Zu wirklich hoher Staatskunst gehört es, keine gute Krise vorbeirauschen lassen, ohne sie als Gelegenheit zu sehen und zu nutzen, Dinge in Gesetze, regeln und Richtlinien zu gießen, von denen man immer schon geträumt hat. Mag auch eine Pandemie fürchterlich sein und ein Krieg ganz in der Nähe etwas ganz Schreckliches. Es ist doch Aufgabe von Institutionen wie der EU-Kommission, dem EU-Parlament und den nachgeordneten nationalen Regierungen, sich auch im Moment der größten Existenzangst, der Furcht vor Wohlstandsverlusten und der Gasknappheit nicht in Panik versetzen zu lassen. Es gilt, über den Tag hinauszuschauen. Es gilt, jetzt die großen Linien zu malen, die für kommenden Generationen wie Leitplanken sein werden, zwischen denen sie sich in bestem Treu und Glauben zu bewegen haben.
Entscheiden, wenn es niemand merkt
Als noch Fußball-Weltmeisterschaften im Sommer stattfanden, waren es stets die spannungsgeladenen die Augenblicke rund um die Schicksalsspiele der deutsche, Nationalmannschaft, die Gelegenheit boten, Pflöcke einzuschlagen, Steuern zu erhöhen und Sicherheitsgesetze zu verschärfen. Vom BKA-Gesetz über die Nachjustierung der Strafprozessordnung, von der Abschaffung der Reste des Bankgeheimnisses über die Erlaubnis zur Nutzung der Bundespaßbilddatenbanken durch gleich ein Dutzend Sicherheitsbehörden bis zur Einführung einer Obergrenze für Barzahlungen wurde im Schatten des Balls alles wegentschieden, was Teile der Bevölkerung hätte irritieren können, wäre erst lang und breit auf den Marktplätzen darüber getratscht worden.
Nun aber hat die Demokratur eine neue Entwicklungsstufe erreicht. Heute schon wird das EU-Parlament die Zügel noch ein wenig straffer ziehen und ein neues umfassendes Überwachungsregime für sogenannte Krypto-Währungen einführen, das Besitzer von Bitcoin, Ethereum, Cardano und einer der tausend anderen Digitalwährungen in der EU zu gläsernen Bürger*innen macht. Nach dem Mielke-Motto "Genossen, wir müssen alles wissen" sieht der Entwurf des Parlaments zur Verordnung über den Geldtransfer für Besitzer von behandelt Krypto-Währungen eine Nachweisgrenze von 1.000 Euro vor: Jedes Mal, wenn tausend oder mehr Euro von einer Wallet zum anderen geschickt wird, müssen Kryptobörsen die Transaktion an die Behörden melden.
Meldungspflicht für alle
Dazu braucht es keinen Geldwäscheverdacht, keinen Hinweis auf illegale Zwecke der Verwendung, nicht einem Anhaltspunkte für eine verdächtige Aktivität. Das neue Überwachungssystem ist allumfassend und zehnfach härter als bei gewöhnlichen Banküberweisungen, bei denen erst ab 10.000 Euro eine Meldung ans Finanzamt erfolgt. Künftig muss jede Bank alles melden, alle Transaktionen, alle daran Beteiligten, selbst die privaten Informationen von Nichtkunden, mit denen ein Kunde interagiert.
Dazu werden die Geldhäuser verpflichtet, vor einer Überweisung nicht nur die personenbezogenen Daten von Nutzern zu ermitteln, die keine Kunden sind. Sondern auch, zu verifizieren, wer hinter der womöglich anonym geführten Empfängeradresse eines self hosted wallet steckt. Unabhängig, wie hoch der übermittelte Betrag ist, wird zudem eine Meldung an die zuständige Aufsichtsbehörde fällig.
Ende der Zukunft in der EU
Wie Krypto-Dienstleister, die mit unhosted wallets arbeiten, dies sinnvoll umsetzen könnten, kann aktuell niemand erklären", teilte die Krypto-Börse Coinbase inzwischen mit. Das Ergebnis könne sein, "dass Unternehmen wirtschaftlich dazu gezwungen sind, Transaktionen mit unhosted wallets einzustellen". Die Zukunftsmusik, die Kryptowährungen mit ihren automatisierten smart contracts versprechen, verklingt, die Vorteile der Blockchain-Technologie lösen sich für den Fortschrittskontinent EUropa in einer vollständigen Auflösen der Privatsphäre auf.