumph der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Italien ist die DFB-Elf wieder dort, wo alles angefangen hat. Kicker aus den ehemaligen "alten" Ländern besetzen alle Startplätze, in der Stammelf sowieso, aber auch auf  Ersatzbank und Tribüne. In Katar, dem Land, in das Deutschland am liebsten gar keine Vertretung geschickt hätte, sind es die Kicker aus der ehemaligen Ex-DDR, die die Fahne der Freiheit, der Menschenrechte und des Widerstandes gegen diktatorische Regime hochhalten. Und gar nicht erst anreisen.

Ohne Ostkicker fahr'n wir zum WM

Es ist eine Premiere, allerdings mit längerer Ankündigungskurve. Als Franz Beckenbauer nach dem Titelgewinn in Rom die Vorhersage wagte, die deutsche Mannschaft, damals noch mit kleinem "die", sei nun "über Jahre hinaus nicht zu besiegen", weil zu den Weltmeistern aus der alten Bundesrepublik demnächst auch noch die Neu-Profis aus der DDR-Oberliga stoßen würden, lag der Kaiser einerseits falsch, weil letztlich außer dem Europameistertitel 1996 kein großer Erfolg mehr gelang. 

Andererseits aber behielt er Recht: Spielten 1994 zwei gebürtige Ostler im Nationaltrikot, waren es 1996 schon drei, 1998 gar fünf und 2000 wie auch 2002 sogar sieben. Rein statistisch betrachtet aber lag ein Fluch über dem Aufschwung Ost. Jahrzehntelang war ein Ostdeutscher im Nationalmannschaftsdress bei einer WM stets das Todesurteil für jede Titelambition der deutschen Equipe.

Weltmeister trotz Geburtsort

Erst dem Greifswalder Toni Kroos gelang es 2014, den Bann zu brechen. Der Mittelfeldmann wurde Weltmeister trotz seines Geburtsortes, womöglich, weil er damals schon der letzte Kicker aus der letzten Spartakiadegeneration des Ostens war. Nach ihm kam nichts mehr aus den ausgeglühten Klubs zwischen Rostock und Dresden, deren hauptsächliches Bemühen im Fußballalltag das blanke Überleben war. Ostdeutschland, Mitte der 70er mit Spielern aus ausschließlich regionalem Anbau ganz allein und ohne Hilfe aus dem Westen WM-Teilnehmer, hatte niemanden mehr von Weltklasse, nicht einmal mehr, um in den Nachwuchsmannschaften des DFB Hoffnung auf bessere Zeiten zu machen. 

Ein zufällig während einer Karrierestation in Leipzig geborener Sohn eines Brasilianers  war in jenen Tagen das Beste, was 660.000 organisierte Fußballer des Ostverbandes NOFV zu bieten hatten. Und auch der kam über 20 Spiele in der U21 nicht hinaus. Seitdem ist es vorbei. Die deutsche Fußballeinheit, sie ist vollendet, denn sie ist wieder dort, wo sie früher war: Der eine Teil des Landes spielt, der andere schaut zu. Rein rechnerisch müssten nach der Verteilung des Bevölkerungsanteile vier in Ostdeutschland geborene Spieler mit Nationaltrainer Hansi Flick am persischen Golf sein. Faktisch ist es nur keiner.

2 Kommentare:

  1. https://kontrafunk.radio/de/sendung-nachhoeren/kontrafunk-aktuell/kontrafunk-aktuell-vom-18-november-2022

    AntwortenLöschen
  2. Beim Herumzappen aufgelesen: Es gibt kein Bier in Katarrh, es gibt kein Bier ... (Ernst Neger) ---

    AntwortenLöschen

Richtlinien für Lesermeinungen: Werte Nutzer, bitte beachten Sie bei ihren Einträgen stets die Maasregeln und die hier geltende Anettekette. Alle anderen Einträge werden nach den Vorgaben der aktuellen Meinungsfreiheitsschutzgesetze entschädigungslos gelöscht. Danke.