Donnerstag, 16. Juni 2022

Jenseits von Afrika: Eine Rüge voller Respekt

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei), Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) und Björn Höcke (AfD) demonstrierten im November 2019 gemeinsam gegen Siemens.

Es war ein unglaublich schwieriger Fall, äußerst diffizil und gar nicht gerecht zu entscheiden, so lange die Verklagte noch im Kanzleramt saß. War es Angela Merkels Nimbus aus mächtigste Frau der Welt, der das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hinderte, kurzen Prozess mit einem Knall auf Fall zu machen, den jeder Demokrat insgeheim zugunsten der Ex-Kanzlerin entschieden hätte? 

Letzter Aufreger des Vorkriegswinters

Unverzeihlich" (SZ) war, was in jenem Friedens- und Vorpandemiewinter 2020 in Erfurt geschah: Der Ministerpräsident der Linkspartei entthront. Ein Liberaler auf den Sessel der Macht gehoben von einer mutmaßlichen "Muschpoke" (Sigmar Gabriel) aus FDP, CDU und Schwefelpartei.  Deutschland in dem, was damals noch als Ausnahmezustand galt. Die Nachrichtensendungen fanden schlagartig kaum noch Platz für Klima, Australien, Corona, Weltuntergang und Trump.

Bis Merkel aus Südafrika ein Machtwort sprach. Diese Wahl sei "unverzeihlich" (Merkel) und das Ergebnis entsprechend umgehend rückgängig zu machen. Eine Reaktion auf die "verstörenden Vorgänge in Thüringen" (SZ), die bundesweit gut ankam. Endlich zeigte die als Zauderin und lahme Ente verspottete ehemalige CDU-Chefin schrödersche klare Kante, endlich pfiff jemand die voreiligen Glückwünscher zurück, reinigte die Reihen und zeigte der Parteichefin Annegret Kramp-Kattenbauer, wie eine Demokratie geführt werden will.

AfD verhindert früheres Urteil

Kramp-Karrenbauer überlebte ihre Laissez-faire-Haltung angesichts des Entgleitens eines ganzen Freistaates in die Anarchie nicht lange. Thomas Kemmerich, der neue Ministerpräsident Thüringen, musste aber noch früher gehen. Möglich, das ein früheres Eintreffen der ersten Corona-Welle ihn gerettet hätte. Möglich, dass das Bundesverfassungsgericht mit einer Eilablehnung noch in der laufenden letzten Amtszeit der Rekordkanzlerin für Aufsehen gesorgt hätte. Doch die klagende AfD verhinderte einen flotten Abschluss des Verfahrens, indem sie die Befangenheit von Richtern beklagte, nur weil die sich als ein Verfassungsorgan zum Abendessen mit einem anderen getroffen hatten.

So dauerte es schließlich zwei Jahre, vier Monate und neun Tage, bis der Zweite Senat nun mit einem "fragwürdigen Urteil" (Spiegel) entscheiden konnte, "dass Bundeskanzlerin Angela Merkel durch eine im Rahmen einer Pressekonferenz mit dem Präsidenten der Republik Südafrika am 6. Februar 2020 in Pretoria getätigte Äußerung zur Ministerpräsidentenwahl in Thüringen und deren anschließende Veröffentlichung auf den Internetseiten der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung die Partei Alternative für Deutschland (AfD) in ihrem Recht auf Chancengleichheit der Parteien aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG verletzt hat". Merkel hätte sagen können, was sie gesagt hat. Aber nur als Bürgerin, nicht in ihrer Funktion als "Bundeskanzler" (Art 63 Grundgesetz).

Ministerpräsidentenwahl in einem Bundesland hin, "Grundüberzeugung" her, sogar "für die CDU und auch für mich". Bundeskanzlerin Merkel habe mit der "getätigten Äußerung in amtlicher Funktion die Antragstellerin negativ qualifiziert und damit in einseitiger Weise auf den Wettbewerb der politischen Parteien eingewirkt" (Az. 2 BvE 4/20). Der damit verbundene Eingriff in das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe am Prozess der politischen Willensbildung aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG sei weder durch den Auftrag des Bundeskanzlers (sic) zur Wahrung der Stabilität der Bundesregierung sowie des Ansehens der Bundesrepublik Deutschland in der Staatengemeinschaft gerechtfertigt, noch handele es sich um eine zulässige Maßnahme der zur parteipolitischen Neutralität verpflichteten Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung

Merkel behält recht

Merkel hatte also recht. Der Vorgang war "unverzeihlich", der Tag in der Tat "ein schlechter Tag für die Demokratie". Mit spukhafter Fernwirkung, denn der Verfassungsbruch bleibt wie immer aufgedeckt, aber ungeahndet. Eine "Rüge" voller Respekt, wirksam wie ein Platzverweis nach Ende der Saison, ungelesen zu den Akten und dort zweifelnd abgeheftet als "Ex-Kanzlerin soll die Autorität ihres Amtes missbraucht haben".

Nachdem die höchsten Richter der Republik geurteilt haben, dass sie das getan haben soll, sondern getan hat, etwa in dem sie ihre unzulässige Äußerung auf den Internetseiten der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung auf den Internetseiten der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung veröffentlichen ließ. Steuerfinanzierten Ressourcen, die dazu dienten, "das in der Äußerung enthaltene negative Werturteil über die Antragstellerin" zu verbreiten, um "die Antragstellerin in ihrem Recht auf gleichberechtigte Teilnahme am politischen Wettbewerb" zu verletzen.

Wenigstens war es knapp

Die Entscheidung war wenigstens knapp, und nach ersten Analysen führender Merkel-Versteher ist es beinahe falsch.  Hätte sie doch nur gesagt, dass sie das, was sie sagt, nicht als "Bundeskanzler" (GG) sagt. Hätte sie sich doch nur "zurückgehalten" (Die Zeit). Dann könnte Annegret Kramp-Karrenbauer immer noch CDU-Chefin sein, Thomas Kemmerich Ministerpräsident in Thüringen und Susanne Marianne Hennig-Wellsow, die Blumenwerferin aus dem Erfurter Parlamentssaal, wäre nicht als Parteivorsitzende der Linkspartei an sexuellen Missbrauchsvorwürfen gescheitert und bis in die stillen Hinterbänke des Bundestages durchgereicht worden. 

Die Welt wäre eine andere, aber das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes verlangt natürlich nach Respekt. Die frühere Kanzlerpartei CDU hat sich bereiterklärt, den Richterspruch zu akzeptieren. Zwar habe Merkel trotzdem recht gehabt und alles richtig gemacht. Trotzdem werde die Partei für ihre frühere Spitzenfrau keinen Aufstand gegen Karlsruhe anfangen. "Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts respektieren wir, unabhängig davon, ob wir es teilen oder nicht", ließ CDU-Generalsekretär Mario Czaja großmütig wissen.

Karlsruhe hat seine Nummer. Man wird sich sicher aussprechen können, von einem Organ zum anderen.

4 Kommentare:

  1. Immerhin haben die das Urteil fertig bekommen, bevor Merkel zu Marx, Lenin und Honecker hinabfährt.

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  2. Respekt, dass die Tafelritterrunde am Esstisch der Piefkemajestät Jahre später noch in der Verfassung ist, gewisse absolutistische Gebaren der von ihren Untertanen innig bejubelten Michel-Mutti zu beurteilen, denn von verurteilen kann keine Rede sein.

    Richter, die aus parteipolitischem Kalkül auf ihre Posten gesetzt werden, haben da dann gefälligst auch die Regierungswillkür zu unterstützen, was in der deutschen Demokratur ja auch bestens klappt.

    Mit Ausnahme von Todesurteilen ähnelt das BVerfG immer mehr dem Freisler-Volksgerichtshof, denn der erzwang dort ja auch die befohlene Staatsräson. Aber vielleicht erinnern sich die heutigen Sozialisten bald wieder an Begriffe wie Volksschädling und können kriegslüsterne Parlamentarier nicht schnell genug jeden Skeptiker loswerden, der ihren frisch erwachten Endsiegwahn nicht unterstützt.

    Wie schnell ein ganzes Volk zu Gehorsamsdödeln umerzogen werden kann, hat Corona bewiesen. Mit Angst ist nämlich leichter zu herrschen als mit Argumenten. Jetzt kommen sie mit Sommerwelle, Affenpocken und Russenbedrohung, und der Gutmenschen-Pöbel steht in Massen bald wieder panisch Schlange, um sich davor schützen zu lassen. Ein kleiner Pieks, und Satan Putin kann dir nix anhaben. Intelligenzniveau wie im wundergläubigen MIttelalter.

    Und wir erinnern uns diesseits von Afrika auch gerne an Idi Amin, diesen Liebling des Wertewestens, der nach seinem Putsch aus Uganda ein Schlachthaus machte und seinen Lebensabend unbestraft luxuriös in Saudi-Arabien verbringen konnte, das wir trotz barbarischer öffentlicher Hinrichtungen heute ja auch zu unseren Freunden zählen. Öl und somit Geld regiert nun mal die Welt ... auch und besonders bei unseren global spendablen Moralweltmeistern.

    Just sind wir in die Enkel jener Ukrainenazis vernarrt, die schon in Hitlers SS gedient hatten. Macht aber nix, wenn es gegen die Sieger von Stalingrad, die Russen, geht, die damit unsere bis heute andauernde Versagerpsychose auslösten. Und weil die einstigen Blitzkrieg-Doggen längst zu Sofa-Pinschern umgestylt wurden, kläffen sie in schriller Tollwut jeden an, der sie nicht pausenlos für ihren Heimatfront-Kampfesmut lobt.

    Jenseits von Afrika könnte unabhängig vom millionenfachen Talentreserve-Import übrigens auch mitten in Schland sein.

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  3. Immerhin haben die das Urteil fertig bekommen, bevor ...

    Ach was papperlapapp, es ist eitel Verarschung und nichts als Verarschung. Und der Pipi (war das Rouhs? - Man kommt gerade nicht rein ...) entblödet sich nicht, von einem Etappensieg für die "AfD" zu blödeln.

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  4. Piefke-Bernd fühlt sich nach der ösi-Lageanalyse immer sehr schuldig und schlecht

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