Nächste Mutante: Heilsame Wunden für ein verletztes Land

Wer heute nur niest und Halsschmerzen hat, geht immer von einer bloßen Erkältung aus.

Kommt Delta zurück? Wird es eine neue, noch gefährlichere Omikron-Variante geben? Was ist mit Germanos, jener geheimnisvollen Mutante, die nur Deutschland und Österreich befallen hat und bis heute fest im Klammergriff hält? Seit Monaten arbeitet sich das Coronavirus "einmal quer durch das griechische Alphabet" (Die Welt), ohne dass in den zurückliegenden zwölf Wochen eine neue Variante dazugekommen ist. 

Nach dem "Wildtyp" Alpha, die anfangs noch aus Großbritannien kam, ehe sie einen griechischen Namen bekam, um Vorurteile gegen bestimmte Nationen nicht weiter zu schüren, folgte Beta aus Südafrika, dann Gamma aus Brasilien, aber erst Delta, ehemals "die indische Mutante", machte der Welt wirklich zu schaffen.  

 Deutsche Immunreaktionen

Ehe Omikron kam und so unterschiedliche Immunreaktionen auslöste wie noch keine hochansteckende und deutlich ansteckendere Variante zuvor: Omikron veranlasste nach und nach alle Deutschland benachbarten Hochrisikogebiete, ihre Corona-Schutzmaßnahmen zu beenden. Im Mutterland von Team Sicherheit aber begannen Spekulationen darüber, wie man sich auf künftig vielleicht kommende neue Corona-Stämme wenigstens so gut vorbereiten könne, wie man seinerzeit auf die Ankunft des Erregers aus Wuhan vorbereitet war.

Wird das neue BA.2 es schaffen, Omikron bis zur Verabschiedung einer allgemeinen Impfpflicht zu verlängern? Oder kommt eine neue Super-Mutation, die "Horror-Vorstellung in Sachen Corona" (Focus), hochansteckend wie Omikron und tödlich wie Delta? Im ersten Anlauf hat Deltakron die Erwartungen nicht erfüllt. Aber so lange tatsächlich hohe Ansteckungszahlen sich zu milden Krankheitsverläufen gesellen und sich die Intensivbettenbelegung so gegenläufig zu den Inzidenzen bewegt, dass sie in der "Tagesschau" gar nicht mehr erwähnt werden kann, muss der virtuelle Schrecken eine womöglich drohenden Übels für die infektiöse Wachsamkeit sorgen, die selbst die WHO schon wieder vermissen lässt.

Sorglose WHO, hellwaches Pandemiedeutschland

Im 24. Pandemiemonat ist es endlich soweit gewesen. War Covid-19 bis hierhin eine Infektion, die nur vier Ausprägungen kannte - infiziert, Krankenhaus, Intensivstation, tot - bricht das frühere Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" ein Tabu: "Wie kuriere ich Covid-19 zu Hause aus?" nimmt sich derer an, die bisher auf der Schattenseite der Seuche standen. Menschen, zum Teil geimpft, geboostert, genesen und mit gewaschenen Händen, die sich infiziert haben, vom Tag der Meldung beim Gesundheitsamt aber nicht nur von Vater Staat und dem Gesundheitswesen , sondern auch von den Medien komplett ignoriert wurden, weil sie nicht schwer genug für einen Krankenhausaufenthalt, die Intensivstation oder gar die Todesstatistik erkrankten.

Covid-19 war in der Geschichte der Medizin die erste und einzige Volkserkrankung, die in der überwiegenden zahl der Fälle überhaupt nicht behandelt wurde. Was früher bei jedem grippalen Infekt gang und gäbe war, ein Hausarztbesuch, der mit Krankenschein, Nasentropfen, Hustensaft und der Empfehlung endete, im Bett zu bleiben und viel zu trinken, fiel bei der größten Seuche seit der Pest einfach aus. Kein Arzt verschrieb Medikamente zur Linderung der Symptome. Kein Gesundheitsamt erfasste Daten über die Schwere der Erkrankung, über Verläufe, Verlaufsformen oder statistische Daten über Unterschiede im Krankheitserleben. Keine Zeitung, kein Magazin, keine Fernsehsendung empfahl Hausmittel bei leichteren Verläufen.  

Comeback der Eigenverantwortung

Eigenverantwortung war gefragt, nur wurde das lange nirgendwo gesagt. Das Wort war verpönt, eine Worthülse aus dem Waffenarsenal der Liberalfaschisten, das von den hasserfahrenen Machern der sprach- und medienkritischen floskelwolke.de zur "Floskel des Jahres 2021 gekürt" werden musste, weil es niemals Staatspolitik werden darf.  Deutschland wartet stattdessen auf die Impfpflicht, um sich einzureihen in die Riege der Staaten, deren Regierungen es sich zur Aufgabe gemacht haben, für ihre Bürgerinnen und Bürger zu denken. Tadshikistan, Turmenistan, Ecuador und Indonesien, aber auch der absolutistisch regierte Vatikan schreiten vorn, Österreich und Deutschland marschieren hinterher, denn Germanos, die Corona-Mutante, die am deutschen Angstgen andockt, zwingt dazu.

Im März schon tritt die erste Stufe der Pflichtimpfung für das Personal im Gesundheitsbereich in Kraft, allerdings werden Ungeimpfte vorerst auch nach dem Stichtag weiterarbeiten dürfen, weil der Gesetzgeber bisher vergessen hat, Richtlinien dazu zu erlassen, wer wann weshalb entlassen werden darf. Die Gesundheitsämter sind mit der Kontrolle schon vorab überfordert, die Bundeswehr aber steht diesmal selbst im Felde, um den von Putin geplanten Dritten Weltkrieg zu verhindern. 

Hoffnung auf den Herbst

So wird die "einrichtungsbezogene Impfpflicht" natürlich nicht verschoben, aber eingeführt, ohne durchgeführt zu werden. Im Herbst, wenn die erste neue Variante seit Omikron kommt, über die niemand noch nichts weiß und gegen die es noch nirgendwo keinen Impfstoff gibt, der nicht so gut wirkt, dass er zumindest schwerererere Fälle wirksam verhindert, ehe sie auf der Intensivstation sterben, wird die Impffront aber stehen. Bestimmt ohne Impfregister. Aber vom Gefühl her eine heilsame Wunde für ein verletztes Land.