Donnerstag, 26. Mai 2022

Männertag: Einer für alle

Männertagsrunde Breshnew Honecker Ulbricht
Typische Männertagsrunde in Deutschland seit 1934: Frauen müssen draußen bleiben.

Er war stets ein Ausdruck struktureller Geschlechterungerechtigkeit, ein Tag gewordenes Dokument männlicher Vorherrschaft und ein Ausweis der ungebrochenen Macht des Patriarchats. Der Männertag, ein kalendarischer Ausfluss von Entscheidungen, die eine Runde alter Herren in Rom weit vor dem Mittelalter auf der Basis unklarer Bibel-Schilderungen getroffen hatten. Später war der Beschluss der katholischen Runde von den Nazis missbraucht worden, um sich das Männervolk gewogen zu machen: Ab 1934 erklärte das Hitler-Regime den Tag, an dem Christus gen Himmel schritt, wo er von der Hand Gottes in Empfang genommen wurde, zum gesetzlichen Feiertag in Deutschland.

Trunkene Herrenrunden statt Gerechtigkeit

Eine Regelung, die sich über alle Regierungswechsel und Demokratisierungsversuche gehalten hat, auch wenn die kommunistische Regierung der DDR versuchte, Geschlechtergerechtigkeit wiederherzustellen, indem sie den von trunkenen Herrenrunden zu bierseligen Ausflügen genutzten 40. Tag nach Ostern wieder zum so normalen Arbeitstag machte wie der als Ausgleich zu den Männlichkeitsritualen seit 1911 als "Frauentag" begangene 8. März stets einer gewesen war.

Mit der Rückkehr der Fabrikbesitzer, Fabrikanten, Supermilliardäre, Spekulanten und Kuponschneider endete dieser hilfslose Versuch, den Männer aller Altersgruppen über 40 Jahre hinhaltend unterlaufen hatten, kleine Bollerwagen mit Bier hinter sich herziehend. Die Welt war wieder männlich im Sinn der alten Bonner Republik mit ihren Entscheidern in Anzügen, ihren Zigarren, Herrenrunden und Kognakschwenkern. Die Frau durfte ihren 8. März feiern, nach getaner Arbeit. Der Mann aber bekam zum Ehrentag nun auch im Osten arbeitsfrei.

Feiertags-Gap in den Kalender genagelt

Jeder Versuch einer Änderung der festgebackenen und gerechtigkeitsfeindlichen Rituale scheiterte, Frauen blieben benachteiligt, der sogenannte Feiertag-Gap schien unverrückbar für alle Zeiten in die Kalender genagelt. Selbst schüchterne Versuche von engagierten Frauen, den anderen Geschlechterfeiertag arbeitsfrei zu stellen, prallten an einer gesellschaftlichen Wirklichkeit ab. Nur in Berlin gelang es einer breiten Front aus Frauen, eine Bresche in die betonierte Brüskierung der grundgesetzliche garantierten gleichen Rechte zu schlagen und den 8. März auf eine Freiheitsebene mit dem Männertag zu heben. Überall sonst wurde das so gerechtfertigte Ansinnen abgelehnt: Zu teuer, zu ineffizient, zu belastend für die Wirtschaft, in deren Ausbeutungslogik Frauen längst eine unverzichtbare Rolle spielen.

Doch die Propagandisten einer zwischen Frau und Mann geteilten Wirklichkeit haben sich verrechnet. Die gelebte Realität einer Gesellschaft, in der jedes Mitglied bestimmen kann, als was er sich sehen will, hat die seit der Erstveröffentlichung der Apostelgeschichten geführte kleinteilige Diskussion um Feiertage für sie und ihn überholt und mittlerweile sogar überrundet. 

Die Freiheit der Wahl

Acht Jahre nach dem ESC-Triumph von Thomas Neuwirth als "Conchita Wurst" sind die Türen zum traditionellen Männertagsbesäufnis für alle Menschen offen, Frau und Mann, sie definieren selbst, als wer sie kommen wollen. Der einstige "Männertag", er heißt noch so, aber er ist einer für alle, am flackernden Lagerfeuer wird heute ein Bund für Vielfalt geschmiedet, wo früher paternalistische Ausschließeritis regierte.

Wann ist ein Mann ein Mann? Welche Frau steht den ihren? Das zu den Urmärchen des Christentums gerechnete Wunder der Verwandlung, es findet an diesem Tag des Herren überall statt, auf Dörfern, in beinahe schon verlassenen Siedlungen früherer Industriearbeitender, in den urbanen Viertel der Städte, die der Bionadeadel gentrifiziert hat, und an den Rädern der Metropolen, die heute noch aussehen wie damals, sich aber von innen einer Zukunft geöffnet haben, die alle mitnimmt, die müde sind und schwere Lasten tragen.

2 Kommentare:

  1. Jemand, der richtig gut Körpersprache lesen kann, könnte meinen, einer der Männer, nennen wir ihn 'Erich', führe etwas im Schilde gegen den mutmaßlichen Organisator des Ausflugs, nennen wir ihn 'Walter' (im Profil).

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  2. Van der Leyen
    all die anderen bekloppten Weiber, die eigentlich hinter den Herd gehören, die man aber auf die Politik losgelassen hat.
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    Harhar. Sagt ausgerechnet Schanette. Eingeräumt, manchmal hat sie aber lichte Momente.

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