Dienstag, 11. Januar 2022

Tod des EU-Parlamentspräsidenten: Der EUnbemerkte

Von deutschen Medien wurde David Sassoli während seiner gesamten Amtszeit ignoriert.

Selbst als er seinen allerletzten Kampf begann, nahm niemand überhaupt Notiz davon. Anfang Dezember bereits wurde EU-Parlamentspräsident David Sassoli ins Krankenhaus eingeliefert, nicht zum ersten Mal. Und nicht zum ersten Mal erfuhren die Wählerinnen und Wähler in Deutschland nichts darüber. Wie als wären sie selbst erstaunt davon, vermeldeten deutsche Medien den Krankenhausaufenthalt des Chefs des größten wenigstens halbdemokratisch gewählten Parlaments der Welt erst, als es zu spät für Genesungswünsche und Gebete war: Plötzlich und unerwartet war der italienische Sozialdemokrat im Alter von nur 65 Jahren verstorben, stiller noch als er in den zweieinhalb Jahren seiner Amtszeit an der Spitze des EU-Parlaments regiert hatte.

Martin Schulz war noch so wichtig

Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht verglichen mit den Tagen, in denen der deutsche Sozialdemokrat Martin Schulz das Amt des Frühstücksdirektors in Brüssel ausfüllte. Damals, viele ältere EU-Anhänger erinnern sich mit großer Freude, galt der EU-Parlamentspräsidentenposten als eine Art Nebenregierungschef. Schulz dampfte in allen Gassen, er gab sich selbst Interviews, seine Auftritte atmeten den schweren Duft höchster Bedeutsamkeit.  

Beinahe hätte Schulz den Brexit verhindert, beinahe auch den Aufstieg der europafeindlichen, rechtspopulistischen Parteien in ganz Europa. Seine  Warnungen wurden stets zu Schlagzeilen, seine Absagen an offenen Nationalismus machten Millionen nachdenklich und wenn der frühere Würselenser Bürgermeister bei Twitter seinen legendären Terror-Tweet absetzte, wusste der ganze Kontinent, dass der frühere Beinahe-Fußball-Profi "geschockt und wütend über Nachrichten" war, die von einem "feiger Anschlag auf unsere Werte!" berichtet hatten.

Der EU-Parlamentspräsident als Wegweiser

Schulzens Gedanken waren dann immer "bei Opfern und Angehörigen" und jeder hatte die Pflicht, das zu erfahren, denn was der EU-Chefparlamentarier dachte und fühlte, ersann und sagte, war wegweisend. Zumindest, bis sich auch im Hinterzimmer kein Weg fand, Schulz' Amtszeit zu verlängern. Mit dem Nachfolger Antonio Tajani war schlagartig kein Deutscher mehr unter den Opfern. Das Interesse der Medien am EU-Parlamentspräsidententum erlosch wie eine Kerzenflamme im Klimaorkan. Von einem Tag auf den anderen brach ein Grundpfeiler des EUropäertums weg. Was Tajani sagte, tat, fühlte und plante, blieb seinen deutschen Wahlbürgerinnen verschlossen wie die Geheimnisse der italienischen, spanischen und griechischen Innenpolitik dem Litauer, Polen oder Sachsen.

Auch Sassoli, der seinen Landsmann 2019 in einem wenig beobachteten Amtsakt ablöste, weil die innereuropäische Statik einen ausgleichenden Italiener zwischen Frankreich und Deutschland erforderte, konnte das Heft nicht wenden. Als gäbe es den EU-Parlamentspräsidenten überhaupt nicht, übergingen deutsche Leitmedien die Weiterexistenz des unter Martin Schulz noch so bedeutungsvollen Amtes. David Sassoli konnte twittern und machen, er konnte innere Bereicherung empfehlen und die richtigen Wege zeigen. Nicht einmal 170.000 von 440 Millionen EUropäern wollte ihm folgen.

Boykott im Namen der Nation

Der frühe Tod des engagierten Italieners ist denn auch ein doppelter Schock. Nicht nur, dass frühere Mitarbeiter des italienischen Gemeinsinnfunks in Deutschland medial nicht fehlen wird, nein, sein stilles Leiden an der deutschen Ignoranz und sein Tod, der viele Mediennutzer im Kernland der europäischen Demokratie erstaunt innehalten und denken lässt "wer war das?" wirft auch ein trübes Licht auf den Nationalismus, der selbst den fortschrittlichsten, aufgeklärtesten und neuen, diversen Ideen gegenüber aufgeschlossensten Medienhäusern tief in den alten preußischen Knochen sitzt. 

David Sassoli, das zeigen aufbereitete Statistiken zum Umgang deutscher Medien mit dem bedEUtsamen Posten in Brüssel nach dem Abschied des deutschen Amtsinhabers Martin Schulz, wurde wie sein Vorgänger Tajani weitgehend ignoriert, seine Wortmeldungen wurden totgeschwiegen, sein Amt boykottiert. Das zeigt, wie weit der Weg noch ist, auf den der nun zu wählende Nachfolger*in die Menschen in der EU, vor allem aber die deutschen Medien führen muss. Dort gilt bislang noch unumschränkt der sechste Satz der Mediendynamik: Sind Deutsche unter den Opfern? Unter den Tätern? Oder ist das alles nicht wichtig?

Wer eine andere Sprache spricht, kulturell einen anderen Hintergrund hat und nicht in das Erwartungsraster einer Nation passt, die bis heute insgeheim von der Umsetzung des Hades-Planes und deutscher Dominanz träumt.


2 Kommentare:

  1. >den schrecklichen Verlust eines großen Europäers und stolzen Italieners

    >herausragenden Präsidenten des Europäischen Parlaments

    >aufrichtigen und leidenschaftlichen Europäer

    >Europa hat einen Anführer verloren

    >die Demokratie hat einen Vorkämpfer verloren

    Das mit der Demokratievorkämpferei war in einem demokratiefernen Pseudoparlament sicher die größte Herausforderung. Wie schade, dass es mit der Demokratie nun wieder nichts wurde.

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  2. Nach anderen Informationen ist Sassoli wegen einer plötzlichen Funktionsstörung des Immunsystems gestorben. Natürlich war er vollständig geimpft, wahrscheinlich sogar geboostert. Daß aber mit jeder Impfung das Immunsystem geschwächt wird, ergibt sich aus der Zunahme der Fallzahlen in allen Ländern mit hoher Impfquote. Ein Politiker kann das aber nicht erkennen, denn er ist taub für alles, was dem heiligen Coronaregime zuwiderläuft.

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