Mittwoch, 9. März 2022

Werteverfall: Das hässliche Erbe der schönen Merkel-Welt

Werteverfall: Ein Blechmarke mit Merkelbild kostet nur noch zehn Euro, allerdings ist auch das ein reiner Fantasiepreis.

Einmal, ganz zufällig nur wenige Stunden nach Ausbruch des Krieges, tauchte sie noch einmal in den Nachrichten auf. Angela Merkel, mächtigste Frau der Welt im Ruhestand, war von einem Taschendieb im Supermarkt um ihren Geldbeutel erleichtert worden. Angela wer?  

Nicht einmal ein halbes Jahr nach dem Ende der längsten Dienstzeit, die je ein Bundeskanzlernder absolviert hat, ist die Ostdeutsche aus Hamburg davon abgesehen komplett von der Bildfläche verschwunden. Gerhard Schröder, ihr einzig noch lebender Vorgänger, macht Schlagzeilen. Angela Merkel macht Urlaub vom Amt. Alle Hilferufe, ihre Beziehungen zu Wladimir Putin zu nutzen, um den Waffengang noch zu verhindern oder die Offensive zu stoppen, hat die 67-Jährige ebenso unbeantwortet gelassen wie das Ansinnen ihrer Partei, den Ehrenvorsitz zu übernehmen. Merkel ist aus dem Amt geschieden, als sei sie aus dem Leben gegangen: Vom Gipfel der Macht in den Genuss der Unsichtbarkeit.

Unangenehmes Erbe

Zurückgeblieben ist ihr Erbe, vor einigen Monaten noch gerühmt als ein nahezu perfektes Gesamtkunstwerk aus Schaffendas, Atomausstieg, europäischem Zusammenwachsen und klugem Klimakult. "Vom Ende her gedacht" habe die Physikerin alles, so lobten die der ersten Frau im Kanzleramt inniglich verbundenen Medien immer wieder. Bei Merkel, die aus der Ferne betrachtet davon lebte, so lange nichts zu entscheiden, bis es unumgänglich wurde, das Gegenteil von dem zu tun, was bis dahin  getan worden war, habe es nie Entscheidungen gegeben, die nicht lange und gründlich durchdacht, auf ihre Auswirkungen geprüft und für gut befunden worden seien, so hieß es, ganz egal, ob Kernkraftwerke gerade ab- oder angeschaltet wurden, Grenzen geöffnet blieben oder geschlossen werden mussten.

Merkel machte alles richtig, sie führte das Land, ja, in der Fantasie ihrer Bewunderer zeitweise die gesamte "freie Welt" (Der Spiegel). Es verbot sich einfach, herumzumäkeln an den einer Frau, die letzten Fragen der Menschheit beantworten konnte und das gelegentlich sogar tat. Anlässlich der deutschen EU-Ratspräsidentenschaft, damals im Sommer 2020 ein Medienereignis von Mondlandungsdimensionen, verriet sie, wie Europa in Kürze neu gegründet, vom Kopf auf die Füße gestellt, wiederaufgebaut, umgebaut, klimamäßig ertüchtigt, mit neuen, alten Industrien ausgestattet, gerechter gemacht und durchgeimpft werden würde.Vor einem Jahr dann der letzte ganz große Auftritt, genau dort, wo sich Merkel immer zu Hause gefühlt hatte: Bei einer privaten Produktionsgesellschaft, die für den Gemeinsinnfunk Erklärvideos produziert, in denen garstige Fragen nicht vorgesehen sind, so dass Zeit bleibt, in aller Ruhe um alles herumzureden.

Das Ende der schönen Merkelwelt

Es fügte sich alles wunderbar in dieser Merkel-Welt mit Merkel-Medien, einer Merkelpartei und einer Merkel-Opposition, die mit der Ankunft der großen Pandemie emotional in die große Koalition eintrat. Merkel zeigte nach 16 Jahren im Amt "die klassischen Merkmale eines Menschen, der eine viel zu lange Phase in der Position großer Macht nicht verkraftet" hat: Umgeben von einem winzig kleinen Kreis an Vertrauten, fällte sie im Wissen darum, dass ihr niemand widersprechen kann, einsame Entscheidungen. Eilfertige Institutionen exekutierten die, auch wider besseren Wissen. Ein Korrektiv existierte nicht, wer von der Tribüne Einspruch einlegte, den holten sich die Prätorianertruppen in den Großraumschreibstuben.

Sie musste erst gegangen werden, damit das Schlachtfeld besichtigt werden kann, das sie hinterlassen hat. 16 Merkeljahre, eben noch die erfolgreichste Zeit, die Deutschland je hatte, haben ein Land produziert, das nicht nur verteidigungsunfähig ist, sondern auch energetisch tot, wenn der neue, alte Feind im Osten beschließt, seine Lieferungen einzustellen. Bei der Digitalisierung hängt Deutschland nach zahllosen staatlichen Förderprogrammen ganz hinten, dabei aber ist die gesamte Infrastruktur amerikanisch oder wenigstens chinesisch.

Muttis Abgang

Das stolze Land der Dichter, Denker und Ingenieure kann nichts mehr, jedenfalls nichts mehr selbst, ein Paradies für Stromhändler und Erdgasspotpreiszocker, das nach Muttis Abgang die Augen öffnen musste und nun glaubt, in einer völlig "neuen Welt" (Baerbock) erwacht zu sein und eine "Zeitenwende" (Scholz) zu erleben. Dass Merkel es schon richten wird, wie selbst die ehemals regierungskritische Taz der Kanzlerin im Machtrausch unisono mit dem Kuponschneidermagazin "Der Aktionär" wünschte, ist nun nicht mehr zu erwarten. Die Wirklichkeit ist gekommen, um zu bleiben, und als erstes hat sie alles alles in die Tonne getreten, was Angela Merkel und ihr über die Jahre hinweg zu einem überschaubaren Kreis im Elfenbeinturm zusammengeschnurrter Zirkel an Überlebensstrategien ausgedacht hatten.

Europa wird bevorzugt bedient und so an der langen Leine geführt, teuer, aber effektiv. Die EU darf regieren, wo man jemanden braucht, dem man die Verantwortung zuschieben kann. Das Klima wird gerettet, der Termin liegt aber ausreichend weit in der Zukunft, so dass man selbst keinen Ärger bekommt, wenn nicht. Und der Russe wird eingebunden und damit befriedet, der geplante Energieausstieg läuft parallel, was nur widersprüchlich aussieht, aber so einfach ist die Welt eben nicht.

Noch einmal mit Gefühl

Es war alles Quatsch. Es war alles weder durchdacht noch gar vom Ende her. Angela Merkel Talent bestand im Grunde daraus, wechselnde Wahlkampftaktiken als globale Jahrhundertpläne zu verkleiden, kleines Karo für den großen Auftritt und sobald etwas nicht so läuft, wie es erhofft wurde, wurden Probleme so lange mit mit Geld und guten Worten verbunden, dass jeder Meckerer irgendwann die Schnauze voll hatte mit Scheinen.

Dass sich die Realität eines Tages rächen würde, war absehbar. Die Geschwindigkeit, mit der das nun geschehen ist, überrascht allerdings doch. Merkel war es nun, die Deutschland zu "Putins Geisel" (Die Welt) gemacht hat, Merkel hat eine ordentliche Aufrüstung versäumt, ein ganzes Land in "Merkelstarre" (Dietmar Wischmeyer) versetzt und selbst die Hoffnungen des amerikanischen Präsidenten enttäuscht.

Viel muss nun mühsam von einem Anfang her gedacht werden, der nach dem Ende kommt, für das Merkel sich entschieden hatte. Die Schuldenbremse haben die Nachfolger mit einem coolen Taschenspielertrick schon für immer beerdigt, Schulden werden nun gemacht, um die Schuldenbremse einzuhalten. Als nächstes steht die Rückabwicklung der Rückabwicklung der Laufzeitverlängerung der letzten paar deutschen Kernkraftwerke auf dem Programm, begleitet vielleicht sogar von der Rückkehr der Wehrpflicht in einer aufgebohrten Bundeswehr mit gewissen Verteidigungsfähigkeiten. Der deutsche Hightech-Ausstieg steht zur Debatte, Fracking könnte ein Thema werden, das Tempolimit sowieso, die Elektrifizierung der Bundesbahn, ein Schrebergartenprogramm, damit sich die Ärmsten der Armen gesund und regional selbst versorgen können, wenn sich die Supermärkte leeren und die Preise weiter steigen.

Angela Merkel wird von der Seitenlinie aus zuschauen, wie ihr Erbe zuschanden geht. 17 staatliche Orden, 18 Ehrenprofessorentitel und 26 weitere hochrangige Auszeichnungen wie die Goldene Henne, den Eugen-Bolz.-Preis und die Lucius-D.-Clay-Medaille hat sie schon, die letzten verliehen im letzten Jahr an der macht. Mehr werden nun nicht mehr dazukommen.

3 Kommentare:

  1. Es sollte in Erwägung gezogen werden, daß Führer Olaf all die letzten Machtjahre immer Gewehr bei Hosenanzug stand, Olaf der Kleine Gernegroß also nichts weiter als die Fortsetzung der Merkel mit anderem Geschlecht ist.

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  2. Die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke hat unser glorreicher Klimaminister schon wieder einkassiert. Auch wenn Deutschland zufriert, wird kein Watt böser Atomstrom mehr produziert. Wie hat das auch unsere Kulturstaatsministerin so unnachahmlich formuliert: „Mit Verlaub, mit Atomenergie kann man im Winter nicht heizen. Man sollte uns auch nicht für blöder verkaufen, als wir im Schnitt sind!" Amen, dem ist nichts hinzuzufügen.

    Und ob die ganzen weiteren angedeuteten Kehrwenden kommen werden, muss man abwarten. Ich glaube nicht so recht daran. Dazu müsste dieser Krieg sich sehr lange hinziehen und Putin uns den Saft dauerhaft komplett abdrehen. Halte ich beides für nicht allzu wahrscheinlich.
    Wird man sehen.

    Es wurde zwar ein Fenster von der Realität in den Elfenbeinturm unserer Eliten hinein geöffnet. Diese Aussicht ist für diese aber nur garstig und nicht hübsch anzusehen.
    Solange es daher nur irgend möglich sein wird und noch ein Cent in der Kasse ist, wird dieses Fenster wieder zugezogen und verrammelt werden. Die Wirklichkeit müsste schon mit einem Rammbock den ganzen Turm zertrümmern um langfristig etwas zu bewirken.

    Die Abrechnungen mit Merkel sind bisher mehr als zahm. Ein bisschen "ich habe es schon immer gewusst" und ein wenig "das hätte man aber anders machen können". Richtig die Axt an die gute Frau zu legen, traut sich doch niemand. Das wird in Zukunft wohl auch nicht passieren. Wenn man dieses Tor öffnet, könnte das Volk ja auf die dumme Idee kommen und nachfragen, ob nicht außer Merkel noch jemand an dem aktuellen Schlamassel schuld sein könnte. Das kann doch niemand ernsthaft wollen.

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  3. das ist wohl so und bleibt auch so

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