Montag, 14. Februar 2022

Steinmeier: Comeback des alten, weißen Mannes

Walter Steinmeier, Naturkreide auf Hartholz geritzt, nachkaramellisiert. Ausführung: Kümram

Beinahe noch spannender als der Endlauf im fünfmal Skihochundrunter zwischen Schweden, Deutschland, Norwegen und einigen restrussischen Läufern bei den Olympischen Spielen in Peking verlief der große Wahlakt um die Laufzeitverlängerung des deutschen Bundespräsidenten Walter Steinmeier am "Vorabend eines europäischen Krieges " (ARD) in Berlin.  

Konsens aus dem Hinterzimmer

Nichts war dem Zufall überlassen worden, im Hinterzimmer konnten relativ schnell alle Meinungsverschiedenheiten zwischen den demokratiegestaltenden Parteien ausgeräumt werden - doch ein Restrisiko blieb: Würde die erforderliche "Mäßigung im Meinungsstreit" (Bärbel Bas) über die Distanz eines ganzen Wahlaktes halten? Würden die von links- und rechtsaußen in die Schlacht geworfenen Gegenkandidaten mit ausreichend großer Mehrheit in die Schranken gewiesen werden können? Und was schließlich würde der alte neue Mann nach seiner Wahl zu sagen haben?

Der Wahlsieger steht immer vorher fest, wenn Deutschlands Prominente ein neues Staatsoberhaupt wählen. Es ist die Demokratie, die immer wieder zuverlässig ihren "erwartbaren Ausgang" (Die Zeit) nimmt als würde ein neuer Verfassungsrichterer ernannt. Wer es wird, ist nicht nur der es werden sollte, sondern stets der einzige, der es werden konnte. "Nur das genaue Ergebnis ist noch unklar" (n-tv). Auch das aber gibt nach getaner Arbeit Anlass zu großer Freude: Seit mit Steinmeier zum ersten Mal ein aktiver Politiker einer Regierungspartei direkt aus einem hohen politischen Amt in das Amt des neutral agierenden, überparteilichen Präsidenten wechseln konnte, gilt das deutsche Staatsoberhaupt nicht mehr als Gegenpol zur Exekutive, sondern als ihr integraler Teil.

Eine Neuinterpretation der Rolle

Steinmeier schaffte es binnen von nur knapp fünf Jahren, die Erinnerung an Ruckreden, allzu störrische Amtsvorgänger und gefallene Hoffnungsträger rückstandslos zu tilgen. Der mit seinem Amtsantritt plötzlich parteilos gewordene erste Mann im Staat, von seinen Genossen weiterhin als SPD-Mitglied gefeiert, interpretierte seine Rolle als die eines Volkserziehers, der nicht den Mächtigen ins Gewissen redete wie Vorgänger Joachim Gauck und nicht an der Weisheit von deren Entscheidungen zweifelte. Sondern sein Amt begriff als das eines Lehrers, der notwendige und immer alternativlose Weichenstellungen, die oben getroffen wurden, unermüdlich noch besser nach unten zu erklären suchte.

Eine kapitale crowd im Löbe-Haus.
Er musste es wieder werden, erst recht "unter den erschwerten Bedingungen der Corona-Pandemie" (Bas), die weltweit zu einem Comeback der alten weißen Männer geführt hat. Der wohltuende status quo der zurückliegenden anderthalb Jahrzehnte, durch das Ausscheiden der Bundeskanzlerin aus dem Amt und ihrer Partei aus der Bundesregierung ohnehin gefährdet, vertrug keine Experimente, kein frisches Blut, keinen neuen Namen. Steinmeier, mit 66 Jahren der drittälteste aller Kandidaten, die jemals ins höchste Amt gewählt wurden, holte die notwendige absolute Mehrheit von 737 Stimmen dennoch oder gerade deswegen im ersten Anlauf, er übertraf sie um gut 300 Stimmen und ihm fehlten am Ende nur etwas mehr als 100 Delegiertenstimmen aus dem rot-grün-gelb-schwarzen Lager, das ihn nominiert hatte. 

Peinliche Panne umschifft

Walter Steinmeier ging genauso souverän mit diesem Dokument einer peinlichen Zuspitzung der gesellschaftlichen Spaltung um wie die Medien draußen im Lande, die sich das überwiegend maskenlose Event aufgrund einer Verfügung der Bundestagspräsidentin aus der sicheren Entfernung des Reichstagsgebäudes per Videoübertragung anschauen durften

Routiniert warnte der ehemalige SPD-Minister, Kanzleramtschef, Kanzlerkandidat, "handwerkliche schwache" (Uni Gießen) Dr. und NSA-Überwachungsverantwortliche wie schon in seiner ersten Antrittsrede vor fünf Jahren vor den Autokraten in aller Welt, er rief die Deutschen zur Verteidigung der Demokratie auf und er verdammte die Kriegsgelüste des russischen Präsidenten Wladimir Putin, von denen seit Wochen so viel in allen Gazetten steht. "Dafür trägt Russland die Verantwortung", stellte Steinmeier unmissverständlich klar.

Kampfansage an Gegner 

Eine nicht donnernde, aber starke Rede wie damals auch schon, eine Kampfansage an alle Feinde der Demokratie wie immer, ein Warnruf Richtung Moskau, wo Putin sicher die Ohren aufstellte und nun neu überlegt, ob er den Zeitplan zum Einmarsch in die Ukraine am Mittwoch noch halten will. Und der Russe ist nicht der einzige, der nun ins Grübeln kommt: Gegen ein Staatsoberhaupt, das von einer solche Woge an Zustimmung der Bevölkerung ins Amt getragen wurde, lässt sich schwerlich motzen und hetzen. Und Deutschlands Medien, am Videoscreen im Reichtstag kaum 300 Meter entfernt dank Bundestags TV so nah dabei wie die Bürgerinnen und Bürger draußen an den Empfängern überall im Land, lieben "so klare Schuldzuweisungen".

Respektvoller Ton

Da waren sie gleich, der "Mut, Zuversicht und ein respektvoller Ton im Umgang mit Andersdenkenden", die Bärbel Bas in ihrer Overture des großen Tages so eindrucksvoll angemahnt hatte. "Lassen wir uns nicht einreden, dass wir anstehende Probleme nicht lösen können", hatte die Siegerin der Nachwahlrunde auf dem Postenkarussell das große Merkel-Wort vom "Wir" und dem "schaffen das" nur leicht abgewandelt. Walter Steinmeier schlug den Bogen dorthin zurück, als er alle warnte, die daran zweifeln. Wer die Demokratie und damit den Glauben daran angreife, dass Rot, Grün, Gelb und Schwarz zu alldem und noch viel mehr in der Lage seien, "wird mich als Gegner haben"

Er hat wirklich nicht "zum" gesagt.



2 Kommentare:

  1. Warum es wieder keine Frau oder Transe oder PoC oder beliebige Mischungen. Das ist etwas enttäuschend.

    Man sollte die revolutionären Porträtmalereien den kunstliebenden Arbeitern und Bauern als NFTs zum Erwerb anbieten.

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  2. Als Gegner ist Steinmeier unter meiner Würde, nicht satisfaktionsfähig.

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