Dienstag, 15. März 2022

Gesunkener Benzinpreis: Teuer war früher

In der DDR waren die Benzinpreise mehr als doppelt so hoch wie heute, aber sie waren stabil, egal, was es den Staat kostete.

Die Sanktionen gegen Russland greifen, wie sie sollen, doch vor allem in Deutschland steigen die Preise für Mobilität und warme Wohnungen und damit die Ungeduld, dass es "rasch" (DPA) vorbei sein möge. Der Konsens, dass Strafe auch dem Strafenden wehtun muss, bröckelt: Die Opposition fordert staatliches Eingreifen, die Linke verweist auf die Armen, Uneinsichtige auf Steuersenkungen in den Nachbarländern. 

Doch der Finanzminister steht zum Verzicht auf staatliche Eingriffe: Nur weil dem Bund durch die höheren Rohstoffpreise windfall Gewinne in Höhe von vier bis sieben Milliarden bis Jahresende winken, sei eine befristete Senkung der Mehrwertsteuer noch lange nicht drin. Denn was die Leute an der Tankstelle mehr ausgeben, würden sie anderswo an Ausgaben sparen, so dass dem Staat am Ende wie immer Einnahmen fehlen, ganz egal, wie hoch welche Steuern auch immer seien. "Wenn die Union eine so genannte Spritpreisbremse fordert, dann muss sie sagen, was sie im Haushalt kürzen will", sagte Lindner dem "Tagesspiegel", ehe er mit dem neuen Tankrabatt selbst einen verzwickten Vorschlag für eine neue Runde in der Entlastungsdiskussion vorlegte..

Schwacher Euro, hoher Benzinpreis

Geht nicht, gibt's nicht, aber erst recht nicht heute. Eine besonders gute Lösung für alle, so maßgeschneidert, dass SUV-Fahrer bestraft, Häuslebauer zur Dämmung motiviert, Arme begünstigt, der Mittelstand entlastet und die Fleißigen zufriedengestellt werden, braucht Zeit. Zeit, die die Bundesregierung durchaus hat. Lindner weiß, dass die Schmerzgrenze von Autofahrer*innen noch lange nicht erreicht ist. Historisch hat die Kombination aus abbröckelndem Eurowert - die Gemeinschaftswährung notiert derzeit nur noch zwei Prozent über dem Allzeittief nach dem Corona-Schock  - und gestiegenem Ölpreis Treibstoffe ebenso verteuert wie Heizenergie aller Art. Doch wer die vermeintlichen "Rekordpreise" (FR) wie die Süddeutsche Zeitung korrekt ins Verhältnis setzt zu den verfügbaren Einkommen, der findet Trost in der Geschichte. 

Auch bei Benzinpreisen um die zwei Euro pro Liter müsse ein Fahrer derzeit immer noch einen geringeren Anteil seines Einkommens für das Tanken aufwenden, als das vor zehn Jahren der Fall war, berichtet Gernot Sieg, Direktor des Instituts für Verkehrswissenschaft an der Universität Münster in der SZ. Tatsächlich sei der Benzinpreis zwar leicht gestiegen, von 1997 mit durchschnittlich 85 Cent pro Liter auf 1,54 Euro pro Liter auf nun 2,25 Euro. Doch im gleichen Zeitraum habe sich auch der durchschnittliche Nettolohn aller Arbeitnehmer von 1.334 Euro auf 2.088 Euro erhöht.

Zugewinn an Mobilitätswohlstand

Noch deutlicher wird der Zugewinn an Mobilitätswohlstand bei der Betrachtung der durchschnittlichen Bruttolöhne, die bis heute sogar auf fast 4.000 Euro kletterten, während Bahnfahrkarten durchweg schneller teurer wurden als Treibstoffe. Und noch einmal kräftiger profitierten Bürgerinnen und Bürger in Ostdeutschland: Deren Durchschnittseinkommen hatten Ende der 80er Jahre bei nur 1.300 DDR-Markt gelegen, in der Arbeiter- und Bauernrepublik aber kostete der Liter Mischbenzin 1,50 Mark. Der Monatslohn eines Durchschnittsarbeiters reichte damit nur für 866 Liter Benzin - heute dagegen kann sich der Gesamtdeutsche selbst nach den jüngsten Preisschocks volle 1.700 Liter leisten, beinahe die doppelte Menge.

Dazu kommt der technische Fortschritt. Ein "Trabant" benötigte sieben bis neun Liter Sprit, um sein Lehrgewicht und einen Fahrer hundert Kilometer weit zu befördern, der von der SZ zum Vergleich angeführte sparsamste VW Polo dagegen braucht nur noch etwas mehr als fünf Liter. Für eine jährliche Fahrleistung von 12.000 Kilometern werden so noch 600 Liter Sprit benötigt, nicht mehr knapp 1.000 wie im Sozialismus. 

Die DDR-Arbeiter*in musste für die angenommene Fahrstrecke von 12.000 Kilometern mit 1.500 Mark also etwa ein Zehntel seines Jahresgehalts ausgeben. Der Bezieher eines Durchschnittseinkommens heute hat nur nur 5,5 Prozent seines Gehalt aufzuwenden, wobei er zugleich viel weiter in eine Richtung fahren kann als es gewöhnlichen DDR-Bürger*innen erlaubt war.

Gejammer im Chor

Soweit ist es gekommen, und doch ist das Gejammer über hohe Spritpreise zu einem chorischen Werk geworden, als sei die sozialistische Schmerzgrenze, die die DDR bis zu ihrem letzten Tag nicht erreichte, infolge des winzigen Preispeaks an den Zapfsäulen längst überschritten. Dabei ist nach Ermittlungen des RND ausschließlich die Gewöhnung der Pkw-Fahrer an relativ niedrige Spritpreise dafür verantwortlich, dass die derzeitigen Preiserhöhungen als schmerzhaft empfunden werden. 

Typisch für eine Regierung samt Opposition, die sich wie in den Nachbarstaaten ausschließlich an Wünschen der Bürgerinnen und Bürger nach billiger Fossilenergie orientiert: Obwohl diese "Überdramatisierung" (SZ) der aktuellen Preisspitzen auf der Hand liegt, scheint eine breite Volksfront von Grünen über Linke, die AfD und die Union bis hin zur früheren Arbeiterpartei SPD nun entschlossen, die 30, 100 oder 400 Euro Mehrbelastung für einen durchschnittlichen deutschen Autofahrer, Heizer oder Wannenbader umgehend auszugleichen.

Kommt das Energiegeld wieder nicht?

Über den Weg ist man sich noch nicht einig. Wird das Energiegeld aus dem grünen Parteiprogramm auch diesmal nicht kommen? Gibt es einen Russenrabatt für Vielfahrer? Oder einen Solidaritätszuschlag für die Ärmsten der Armen, die sich die Bahncard 100 ohne Hilfe der Behörden einfach nicht vom Munde absparen können? Der Ausgang ist offen, das Ende der Benzinpreisdiskussionsorgien noch nicht absehbar. Womöglich kommt es erst, wenn die Bebilderungsfrage unlösbar wird, weil alle 20.000 deutschen Tankstellenpreisschilder bereits einmal gezeigt worden sind.

4 Kommentare:

  1. Wenn der Finanzminister wissen will, wo er das Geld für Steuersenkungen einsparen soll, kann er ja mal seinen Chef Olaf nachsehen lassen, ob im Zylinderhut mit den 100 Milliarden für die Bundeswehr noch mehr Geld steckt.

    AntwortenLöschen
  2. Wer sich 16 Jahre von einer FDJ-Sekretärin regieren läßt, sollte sich über Versorgungengpässe keine Gedanken mehr machen.

    AntwortenLöschen
  3. Entspannt Euch. Die Polit(selbstzensur) tun so, als ob sie täten. Was ein jeder von denen tut, oder seihert, ist völlig tutschämos / schlabberdababb.
    Die Entscheidungen, wie zum Beispiel auch über den ruhmlosen Abgang der Ostzone, wurden und werden woanders getroffen.

    AntwortenLöschen
  4. Lillian Moschen , das fröhliche Plappermaul aus Wien verkauft tagtäglich die "kultur" auf 3sat .

    es geht um die Ostzonennazis ( Verschissmuss und Kleinbürgertum irgendwie immer zusammen )

    jaja die Wendejahre und die "Faschos" ( Glatze reicht und wer die west sozis nicht mag kriegt eben eine 5 in Reli) .

    interessanterweise ist die ddr Realität kein Thema für die ard jetset-Linke

    AntwortenLöschen

Richtlinien für Lesermeinungen: Werte Nutzer, bitte beachten Sie bei ihren Einträgen stets die Maasregeln und die hier geltende Anettekette. Alle anderen Einträge werden nach den Vorgaben der aktuellen Meinungsfreiheitsschutzgesetze entschädigungslos gelöscht. Danke.