Deutschland gärtnert wieder und das mit großem Vergnügen: Die Lebensmittel- und Preiskrise führt zu einer Rückbesinnung auf die eigene Scholle. |
Wir hatten früher immer Stiefmütterchen. Das klingt heute komplett verrückt, ich weiß. Stiefmütterchen nützen einem nichts, auch wenn manche sagen, man kann sie essen. Aber wird man satt davon? Im Leben nicht. Da müssten Sie die Dinger kiloweise essen! Und so viele standen dann auch wieder auf unserem Balkon, auf der Terrasse und hinter Haus in dem kleinen Garten, der wirklich sehr klein ist. Damit Sie sich das vorstellen können: Zwei Fahrräder hintereinander, dann haben Sie die komplette Breite. Vier Fahrräder hintereinander, das müsste ungefähr die Länge sein. Ich weiß es nicht genau, aber 30 Quadratmeter, das müsste passen.
Sogar mit Planschbecken
Wir hatten da einen Weg in der Mitte angelegt, gleich als wir hierher zogen. Und es gab eine kleine Sandkiste, für die Kinder, als die noch ganz klein waren. Sogar Platz für ein Planschbecken hatten wir damals, man glaubt es sich selbst heute kaum noch, aber wir haben die Fotos und es stimmt. Und was gab es für Spaß in dem kleinen Gärtchen. Jede Menge. Als die Kinder größer wurden, habe ich mit den Blumen angefangen. Stiefmütterchen vor allem, aber auch einen kleinen Rosenstrauch an der Mauer an der Seite. ich bin so ein Typ, mich erfreut die Farbe, ich finde es spannend, wenn das wächst und wenn es dann ausschlägt und bei man bei Rose miterlebt, wie sie den Winter überstanden hat.
Dass das alles ziemlich viel verschwendeter Raum ist, ganz abgesehen von den unendlich vielen Litern Wasser, die wir dort runtergeschleppt und auch schon mal vom Balkon hintenraus einfach runtergespritzt haben, wenn da immer Sommer alles zu einer Wüste Gobi zu verdorren drohte, will ich gar nicht reden. Das war eben so, damals, das haben alle so gemacht und oft bestimmt noch viel schlimmer. Größere Gärten. Noch mehr Blumen. Und weniger Nutzen, obwohl weniger als nichts geht ja nicht und bei uns war der Nutzen wirklich gleich Null, wenn man mal die Kalorien durchgezählt hätte, die wir aus dem Gärtchen geholt haben.
Spätrömische Dekadenz
Das waren Zeiten. Praller Wohlstand. Spätrömische Dekadenz. Bis wir dann natürlich auch umgedacht haben. Wussten Sie, dass eine Toilette überhaupt nicht riecht, wenn man nur noch jeden zweiten Tag die Spülung betätigt? Das reich vollkommen. Sie sparen nicht die Hälfte Wasser, sondern viel mehr, weil das eine Spülen alles mit einem Rutsch abtransportiert. Ein bisschen geht es aber auch um die Personenzahl im Haushalt und die Essgewohnheiten. Je mehr, desto öfter, das leuchtet ein, oder?
Aber ich war ja beim Garten. Den haben wir nach den Nachrichten um die gerissenen Lieferketten umzubauen begonnen. Der Rosenbusch blieb am Anfang noch, aber anstelle der Stiefmütterchen haben wir Hochbeete gezimmert. Wir hatten einfach so große Angst, dass bald alles teurer wird und sich die Armut von unten in die Gesellschaft hineinfrisst, ehe sie nach uns schnappt. Man hat das ja überall gehört und gelesen, die neue Armutsdebatte, wen erwischt es, wen zuerst, wen zuletzt? Kein Weizen mehr, kein Sonnenblumenöl. Und was denn nun?
Jetzt war Krieg
Ich hatte schon das Gefühl, dass sich fundamental von der Diskussion um die Finanzkrise unterschied, weil man damals wenigstens wusste, dass die Amerikaner mit ihren Spekulationen dahintersteckten. Jetzt aber der Krieg und alle reden von Atombomben und davon, dass auch die Gurken und die Tomaten bald ausgehen könnten. Aber was nützt es, das zu wissen, wenn man nichts dagegen tut? Ich habe also umgegraben, dann sind wir an einem Wochenende raus aufs Land, um Erde zu holen, guten dunklen Mutterboden. Wir hatten uns ausgerechnet, man findet da im Internet allerlei hilfreiche Tools, dass für uns zwei, die Kinder sind ja aus dem Haus, keine vier Hochbeete reichen, um genug Kartoffeln und Tomaten und Bohnen und Erdbeeren anzubauen.
Wir haben dann richtig dicke, feste Folie aus dem Gartebaucenter auf Balkon und Terrasse ausgelegt, doppelt sogar und bis auf Kniehöhe hochgezogen. Dann fing die Schlepperei an, wir sind bestimmt hundertmal gelaufen mit Erdsäcken. Aber es nützt ja nichts, wenn man auf die Welt schaut, Pandemie, Ukrainekrieg, Klimakrise, Urbanisierung: Die sich überlagernden Krisen und dazu steigende Preise machen genug Angst, dass es einen immer wieder die Treppen hochtreibt. Auch das 9-Euro-Ticket kann man nicht essen, habe ich immer gesagt.
Wir haben sogar Zucchini!
Eine Heidenarbeit jedenfalls, aber wenn ich heute rausschaue, dann hat sich das gelohnt. Die Tomaten kommen, die Bohnensträucher sehen gut aus. Jede Pflanze ein Schlag gegen Putin. Wir haben sogar Zucchini! Und Erdbeeren, obwohl da ein paar eingegangen sind. Auch die Kartoffeln sollen Entlastung bringen, bei dem Wetter jetzt rechnen wir mit drei Ernten. Das ist ist Grundsicherung und wenn alles klappt, wie wir gerechnet haben, können wir sogar einen Rest Kartoffeln zum Tauschen nehmen.
Die Nachbarn haben Stachelbeeren und Lauch, hinten der alleinlebende Bauer sogar einen richtigen Kirschenbaum. Das ist alles echter Inflationsschutz und es macht einem ein beruhigendes Gefühl, dass man bei ganz starken Preiserhöhungen sogar noch mehr sparen wird als jetzt. Deswegen sind wir nun noch lange nicht sorglos, keineswegs! Ich trauere auch den Stiefmütterchen nicht nach, oder doch ein bisschen. Aber es geht ja ums Überleben, da muss man sich den Problemen stellen, weil Rumjammern eigentlich gar nichts hilft.
Das ist alles super solange die Großfamilien von gegenüber nichts mitbekommen.
AntwortenLöschenDas neue Hobby das besten Weltrettervölkchens des Planeten war vorauszusehen, nachdem deren aktueller Agrarminister sich in weiser Selbstversorger-Voraussicht öffentlich mit seiner Balkonplantage bald legaler Heilkräuter gezeigt hatte.
AntwortenLöschenDa hat's beim weniger verdienenden Grünschnabel dann Klickediklack gemacht und er in seinem Apfelbuch nach Hinterhof-Hochbeten (bitte nicht mit Hochbetten verwechseln, in denen man selber liegt und keine Hanf- sondern Schüttelpalmen waxsen lässt) gesucht, um selber auch was preiswertes zu kiffen ... äh ... futtern zu haben.
Und sofort bestellte jede betuchte Grünin im noblen Bionadegürtel der Betonstadt den Gärtner ihres Vertrauens herbei, dass er ihren bisher nur nett anzuschauenden Lustgarten in eine produktive prächtig aufblühende Ackerfurche umpflügen möge, auf dass dort fortan sättigender Bauchgefühlgenuss hervor sprieße.
Wieviele m² wird so ein privater Schrebergarten-Gemüseanbau brauchen, um damit im kurzen Sommerhalbjahr mehr als 1 Kg Tomaten für Mamas Geburtstagssalat zu bekommen? Ein Paar Blumentöpfe am Küchenfenster der Etagenwohnung werden da außer selbstbetrügerischen Stolz auf den grünen Daumen einer zierlichen Kresseaufzucht nämlich nix bringen.
Aber der Schildbürgermichel lebt ja nun mal gerne in seinem illusorisch halluzinierten Schlaraffenlandidyll.
Nachdem er in seiner Laubenpieperparzelle erschöpft vom Unkrautjäten und der Schädlingsdbekämpfung wieder Hunger zu spüren bekommt, wird er in sein schickes neues Auto steigen und im nächsten Supermarkt jene 99,9Prozent Bakterien-Nahrung kaufen, die sein Miniatur-Bauerhof nicht hervor brachte.
Ja, die werden ihre Gürtel passend zur politisch korrekten Hirnkapazität enger schnallen müssen. Oder alternativ noch mehr Pampe fressen, wie es diesem so selbstlos engagierten Klimaschützervolk zusteht.
Der wiedererwachte Heilkraut-Piefke wird schon nicht verhungern, denn er hat ja Check 24 und Rückenwind in der Glotze. Was soll damit schon schief gehen?
Deutschland, ein Gartenteich mit grell lackierten Karpfen als Kois.