Samstag, 16. April 2022

HFC: Der Widerspenstigen Lähmung

Der Moment, als alles gut zu werden schien. Er war schnell vorrüber.

Es ist schlimm anzusehen. Und es bleibt schlimm bis zum Schluss. Ehe es dann doch noch schlimmer wird. Als das Spiel des Halleschen FC gegen den beinahe schon feststehenden Absteiger aus Havelse zu Ende ist, überschlagen sich die Ereignisse. 1:1 steht es, nicht deutet noch auf eine Wendung zum Positiven für den Gastgeber, als Trainer Andrè Meyer nicht mehr an sich halten kann. Nach einem Freistoßpfiff für die schwarzgekleideten Gäste reklamiert er laut und nachhaltig, selbst noch, als Schiedsrichter Patrick Glaser ihm die Gelbe Karte gezeigt hat. Der Spielleiter dreht schon ab, kehrt aber dann doch noch einmal zum zeternden halleschen Fußballehrer um. Nun gibt es Gelb-Rot, 90 Sekunden vor Spielende.

Bezeichnender Schlusspunkt

Ein bezeichnender Schlusspunkt in einer Begegnung, die alles vorzuweisen hatte, was das Zuschauen schon unter Meyers Vorgänger  Florian Schnorrenberg zuweilen schmerzhaft machte. Die langen Bälle, die Verzweiflung. Die Planlosigkeit und der konsequente Verzicht auf Abschlussversuche aus der zweiten Reihe. Das sichtliche Bemühen. Und die unübersehbare Unfähigkeit. Das bisschen Glück, als Elias Huth in der 24. Minute nach einer der wenigen Situationen, an deren Ende der Ball wirklich bis in den Fünfmeterraum gelangt, zum 1:0 trifft. Und die ausgleichende Gerechtigkeit, als die in der Tabelle abgeschlagenen Niedersachsen nach einem Freistoß treffen - in Person des ehemals in Halle aussortierten Fynn Arkenberg.

Dabei fängt alles ganz ansehnlich an. Der HFC, diesmal ohne den zuletzt mehr noch als die enttäuschenden Nebenleute enttäuschenden Louis Samson und dafür mit Zulechner ganz vorn neben Huth, dominiert die ersten 20 Minuten deutlich. Havelse wartet gebannt auf den erste Einschlag, Halle verordnet sich Geduld. Nur ja nicht wie im Hinspiel, mit der die Verwandlung des Aufstiegsaspiranten zum Abstiegsanwärter begann, in Konter laufen. Nur ja nicht überreißen, nur ja kein offenes Messer übersehen.

Duell der Abwehrspieler

Dass Jannes Vollert schon in dieser Phase der Rotweiße mit den meisten Ballkontakten, den meisten Pässen in die Spitze und der auffälligsten Präsenz auf dem Platz ist, verspricht allerdings nichts Gutes. Vollert ist Abwehrspieler, hinten rechts ist sein Platz. Muss er die Offensive ankurbeln, liegt etwas im Argen. Macht aber nichts. Als Huth jubelt, ist alles gut. Für die Kurve sieht das Spiel entschieden aus, nur noch zwei-, dreimal scharf nachwaschen und der Ligaverbleib ist so gut wie gesichert.

Sechs kurze Minuten lang. Dann kommt Arkenberg, Volelrts Pedant auf der anderen Seite, mit dem Hinterkopf an einen Damer-Freistoß. Und der große Traum vom nächsten entscheidenden Schritt zum Klassenerhalt löst sich im Jubelschrei der mitgereisten sieben Anhänger des TSV auf. Der Treffer ist Arkenbergs zweiter überhaupt in seinem 35. Drittligaspiel.

Jeder kämpft für sich allein

Er reicht, um den HFC bis in die bereits seit Wochen angegriffenen Grundfesten zu erschüttern. War es beim Auswärtsspiel in Duisburg zuletzt noch eine Überforderung, die sich darin zeigte, dass Meyers Spieler über den Platz liefen, als habe man vergessen ihnen mitzuteilen, dass die Partie bereits läuft, rennen sie diesmal umher als sei der Blick auf die Uhr wichtiger als der zum Mitspieler. Angeführt von Jan Löhmannsröben kämpft jeder für sich allein: Schreiber, Vollert, Landgraf und Nietfeld darum, keinen zweiten Gegentreffer zu kassieren. Die Mittelfeldachse dafür, den Ball in die Nähe des TSV-Strafraums zu bringen. Und die immerhin drei nominellen Stürmer Huth, Zulechner und Eberwein darum, ihn dann irgendwie aufs Tor zu lenken.

Bis zur Halbzeitpause passiert das nicht mehr. Anschließend wird es nicht besser. Niklas Kreuzer, sonst die Flankenverlässlichkeit in Person, hat keinen guten Tag. Und der HFC damit seine einzige regelmäßig funktionierende Waffe verloren. Was bleibt ist Gestocher, Geschiebe und Geköpfe, das zufällig zustandekommt. Selbst die Ecken, dank Kreuzer sonst wenigstens immer gut für einen Hoffnungsschimmer, erzeugen heute Gefahr in die falsche Richtung. Nach 94 Minuten werden vier HFC-Spieler mit Gelb verwarnt vom Platz gehen. Drei von ihnen, weil sie angesichts eines unvermittelt anstürmenden Gegners irgendwo im Mittelfeld die handfeste Notbremse ziehen mussten. Dreimal rettet Tim Schreiber trotzdem noch in höchster Not.

Es reicht einfach nicht

Das ist nicht schön, wenn auch spannend. Das droht jeden Augenblick umzukippen, tut es aber dann doch nicht. Auch gegen den Absteiger gelingt es dem Halleschen FC nicht, sich freizuschießen, sich von sich selbst zu überzeugen und zu beweisen, dass nicht der goldene Herbst des letzten Jahres, sondern die Zeit seitdem ein Unfall war. 

Es reicht einfach nicht. Nicht bei Julian Guttau und nicht bei Phillip Zulechner, nicht bei Michael Eberwein, der vom Rekordtorschützen der Liga im Rekordtempo zu einem der harmlosesten Stürmer aller Vereine wurde. Nicht bei Löhmannsröben, der sich anstrengt, aber alles selbst machen will. Und nicht bei Joscha Wosz, der aus der 1. Liga kam, um sich in der 3. mindestens für die 2. zu empfehlen. Aber nun hier unten im Unterbau des Profigeschäfts nicht mehr auffällt als seinerzeit Fynn Arkenberg.

Nerven liegen blank

Die vier Minuten Nachspielzeit, die Patrick Glaser gibt, mitten in die erste echte Druckphase der Hausherren, hätte es nicht mehr gebraucht, um das zu verdeutlichen. Immerhin aber bringen sie noch die Meyer-Situation, den platzenden Kragen des jungen HFC-Trainer angesichts einer belanglosen Freistoßentscheidung. Meyer schimpft und diskutiert, er macht eine Geste und beklagt die Ungerechtigkeit, die seiner Elf widerfährt. Was er eigentlich meint ist aber womöglich der Umstand, dass es im vierten Monat seiner Amtszeit nicht viel gibt,  was grundsätzlich besser geworden ist.

Am Dienstag im Nachholspiel gegen Osnabrück muss der HFC ohne seinen Übungsleiter auf der Bank auskommen.

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