Donnerstag, 10. März 2022

Gemeinsam allein: Wirtschaftskrieg in der Komfortzone

In der Stunde der Bewährung ist immer ein bisschen Schwund: Jetzt trifft es mal die Armen, aber völlig zurecht.

Die "weiblichen Mitarbeiterinnen" bei der "Zeit" in Hamburg hatten frei, nur die männlichen Mitarbeiterinnen konnten dafür sorgen, dass alles soweit weiter lief wie gehabt, der Krieg im Osten, die beendete Diskussion um das Ende des Atomausstieges, die schwierige Suche nach einem Weg, russische Mig 29 aus Polen über die Grenze in die Ukraine zu bekommen, ohne dass der Putler es mitbekommt und deswegen gleich den Dritten Weltkrieg anfängt. Angst essen Seele auf, auch der Amerikaner wollte die Flieger dann nicht haben und am Weltuntergang schuld sein.

Gesicht zeigen, aber so, dass es niemand sieht

Klare Kante, Gesicht zeigen, aber so, dass es niemand sieht. In der Kunst des Gewaschenwerdens, ohne dabei nass zu werden, ist der Wertewesten nicht erst seit Kriegsausbruch Weltmeister. Doch seit jener "Zeitenwende" (Scholz), die eine ganz andere "neue Normalität" (Scholz)  hervorgebracht hat als nach dem Aufwachen in einer "neuen Welt" (Baerbock) zuvor vermutet, spielen Eigennutz und Anmaßung Tennis auf dem Schlachtfeld. 

Man muss, kann aber nicht. Man will, aber mit dem trauen ist das so eine Sache. Joe Biden, der als amerikanischer Präsident bisher das Kunststück fertiggebracht hat, in der größten Annäherung an den Dritten Weltkrieg seit 60 Jahren nahezu unsichtbar zu sein, hatte vor einigen Tagen noch angekündigt, dass die Verbündeten eine "gemeinsame Reaktion" auf Russland Überfall auf die Ukraine vorbereiteten. Ziel sei es nicht nur, Präsident Putin und die russische Wirtschaft mit "entschlossenen Sanktionen" (Baerbock) weiter unter Druck zu setzen. Sondern auch, mit einer geschlossenen Front der Verbündeten  zu zeigen, dass Putins "Spießgesellen" (Taz) keine Chance haben, die Welt zu entzweien.

Einsam, aber gemeinsam

Deutsche Moralbeamte sind zu allem entschlossen.
Das machen wir selber, so viel war schon Stunden nach Bidens letzter Gemeinsamkeitsankündigung klar. Ein schwerer Gang für den Präsidenten bis zum Mikrophon, dann aber war es raus: Die USA verhängen ein Importstopp für russisches Öl, das binnen 45 Tagen umgesetzt werden muss. Ab Ende April darf kein Tropfen aus Russland mehr in den Vereinigten Staaten angelandet werden. Großbritannien macht zumindest symbolisch mit: Ist Putins Feldzug ins Nachbarland bis dahin nicht beendet, wird die Brexit-Insel ab Jahresende kein Russenöl mehr nehmen.

Zwei einsame Entscheidungen, bei denen die EU applaudierend im Saal steht, blamiert bis auf die Knochen, aber zu allem entschlossen auf die übliche Art. Man wird mal gucken und dann mal sehen, man ist plötzlich ähnlich sicher, dass es höchste Zeit wird, etwas zu tun, wie damals, als schlagartig klar wurde, dass die europäische Maskenversorgung auf Zulieferungen aus Asien ruht und kürzlich, als aufgefallen war, dass Halbleiter kein Zuhause mehr auf dem ehemaligen Hightech-Kontinent haben.

Erstaunte Strategen

Nun ist es fossile Energie, die fehlt, und wieder ist die Division der Planer, Strategen und Wissenschaftler baff erstaunt: Gestern noch gab es das Thema Energiesicherheit gar nicht. Und heute ist es für jeden vorausschauenden Forscher, Experten und Politiker die wichtigste Sache überhaupt, von der man gar nicht schnell genug sagen kann, dass sie unbedingt gelöst werden muss, am besten sofort, mit einem großen Plan, der wenigstens sechs oder sieben Ziele zugleich erreicht. Am besten, ohne dass es einen selbst etwas kostet.

Auch das wird wieder klappen wie eine Tür, und Deutschland wird hinten ganz vorn dabei sein. Nur nicht jetzt, nur nicht heute, nicht gleich oder bald. Denn wie die USA aus reiner Notwendigkeit darauf verzichtet haben, die Einfuhr russischen Urans zu verbieten, weil das für den Weiterbetrieb der amerikanischen Kernkraftwerke gebraucht wird, konnte sich Deutschland im Moment nicht an der Fortsetzung des Wirtschaftskrieges gegen den Putler beteiligen, nachdem nur noch die Moralbeamten im Gemeinsinnfunk mit Verve rufen. Russisches Öl und russisches Gas, russische Steinkohle außerdem, sie werden gebraucht, um den deutschen Restwohlstand zu wahren. Wenigstens noch bis zum nächsten Winter, der derzeit von den Forschen der Leopoldina so warm geplant wird, dass es dann auch ohne den Russen gehen könnte.

Verzicht auf alles, was niemand braucht

Im Augenblick ist das nicht drin. Im Augenblick kann jeder nur auf das verzichten, was er nicht braucht. Die Polen hätten da die Migs im Angebot, die Amerikaner können sich mit Öl gut selbst verpflegen. Die Briten fahren ihre Bohrinseln in der Nordsee wieder an und Deutschland, ja, Deutschland rechnet nun mit spitzem Bleistift, wie sich russisches Gas durch russische Steinkohle substituieren lässt und was das für die mehrfach nachgeschärften Klimaziele bedeutet. 

Werden sich wieder Kinder auf die Straße kleben? Wie wird es die Industrie verkraften, bei Energiemangel heruntergefahren zu werden, wo sie doch zugleich gefordert sein wird, das ganze Land zu dämmen, mit einem Solardach zu decken und die Ostsee offshore zu erschließen?

Kein Ausstieg aus dem Ausstieg

Spannende Fragen, die Wirtschaftsminister Robert Habeck vorerst nur teilweise beantworten kann. Fakt ist, dass Deutschland dumm dasteht, weil die europäische Führungsnation wie die meisten europäischen Partnerstaaten bei der gemeinsamen Sanktionsanstrengung des Westens gegen die Geldquellen Wladimir Putins nicht mitmacht. Fakt ist aber auch, dass es keinen Sinn  hätte, auf einen Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Kernenergie zu setzen und die letzten drei Meiler weiterlaufen zu lassen. Nach der Abschaltung von 14 der ehemals 17 KKW trägt Atomstrom nur noch 13 Prozent zur Stromversorgung bei. Zuwenig, um das tödliche Risiko einzugehen, über eine Verlängerung nachzudenken.

Wenn 40 Prozent Öl, Gas und Kohle fehlen, dann fallen 13 Prozent fehlender Grundlaststrom kaum noch ins Gewicht. Viel wird sich nun mit Einsparungen machen lassen, weniger Grundhitze in Büros, weniger Scheinwerfer bei den Talkshows der öffentlich-rechtlichen Sender, abends mal ein Pullover und perspektivisch ein Umzug der Gesamtgesellschaft aus der Komfortzone des Lebens mit billiger Energie in eine Zukunft, in der eine R6-Batterie Zahlungsmittel und eine warme Dusche Luxusgut der Besserverdienenden sind. "Das wird Russland ruinieren", ist Annalena Baerbock sicher.

Verknappung schadet dem Russen und hilft dem Klima

Die Verknappung schadet dem Russen und sie hilft dem Klima und damit uns allen, die Geringverdiener und die Fleißigen eingeschlossen. Je höher die Energiepreise je schneller steigen, desto richtiger sind und werden sie. Einerseits zeigt sich so, wie klug es war, rechtzeitig mit dem Energieausstieg anzufangen. Andererseits offenbart die aktuelle Lage, dass noch längst nicht alles Gold ist, was nach dem Erreichen des Ziels von fünf Mark für den Liter Benzin aussieht. 

Wenn sie nicht mehr pendeln können, dann doch nur, weil sie den Umstieg auf ein Elektroauto verweigern. Eigentlich schade, aber auch gut so, denn wer sich nicht bewegt, trifft Putin am härtesten. Wieder alles richtig gemacht, im genau richtigen Moment die richtige Entscheidung, und das sogar, obwohl die halbe Bundesregierung ganz neu im Amt ist.

8 Kommentare:

  1. Leopoldina: Energiewende mit russischem Gas funktioniert nicht. Dann können wir das russische Gas auch weglassen, da funktioniert es eben ab jetzt ohne russisches Gas nicht.

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  2. Leitungen die durch die Ukraine fließen ( nico fried , Hilfsschüler )

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  3. Leopoldina

    >> Mögliche Lösungen wären demnach die Beschaffung von Flüssiggas, das Anlegen einer robusten Reserve an Energieträgern und den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur.

    Das ist doch dreimal gegen den wind gefurzt hintereinander. Starke Leistung der edelsten bayerischen Denker von Södolfs Gnaden.

    Die Wasserinfrastruktur ohne den Wasserstoff hilft gegen nichts. Da müssen sie als Grundlage den Import von russischen Gas, Erdöl und Steinkohle in Betracht ziehen, die für die Produktion von Wasserstoff benötigt werden. Oder man baut ein paar neue Kernkraftwerke.

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  4. Flüssiggas ist über Jahre per langfristiger Verträge ausverkauft, die Wasserstoffwirtschaft sollte jeder mit Physik-Grundkenntnissen als esoterisches Geschwurbel erkennen.

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  5. Carl GustafMärz 10, 2022

    Die Durchhalteparolen aus dem journalistischen Raum werden immer lauter. Die Medienpreise werden demnächst von Durchhalteorden abgelöst.

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  6. Schilda wurde feierlich in Berlin umbenannt.
    Ansonsten blieb aber alles beim Alten.

    Ratloshäuser ohne Fenster zur Außenwelt-Wahrnehmung und eine Energiepolitik, die Sonnenenergie per Lastenrad in Säcken und Kisten transportieren möchte, um Licht ins selbst gebastelte Dunkel zu bringen.

    Wer deutsche Freunde hat, der braucht keine Feinde, die sein Land zerstören.

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  7. Broder eben auf N23 : " greenpiece wird uns ein Leben wie in Nord Korea verordnen"

    stimmt .

    allerdings ohne Panzerparade und ohne Laibach-Konzert

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  8. (((Broder))) kann mich im Toches kuschen.

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