Sofort ist nicht gleich, aber auch nicht nach berühmten hundert Tagen, von denen noch im grünen Wahlprogramm die Rede war. Beinahe so lange brauchte der neue Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck schon, um sich ein verheerendes Bild von der Lage zu machen. Alles im Eimer. Nichts läuft, wie es soll, der Ausbau der "Erneuerbaren" (Baerbock) stockt und der Anderthalb-Prozent-Pfad zum Klimarettung, auf den sich Deutschland vor mittlerweile sieben Jahren begeben hatte, er ist im Unterholz unzähliger Förderregeln, Subventionen, Verbote und Vorgaben kaum mehr zu sehen.
Auf Heller und Pfennig
Außer dort, wo Strom, Gas und Öl verbraucht werden. Hier zeigen sich die Auswirkungen der deutschen Rettungsbemühungen für das globale Klima in Heller und Pfennig. Beim Strompreisweltrekordler sind jetzt auch Erdgas, Benzin und Diesel so teuer wie beinahe nirgendwo sonst. Wer noch heizen will, muss es sich leisten können. Im politischen Berlin bibbern sie schon, dass nur ja kein besonders kalter Winter kommen möge wie im vergangenen Jahr, auf dass kasachische Verhältnisse sich nicht auch noch auf das Bundesspaziergangsgeschehen stapeln.
Bei seiner ersten großen strategischen Pressekonferenz als Superminister für alle Zukunftsangelegenheiten wirkte der bisher wie sein Kanzler Olaf Scholz weitgehend unsichtbare Robert Habeck gediegen besorgt ob der multiplen Bedrohung der deutschen Klimaziele. Bereits direkt nach der Bundestagswahl hatte die Grünen-Spitze ihren Funktionären zwar ein Ende der Forderungen nach einer schnelleren Steigerung der CO2-Abgabe verordnet. Doch die pünktlich zu Winterbeginn ausbrechende Energiekrise mit reihenweise insolventen Versorgern, gekündigten Verträgen und explodierenden Strompreisen nahm keine Rücksicht auf die ehrgeizigen Klimapläne der neuen Bundesregierung.
Kein CO2-Preis mit Lenkungswirkung
Im August vor der Wahl hatte eine Megawattstunde Strom gerade mal 82,70 Euro gekostet, im Wahlmonat September waren es 128,37 Euro gewesen. Mit Beginn der Koalitionsverhandlungen aber geriet dann alles aus dem Ruder: Während Faktenchecker noch nachwiesen, dass einer Umsetzung der Energiesteuern keineswegs irgendetwas im Wege stehe, weil Strom, Gas und Benzin in der Geschichte der Menschheit durchaus auch schon mal teurer gewesen seien, schreckte selbst der aktivistische Erhöhungsflügel vor der Möglichkeit zurück, das globale Klima zu schonen, indem der von Spitzenkandidatin Annalena Baerbock im Wahlkampf versprochene "CO₂-Preis mit echter klimapolitischer Lenkungswirkung" schnell auf 60 und anschließend flott weiter auf 80 und 120 Euro pro Tonne erhöht wird.
Es brauchte kein staatliches Eingreifen. Bereits im Oktobersteig der Preis für eine Megawattstunde Strom auf 139,49 Euro, im November 2021 kletterte er über die Marke von 175 Euro und im Dezember gelang schon der Sprung über 400 Euro je Megawattstunde. Eine Verfünffachung zum Sommer und eine Verdreifachung immer noch nach dem Rückgang der Preise auf nunmehr 250 Euro je Megawattstunde. Für Stromkunden im Land sind das schlechte Nachrichten, denn hält das Preisniveau, verteuert sich Elektroenergie in der nächsten Preisrunde kräftig: Der aktuelle Strompreis von knapp 32 Cent setzte sich zwar zu etwas mehr als der Hälfte aus staatlichen Abgaben, Steuern und Umlagen zusammen. Der Rest aber hängt am Einkauf - und wenn der dreimal so teuer ist, wird es am anderen Ende ebenfalls dreimal teurer.
Teurer Strom macht Angst
Robert Habeck hat dazu kein Wort verloren. Was hätte er auch sagen sollen. Rein rechnerisch sind Strompreise von 60 bis 80 Cent pro Kilowattstunde vorstellbar, politisch aber sind Stromrechnungen von 2.000 oder 3.000 Euro für einen Durchschnittshaushalt, wie sie den Deutschen demnächst ins Haus flattern werden, nicht durchzusetzen. Schon gar nicht, während gleichzeitig das ganze Land in einem hektischen Manöver ohne Plan auf elektrischen Betrieb umgestellt wird.
Das Dilemma des Superministers: Es fehlt Robert Habeck jeder Hebel, die absehbare Katastrophe abzuwenden. Der Versuch der Vorgängerregierung, mit der Senkung der EEG-Umlage ein wenig Druck aus Strompreiskessel zu nehmen, ist episch gescheitert. Die drei Cent atmete der Markt einfach weg. Und alles, was Habeck nun mit dem Schlachtruf "massives Tempo" (Habeck) als "Klima-Sofortprogramm" verkündete, spielt sich in einer fernen Zukunft ab, so schnell der scheidende Grünen-Chef auch zusätzliche Flächen für die Windkraft finden, ganz viel "grünen" Wasserstoff produzieren und Solaranlagen auf allen Dächern aufstellen lassen will.
Es dauert alles viel länger
Das dauert alles, es dauert viel lange und je länger es dauert, desto absurder wird der Plan. Bei Strompreisen von oberhalb 45 Cent sind E-Mobile im Betrieb teurer als traditionell angetriebene Fahrzeuge. Bei Strompreisen in diesen Regionen entfernt sich aber auch wage Möglichkeit von der ökonomischen Umsetzbarkeit, in Hochzeiten von Wind und Sonne mit überzähligem Strom Wasserstoff herzustellen, um ihn später als Erdgasersatz einsetzen zu können. Windräder werden zwar lukrativer, doch werden sie lukrativ genug, Anwohner per Gesetz wirksam zu einer Duldung verpflichten zu können, die gerichtsfest ist?
Absage an "individuelle Betroffenheiten"
Robert Habeck möchte das, was bleibt ihm auch sonst. Doch wer das weitreichende Klimaurteil des Bundesverfassungsgerichtes für seine kühne Ausdehnung der staatlichen Verpflichtung gelobt hat, die Grundrechte auf Leben, Gesundheit, Existenzminimum und Eigentum auch aller zukünftigen Generationen sichern zu müssen, kommt nicht umhin, anzuerkennen, dass das bahnbrechende Urteil ein Ausspielen der mutmaßlichen Interessen kommender Generationen gegen die der derzeit lebenden untersagt.
Können die einen vor Gericht ziehen, um das Weltklimaziel in 30 Jahren festzurren zu lassen, muss es den anderen gestattet bleiben, den Abstand eines summenden, brummenden Windreaktors auf dem Feld neben ihrem Haus gerichtlich überprüfen lassen zu können. Dass "individuelle Betroffenheiten dem Ausbau der Windenergie nicht länger im Wege stehen" dürfen, wie Habeck es sich wünscht, wäre sicher hilfreich für das große Ziel. Für ein Gemeinwesen aber, dessen Regierungen, Behörden und Gerichte gerade in der Corona-Pandemie mit allem Nachdruck zeigen, wie sehr ihr der Schutz individueller Betroffenheiten selbst gegen den Widerstand der Betroffenen am Herzen liegt, scheint ein solcher Kurswechsel wenig praktikabel.
Der Superminister, angetreten als Robert-Riese, der die Fehler der zögerlichen, entscheidungsscheuen und klimapolitisch verantwortungslosen Vorgänger keinesfalls wiederholen wird, findet sich so schon nach einem Monat im Amt gefesselt wie Gulliver wieder. Er würde gern, aber weiß nicht was. Er hätte gern, kann aber nicht. Es soll und wehrt sich. Er tut und macht also irgendwie. Weiß aber, dass es dauern wird. Das große "Sofort", das versprochen war, verwandelt sich im wahren Leben in ein Irgendwannvielleichtwirhoffendasbeste.
Philosophische Versprechen
Robert Habeck, von Beruf Philosoph, hat vorgesorgt. Wie sein Kanzler Olaf Scholz setzt er nicht nur auf möglichst wage Versprechungen mit wolkigen Prozentzielen in einer fernen, fernen Zukunft. Sondern auch auf fluide Messzeiträume, die bis zurück reichen in die Ära der Klimakanzlerin, von der nun allmählich auch die treuesten Merkel-Medien herausfinden, dass sie wohl gar keine war. Man starte "nicht von der Ziellinie", hat er die Republik mit einem rätselhaften Satz von großer Interpretationsbreite wissen lassen, und man sei "gehörig im Rückstand" hieß es weiter. Dreimal besser müsse man werden und in allen Anstrengungen "schneller, effizienter und konsequenter". Drei Adjektive wie aus dem Lostopf
So schnell werden grüne Blütenträume vom reibungslosen EEG-Reibach bis Ultimo innerhalb von Wochen plattgemacht. Schönes Beispiel, wie schnell das 'Große Ganze', das Politiker bekanntlich als einzige zu sehen vermögen, besagte Poltitschranzen in den Hinter kneift.
AntwortenLöschenman wird nun ja nachschärfen. also noch ist nichts verloren, wir können neue, härtere klimaziele auf jeden fall noch erreichen
AntwortenLöschenWarum wagt sich der Philosoph Habeck auf das ihm unvertraute Glatteis der Natur- und Technikwissenschaften und bleibt nicht auf dem Feld, auf dem er bisher dilettiert hat, dort könnte er im Rahmen seiner Verstandsfähigkeiten leicht fündig werden, z. B bei Hegel:
AntwortenLöschen„Die Wärme ist das Sichwiederherstellen der Materie in ihre Formlosigkeit, ihre Flüssigkeit, der Triumph ihrer abstrakten Homogeneität über die spezifischen Bestimmtheiten; ihre abstrakte, nur an sich seiende Kontinuität als Negation der Negation ist hier als Aktivität gesetzt. Formell, d.i. in Beziehung auf Raumbestimmung überhaupt, erscheint die Wärme daher als ausdehnend, als aufhebend die Beschränkung, welche das Spezifizieren des gleichgültigen Einnehmens des Raums ist.“
So, Habeck, geht Energiepolitik und –erzeugung. Daß Hegel hier von Wärme spricht, dürfte für das Verstehen dieser grundlegenden Einsichten zur Energie als Kontinuität der Negation der Negation der Aktivität und Sichwiederherstellen der Materie nicht allzu schwierig sein. Falls doch, Annalena erklärt es dir gerne. Betrachte also, Habeck, einfach die Energie als Aufhebung der Beschränkung des Raumes durch sein gleichgültiges Einnehmen. Merke, Energie ist formlos in ihrer abstrakten Homogenität, d. h. sie ist all überall und braucht nicht erst erzeugt werden. Wenn du, Habeck, das beherzt und hinter die Ohren schreibst, kannst du auf Windräder und Photovoltaik verzichten und ruhig darauf warten, daß alle scheinbaren Energieprobleme sich in nichts auflösen und du als wahrer Philosoph der Energie und eigentlicher Versteher Hegels in die Geschichte eingehst. Du hast dann frei nach Marx die Philosophie vom Kopf auf die Füße gestellt und mehr verstanden, als alle bisherigen Adepten der sakralen Worte Hegels.