"Heimat" ist heute noch ein ausschließender Begriff. Die Bundesinnenministerin will das schleunigst ändern. |
Das Wort hat einen unheilvollen Klang. Es macht Angst, es verbreitet Furcht. Wird es ausgesprochen, sorgt es häufig für spontane Abwehrreaktionen. Von Gänsehaut bis Schüttelfrost, von tränenden Augen über Brechreiz bis hin zu Fluchtreflexen sind weltweit zahlreiche Nebenwirkungen beobachtet worden, die keinen Zweifel daran lassen, dass diese sechs Buchstaben eine besonders brutale, hinterlistige Form von Gewalt sind. "Heimat", wohl nicht zufällig ein Wort mit H wie Hitler, ebenso lang und zur Hälfte aus denselben Zeichen zusammengesetzt, klingt drohend, dunkel und düster, ein deutscher Stiefel, der auf alles Fremde tritt, der ausschließt, exkludiert und Mauern baut.
Gegen den Terror der Gefühlshoheit
Andere Länder, andere Sprachen und andere, weltoffenere Denkungsweisen haben ein solches fürchterliches Wort gar nicht. Die "Heimat", das ist im Deutschen das Land, der Landesteil oder sogar nur der Ort, in dem man geboren und aufgewachsen ist oder sich durch ständigen Aufenthalt zu Hause fühlt, ein nicht rationaler, sondern gefühlsbetonter Ausdruck enger Verbundenheit gegenüber einer bestimmten Gegend, die in der Regeln nicht zurückliebt. Im Englischen, einer globalen Sprache, gibt es nur "home" und "homeland", das Heim und das - korrekt übersetzt - Land des Heims. Das Japanische kennt "Futusato", den Heimatort, das Niederländische das "Thuisland", das "Zu-Hause-Land" heißt. Im Rumänischen ist es das "Tară de origine", der Platz der Herkunft, und im Finnischen der Kotikaupunki, der Heimort.
Niemand aber besitzt etwas wie die deutsche "Heimat", dieses trutzige, garstige Wort, das dem Germanischen "Hämatli" entwuchs, dessen Wurzel im Indogermanischen kei für "Liegen" zu finden ist, das vor unerdenklich langer Zeit eine Ehe mit dem germanischen ôþala für "Erbbesitz" einging, womit damals ein Wohnrecht mit Schlafstelle in einem Haus gemeint war. Deutschland macht sich mit dieser uralten Definition von Heimatrecht, das 99 Prozent der Weltbevölkerung für heimatlos erklärt, keine Freunde und keine Freundinnen. Hämatli haben heißt Anrecht auf Teilhabe am Gemeinschaftseigentum, heißt privilegiert sein, heißt nicht verweisen müssen auf Wurzeln und Farben, Staatsbürgerschaften und Pässe, sondern bäckermützenweiß mit einem Ausweis alles haben.
Das Problem Heimat
Dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser sich nach ihrer ersten Offensive gegen die rechte Gefahr nun dem Problem Heimat widmet, zeigt, dass die Sozialdemokratin weiß, worum es geht. Ursprung, Herkunft und Abstammung, sie sind obsessiv für Menschen, die in Genen, in DNA und rassistischen Stereotypen denken. Ihnen die Waffe "Heimat" zu nehmen, muss erste Priorität für eine Innenministerin haben, die über den Tag hinaus denkt und den braunen Sumpf endlich austrocknen will.
Faeser, die sich bereits in den ersten Monaten im Ministerinnenamt als äußerst originelle Denkerin, geschätzt von jedermann, der einen guten Witz zu schätzen weiß, geht nach ihrer Offensive gegen Rechts, nach dem Telegram-Verbot und der Aufforderung an Bürgerinnen und Bürger, sich aus Pandemiegründen "nicht gleichzeitig an vielen Orten zu versammeln", entschlossen die nächste Baustelle an. "Wir müssen den Begriff Heimat positiv umdeuten und so definieren, dass er offen und vielfältig ist", hat die Ministerin in einer öffentlichen Ausschreibung für entsprechende Umdeutungsvorschläge in der Wochenschrift "Die Zeit" aufgerufen. Künftig dürfe das so urdeutsche Wort nicht mehr die Bedeutung haben, die ihm bis heute zugerechnet wird. Es müsse vielmehr ausdrücken, "dass Menschen selbst entscheiden können, wie sie leben, glauben und lieben wollen".
Leben, lieben, glauben
Ein weiter Weg bis dahin, der im Innenministerium aber konsequent begangen wird. "Heimat" soll nicht mehr wie bisher auf eine besondere Beziehung zwischen Mensch und Raum verweisen, sondern gleichermaßen für all die unendlich vielen Identitäten, Charaktere, Mentalitäten, Einstellungen und Weltauffassungen gelten. Wenn erst jede und jeder überall beheimatet ist, verliert die "Heimat" ihre ausschließende Exklusivität. "Das wäre ein Gewinn für den gesellschaftlichen Zusammenhalt", ist Nancy Faeser überzeugt.
Wie die frühen Kommunisten das falsche bürgerliche Verständnis von "Freiheit" neu bestimmten, indem sie Freiheit als Einsicht in die Notwendigkeit definierten, wird die Bundesregierung die "Heimat" in den kommenden Monaten und Jahren umdeuten zu einem Wort, nicht mehr das ist, was die Menschen heute noch darunter verstehen. Mit der Bundesworthülsenfabrik (BWF)in Berlin ist ein Hauptauftragnehmer für neue staatliche Verständnisvorgaben zum Sprachgebrauch bereits gefunden. In der nächsten Phase der Neudeutungszeit kommt es nun darauf an, griffige neue Inhalte zu finden, die den Schreckensbegriff entgiften und ihn tauglich machen für eine zukunftsfrohe Weiterverwendung. Heimat, so hatte die Hamburger "Zeit" schon vor Jahren nachdrücklich gewarnt, dürfe keine "Chiffre für Ausgrenzung" mehr sein, wer noch eine Heimat habe, dürfe sich nicht besser fühlen als der, der keine besitzt.
Weshalb keine Rede davon sein könne, allen eine zu geben. Sondern sie besser allen zu nehmen.
"...dass Menschen selbst entscheiden können, wie sie leben, glauben und lieben wollen".
AntwortenLöschenAber nur, solange sich nicht die falschen Menschen 'selbst entscheiden'.
Wenn man eine linksradikale Phrasenschleuder ins Kabinett setzt, kommen eben linksradikale Phrasen aus dem Kabinett.