Freitag, 31. Dezember 2021
2021: Das Gestern als gelobtes Land
Der Streit zwischen versteinerten Gesellschaftsformationen erlebte im Jahr 2021 ein formidables Comeback. |
Fast so schlimm war es noch nie wie in diesem Jahr 2021, das auf die ersten zwölf Monate im Zeichen des großen C folgte. Was im ersten Anlauf wie ein Ausrutscher schien, ein Notstandsregime, geführt von einer Kanzlerin, die von der Furcht vor dem Unbekannten getrieben aus der kompletten Unsichtbarkeit agierte, wurde zu einer gewohnten Regierungsform. Expertengremien, Krisenkabinette und informelle Land-Bund-Runden agierten, nie war das, was war, irgendwer gewesen, nie war irgendetwas falsch oder wenigstens nicht richtig, übertrieben oder rechtswidrig. Wer rechtzeitig vorsorgt, der kann sich darauf verlassen, dass er auch von den höchsten Richtern nichts zu fürchten hat.
Die Grundfesten der Selbstgewissheit
2021 war das Jahr, in dem die alte, graue Bundesrepublik mit ihren verschiedenen Gewalten, den demokratischen Ritualen, dem Parteienstreit bis aufs Messer und den unablässig an den Grundfesten der Selbstgewissheit der Regierenden schabenden, kratzenden und sägenden Medien endgültig verschwand. Und zugleich zurückkehrte, in bunten Fetzen, mit einem aufgemalten Lachen und bemüht, immer noch so zu tun als ob. Das Land absolvierte Lockdowns und Grenzschließungen, Sommerferien und Schulverbote, eine Impfhysterie und einen Bundestagswahlkampf, ohne dass je Ungewissheit darüber aufkam, dass es nirgendwo im Weltall besser läuft als hier. Und wären da nicht die, die das nicht glauben wollen, weil sie verblendet oder verführt waren, es liefe sogar nicht besser.
Einen ganzen Wahlkampf lang schunkelten Millionen in Illusionen. Man würde mit einem Kreuz die Welt vor dem Klimatod retten können. Man würde elektrisch fahren, vom Staat gefördert. Man würde mehr Mindestlohn bekommen und für jede regionale Kartoffel auf dem Tisch ein dickes Fördergeld. Jeder zweite Herzschlag wird endlich "Respekt" (Scholz) sein, jener große Bruder der Toleranz, der vom Schächten über das Beschneiden bis zum mittelalterlichen Aberglauben alles nicht nur duldet, sondern es lobt und rühmt als bewundernswerte Art zu leben, so ursprünglich, so regional und nachhaltig. Die EU werde demnächst "unseren Wertekanon erneuern", hat die neue Außenministerin Annalena Baerbock zuletzt angekündigt, denn das sei schließlich "die Grundlage unserer gemeinsamen Zusammenarbeit".
Führende Rolle der Bedeutung
Ein Satz, der die führende Rolle der Bedeutung bei der Durchführung aller Beschlüsse zentral in den Mittelpunkt stellt. Es gibt keine Alternative zum Leersprech von den Latifundien des Bionade-Adels, der aus allen Kanälen schwappte schlimmer noch als in all den Jahren zuvor, seit die Alternativlosigkeit des jeweiligen Regierungshandeln es gebietet, voller Hochachtung von jeder Entscheidung jeder Gebietskörperschaft als letztgültigem Durchbruch zu einer besseren Welt für Mensch, Tier, Atmosphäre und kommende Generationen zu sprechen.
Das Wort "Corona" stand auf keinem Wahlplakat, aber das stieß niemandem verdächtig auf. Kein Wort fiel ja auch irgendwo darüber, was wie werden würde im nächsten Jahr oder im übernächsten. Woher der viele Strom, woher die viele Dämmung, die vielen Milliarden, die neuen Gleise, die neuen Züge und das alles ohne ein Gramm CO2. Es ging um 2030 oder 3038, um 2050 und 1,5 Grad und gemeint war nicht die für viele aus Kostengründen unumgängliche Absenkung der Wohnzimmertemperatur. Sondern eine Neuauflage des wenigstens im Osten der Republik gut bekannten Versprechens, dass bald schon der Kommunismus ausbrechen werde, wenn nur. Wobei wieder nicht klar war, was.
Noch ein bisschen mehr Planerfüllung
Nur noch ein bisschen mehr Planerfüllung. Nur noch ein bisschen mehr Zuversicht. Nur noch ein wenig weniger Braunkohle und Atom. Und schon ist sie da, die nachhaltige, regionale und vegane Fahrraddemokratie, über der das größte verfassungswidrig gewählte Parlament der Welt sitzt und streng darüber wacht, dass niemand es für irgendetwas verantwortlich macht.
Es sind immer die anderen, die abweichen, dem falschen Glauben folgen, der wiederum morgen schon die einzig wahre Lehre sein kann. Zum Zwecke der Vereinfachung der Erklärprozesse von oben nach ganz unten, mittlerweile Hauptaufgabe aller sich nur noch selbst ernstnehmenden Medien, kommt niemand mehr auf die Wahrheit von gestern zurück, wo es doch heute schon längst eine neue gibt. Dafür ist das Personal vergangener Zeiten gefragt wie nie: Abba von null auf eins der Charts, "Wetten, dass..." als Straßenfeger, Asterix geht weiter und beim Aldi gibt es Hendrix-T-Shirts.
Deutschland ist nun das Land des Friedrich Merz, des Olaf Scholz, der Claudia Roth und des Cem Özdemir, einer Generation Politiker, die ihre Zukunft lange hinter sich hatte, die waldorfschulige Schwäche der unbedarften Jüngeren aber konsequent nutzte, um doch noch dorthin zu gelangen, wo es sie schon immer hingezogen hatte.
Eine neue Comeback-Kultur
Das der Korruption verdächtige (Der Westen) Krawattenmodel und die nachsichtige Besucherin des Mullah-Staates, der in den CumEx- und Wirecard-Skandalen getaufte Hardcore-Schröderianer und der trotz seiner Bemühungen um eine Abgrenzung nach rechts - "der Hohmann ist doch ein Rechtsradikaler" - von Angela Merkel abgesägte und verbannte Friedrich Merz - sie stehen für eine Comeback-Kultur, die Anleihen beim glücklosen US-Präsidenten Biden nimmt, einer legendären Betriebsnudel des Washingtoner Geschäfts. Sie alle wollen nichts als das sein, was sie nun sind. Sie wollen nichts tun, nur tun dürfen, entscheiden, regieren. Durchkommen bis zum nächsten Mal.
Die Vorgängerin dagegen ist schneller und gründlicher verschwunden als noch jeder ihrer Vorgänger. Heute hier, morgen fort, Angela Merkel war zwar schon in den 18 Monaten ihrer Pandemieregierung nie mehr richtig da, im Jahr der vielen Vergangenheiten aber tauchte sie komplett unter, sobald der letzte Takt ihres Zapfenstreichs verklungen und die letzte der Fackeln verloschen war, die ihre Anhänger im den Hof des Verteidigungsministeriums entzündet hatten. Merkel ließ einen frisch aufgebauten Obrigkeitsstaat zurück, kregel wie schon lange nicht mehr und kaum noch maskiert. Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns. Wer sich wehrt, lebt verkehrt, so schallt es aus den Gazetten und aus dem Gemeinsinnfunk.
Nichts Neues im Westen
Traditionell nichts Neues im Westen. Der fürsorgliche Staat sitzt in Deutschland immer mit am Tisch, er bekommt die dicksten Kartoffeln und den meisten Respekt. Nun aber hat er es sogar mal wieder auf die Stirnseite geschafft, getragen von der tiefsitzende Sehnsucht der Deutschen, Vater Staat, die gute der Mutter, werde nun nicht mehr nur ansagen, was sie essen sollen, wann sie essen sollen, wie viel sie essen sollen, wie schnell sie fahren dürfen, welche Maske getragen wann wirkt und welche Inzidenz gerade als wie beunruhigend mit Blick auf den R-Wert zu gelten haben könnte. Es scheint, sie sind nun wirklich auf den Geschmack gekommen, jetzt, wo sowieso niemand mehr glaubt, dass die da oben sicherlich schon irgendwie wissen, was los ist und was man am besten tun sollte.
Warum nicht so weitermachen? Warum nicht sich endlich alle Träume erfüllen, die schon so viele, viele Jahre geträumt werden in den Hinterzimmern der Parteizentralen, in den Kabinettsberatungen und Programmkommissionen der Wahlkampfberater? So sehr das Versagen der Schönwetterkapitäne auf der Brücke des Staatsschiffes nach beinahe zwei Jahren desaströser Notstandsadministration unübersehbar ist, so sehr wachsen ausgerechnet dort, wo peinliche Beschämung und Schuldgefühle herrschen müssten, die Begehrlichkeiten, die Gelegenheit zu nutzen.
Keine roten Linien mehr
Endlich keine roten Linien mehr. Keine Grenzen, die Grundrechte ziehen. Keine Opposition, niemand, der auf die Straße geht und demonstriert und daraufhin angehört wird. Keine Kompromisse. Keine Zweifel. Keine Gerichte voller Winkeladvokaten, die das Notwendige unmöglich machen. Keine Alternativen. Keine fruchtlosen Diskussionen.
Die Corona-Pandemie, so schrecklich sie für alle ist, deren Leben sie beendet, zerstört oder gestört hat, hat der großen Politik in die Hand gegeben, wonach sie sich schon immer sehnte: Den Zauberstab, der die wildesten, verrücktesten und abseitigsten Wünsche erfüllt.
Donnerstag, 30. Dezember 2021
Zitate zur Zeit: Die Zukunft als Erfüllungsort der Katastrophe
Eine Viertelstunde Untergang am Abend und gutes Essen: Deutschland am Abgrund.
Ich hörte nicht mehr richtig zu. Ich dachte an Deutschland, wo diese Menschen lebten, wenn sie nicht gerade vor Afrika segelten. Ich wusste, wie sie sich fühlten. Täglich standen sie vor der Aufgabe, ihre persönlichen Krisen zwischen Bankenkrise, Finanzkrise, Klimakrise, Energiekrise, Bildungskrise, Eurokrise, Rentenkrise und Nahostkrise unterzubringen.
Abend für Abend setzte man ihnen um 20 Uhr für eine Viertelstunde den bevorstehenden Untergang des Abendlandes auseinander, gepaart mit der Unfähigkeit der Politiker, diesen zu verhindern.
Währenddessen klammerten sie sich an die ganz private und ein bisschen peinliche Hoffnung, es möge am Ende trotzdem alles so bleiben, wie es ist. Weitermachen. Ihr ganzes Leben bestand nur aus Weitermachen. Ein großes Abhaken von Stunden, Tagen, Aufgaben.
Obwohl ihnen die Zukunft als Erfüllungsort der Katastrophe erschien, kämpften sie sich zäh durch die Schützengräben der Gegenwart. Soldaten, die den Glauben an den Sieg verloren hatten und sich ausschließlich fürs eigene Überleben interessierten.
Sie desertierten nicht, weil sie nicht wussten, wohin. In einer Welt ohne Unterschiede gab es kein Exil.
Juli Zeh, Nullzeit
2021: Als die Wirklichkeit zum Witz wurde
Marx kann sich wieder sehen lassen: Für viele bleibt der Mann mit dem Bart in Visionär. |
Wäre er da nicht schon gewesen, wäre Jesus 2015 womöglich im Mittelmeer ertrunken. Grenzen klafften damals offen, sie würden erst viel später überall wieder zuklappen wie Gartenstühle in einem Freiluftrestaurant am Ende der Open-Air-Saison. Die Kanzlerin, sie wird es nicht verhindern, jedenfalls nicht lange. Ihre Botschafterin in Brüssel wird klagen, aber nur anfangs. Anschließend rüttelt sich dann alles schnell zurecht in einer "neuen Normalität", wie es der nachfolgende Mann im Kanzleramt noch vor seinem Umzug genannt hat. Danach galt sein erstes Bestreben der Umleitung von "bundeskanzlerin.de" auf "bundeskanzler.de".
Wie die Wirklichkeit Satire wurde
Der Mann ist Feminist, vor allem aber Pandemist. Er rutschte auf seinem gebrochenen Versprechen von den zehn Millionen Imfungen pro Woche ins Amt, wo er als allererstes 30 Millionen Impfungen bis Weihnachten versprach. Als das nicht wurde, wurden 30 Millionen bis Jahresende daraus. Und als dieses Ziel sich als unerreichbar herausstellte, sprach der hanseatische Rhetoriker einfach von "weiteren 30 Millionen Impfungen bis Ende Januar". Als habe er die ersten 30 Millionen selbstverständlich längst in der Tasche.
2017 war das Jahr, in dem die Wirklichkeit die Satire hinter sich ließ. 2018 dann das, in dem die Satire gewordene Wirklichkeit niemanden mehr zum Lachen brachte. Es kam 2019, ein langes Warten auf das Ende einer Ära, das politische Zwerge wie Annegret Kramp-Karrenbauer nach oben spülte und vermeintliche Riesen wie den Franzosen Emmanuel Macron entzauberte. Wer da noch lachte, kannte der Humor nicht, den Gott gelegentlich aufblitzen ließ: Auf einmal war die Todesseuche da, aber nicht ganz so tödlich wie im Film.
Perfide Tricks der Pandemie
Ein perfider Trick. Die Pandemie raffte Millionen weg, traf aber durchaus hinterlistig Auslese. Der Todeszoll stieg in Deutschland auf mehr als 100.000 Menschen in zwei Jahren - 0,12 Prozent aller Einwohner. Olaf Scholz würde womöglich von einer „kleinen, extremistischen Minderheit" sprechen, die sich "von unserer Gesellschaft, unserer Demokratie abgewandt" habe. Fakt aber ist, dass die an und mit Corona Verstorben eine gesellschaftliche Spaltung vertieften, die zuvor zwar sichtbar, aber ohne Bedeutung gewesen war: Oben die einen, mit Zugang zu Medien, mit Deutungshoheit und der vereinten Kraft, Normalität zu definieren. Unten die anderen, hilflos staunend und wortlos verweigernd.
2018 noch war der kaum jemandem
bekannte Begriff "Heißzeit" zum "Wort des Jahres" erklärt worden. Greta Thunberg und Luisa Neubauer stimmten die mediale Weltbevölkerung in Deutschland Hamburg, München, Köln, Berlin und Stuttgart auf große Veränderungen ein. In einem ersten Schritt beschloss die EU ein Trinkhalmverbot. In der ARD wurde plötzlich mit Pausen im Wort gesprochen, um alle mitzunehmen. Deutsch als Fremdsprache.
Deutsch als Fremdsprache
Und ausgerechnet in diesem Moment, als die Hoffnung aufkam, dass es viel verrückter ja nun bald nicht mehr werden könne, kam die Pandemie. Donald Trump, der Weltfeind Nummer 1, wurde sein erstes Opfer. Die CDU war sein zweites. Dann starb der Klimawandel, still und unbeachtet in einer Ecke, in der schon die beiden führenden Klimagesichter endgelagert worden waren.
Seither gab es keinen Tag ohne Regen. Ausgenommen jene, an denen es schneite. Der Winter 2021 kam mit Schneewehen und es ging mit weihnachtlichem Frost. Die Strompreise sprangen Tag für Tag zu Rekorden, Gas ging durch die Decke. Die amerikanischen Verbündeten schickten eine Freiheitsflotte mit Fracking-Gas, um Europa aus den Krallen des russischen Bären zu befreien. Die neue Außenministerin, die die Seite https://www.bundesaußenministerin.de/ bisher nicht hat registrieren lassen, verkündete den festen Willen Deutschlands, atomar abzurüsten. Vorbild Angola: Das afrikanische Land gilt als erstes, das aus der Braunkohleverstromung ausstieg. Ohne je eine Schippe Braunkohle verstromt zu haben.
Trend zum Absurden
Der Trend geht zu absurd. Eine gefühlte Klimaweltmacht leistet sich das größte Kabinett aller Zeiten, mit den meisten Ministern jemals. Den Klimaschutz aber macht der Wirtschaftsminister nebenher, in enger Zusammenarbeit mit einer Parteigenossin, die den Umweltschutz machtber die Landwirtschaft, denn die macht ein Parteigenosse, der allerdings auch für "Wald, Nachhaltigkeit, Nachwachsende Rohstoffe" zuständig ist.
Wichtig ist, was nicht mehr ist. #MeToo, George Floyd, Ouri Jalloh, Hillary Clinton, Angela Merkel, Fukushima, die NPD, Storch, Gauland und Höcke, überhaupt Thüringen, die Finanzkrise, Klimawandelleugner, Windkraftverweigerer, Netanjahu, Sascha Lobos "Latenznazis", die keine Nazis sind, aber anderer
Meinung als Lobo, Angela Merkel, Olaf Scholz, Nancy Faeser und
der jeweilige Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
Spaziergänger im Schafspelz
Ein Zirkelschluss, der die Hermeneutik kommunistischer Philosophie
atmet. Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns. Wer nicht glaubt, was wir
glauben, hängt Verschwörungstheorien an, die der aufgeklärte Bionadeadel "Verschwörungserzählungen" nennt, weil sie keine Theorien seien, wie es heißt. Sondern was? Der
Klassenfeind, der Gegner unserer Ordnung. Ein Spaziergänger im Schafspelz, unter der verweigerten Maske ein Wolf, der des Menschen Wolf ist. Wie im Reich von Väterchen Stalin muss der Betreffende nicht wissen, dass er von der Linie abweicht, sich in falsche Lager vergaloppiert hat. Das wussten
schon die Sozialisten und Kommunisten für ihn und die Demokraten wissen es heute wieder.
Nie war alles so prima wie heute, nie stiegen die Löhne und Gehälter schneller, gab der Staat mehr Geld aus für Programme gegen rechts, für mehr Bildung, saubere Schultoiletten, Integration und Erziehung zur Toleranz. Doch Wohlstand scheint Wut zu erzeugen, und mehr Geld gegen rechts immer mehr Rechte. Was ehemals der kleine Bereich zwischen
CSU-Vertriebenenfunktionären, Nazi-Parteiarbeitern und jugendlichen
Sachsen war, die Hakenkreuze an Bushaltestellen ritzten, reicht heute bis in die linke bürgerliche Mitte hinein: Wessihasser, Waldörfler, Homöopathen, Protestanten, "Familien mit Kindern" (DPA) und selbst Mitarbeitende des "chronisch unterfinanzierten" (Spiegel) Gesundheitswesen entpuppten sich als Impfverbrecher, Querleugner, Wirkstoffverweigerer und SZ-Abo-Kündiger.
Marx in alter Pracht
Die Schuldenbremse ist weg, Karl Marx ist wieder da, in alter Pracht und mit neuem Selbstbewusstsein. In einem "Meinungskorridor" (Walter Steinmeier), in dem eine "erstaunliche Homogenität" (Steinmeier) herrscht, ist der Mann mit dem Bart Leitstern eines verschworenen Parteiensystems, das in sich selbst ruht und Schuldige an den verschiedenen Miseren wie einst die Preise bei "Am laufenden Band" vorführt. Nationalisten, Rassisten, Russen, Trumpisten, "komische Mischpoke", Sachsen, Spaziergänger. "In Deutschland gibt
es zwar die Demonstrationsfreiheit", hatte Angela Merkel schon lange vor der Aufhebung des unbeschränkten Rechts auf unangemeldete Versammlungen ohne Waffen auf ihre ganz eigene philosophische Art angekündigt. Aber.
2021 ist das Ende dessen, was vor einem Jahrzehnt in den "Stunden hektischer Krisendiplomatie" (FAZ) seinen Anfang nahm, als Merkel und Sarkozy den Euro retteten, ohne irgendein Parlament zu befragen. Seitdem baute die Exekutive ihre Macht immer weiter aus, ein Billardspiel mit der EU, die flankierte, organisierte und dafür mit beständig wachsenden Zuständigkeiten belohnt wurde, ohne demokratische Kontrolle fürchten zu müssen. In Corona-Deutschland perfektionierten Ad-hoc-Komitees, Expertenräte und Kriegskabinette das Kommissarsprinzip. Das Land hat sich natürlich nicht in eine DDR verwandelt, in der jeder zwar noch "die formale Freiheit hat, zu sagen, was man denkt".
Strafe für schäbige Schauspielschufte
Aber sicherheitshalber ist jeder gehalten, nicht mehr denken zu wagen, was man nicht sagen soll. Sonst kommt der digitale Mob und straft die "Hetzer, Hasser und Zweifler" (Claus Kleber) mit dem bürgerlichen Tod, der Aberkennung der Rederechte und Querverbindungsentdeckungen zu Querdenkern, Faschisten, Identitären und schäbigen Schauspielschuften. Niemand kommt jemanden abholen, außer dort, wo die Menschen sind und warten, dass ihnen alles noch besser erklärt wird.
Mittwoch, 29. Dezember 2021
Humoralarm: Wer zuletzt lacht
Klassische fake news, die auch keine Grundlage für Satire sein dürfen. |
Es war ein Fall von falschverstandener Meinungsfreiheit, in dem der Südwestfunk sein hässliches Gesicht zeigte. Nur um dem Vorwurf zu entgehen, man gebe nicht jeder "noch so kleinen Gegenposition" Raum, um die Pluralität zu wahren, ließ der Sender eine umstrittene Folge seiner Kabarett-Show "Spätschicht" mit Lisa Fitz laufen, einer Bühnenfigur, die die Kunstfreiheit auch schon dazu missbraucht hatte, Kolleg*/((/Innen als "systemimmanente Hofnarren" und führende Leitmedien als "Weglasspresse" zu titulieren .
Spät erst setzte sich die Erkenntnis durch, dass es im "Endkampf" (Lauterbach) gegen die anrückende Omikron-Armee nicht um zartbeseitete Rücksichtnahmen gehen kann, sondern gesellschaftlicher Erkenntnisgewinn durch Erziehung vermittelt werden muss.
Volker Bruch, Jan Joseph Liefers und ihre Kamarilla von #allesdichtmachen, der sich als Zweifler gerierende Til Schweiger und der Virologe Alexander Kekulé, der "in der Öffentlichkeit als Coronaexperte aufgetreten" war, wie der "Spiegel" jetzt enthüllte, sie alle durften die Instrumente sehen, in der Hoffnung, "dass sich Einschätzungen ändern können" und Menschen einsehen, dass auch eine verspätete Distanzierung von falschen Positionen besser ist als das Verharren in Stellungen, die unhaltbar geworden sind.
Scharfe, aber richtige Reaktion
Lisa Fitz wollte nicht sehen. Und nun kann sie nicht mehr gesehen werden - eine schnelle, scharfe Reaktion, gerade noch zu rechten Zeit, denn im schlimmsten Fall hätten die von der 70-jährigen Humorveteranen wiederholten pharmafeindlichen ihren Thesen und Behauptungen über "Impftote" gesellschaftlich verunsichern, ja, sogar Fragen provozieren können wie die, weshalb es ganz EUropa mit seinen tausenden von gemeinsamen Institutionen auch im zwölften Monat der größten Impfkampagne der Welt und aller Zeiten nicht gelungen ist, herauszufinden, wie viele der etwa 8.000 gemeldeten Verdachtsfälle von Impftoten tatsächlich Sterbefälle sind, die von den lebensrettenden Vakzinen verursacht wurden.
PPQ.li hat sich vor dem Weihnachtsfest in der Humorszene umgehört und Reaktionen auf Fitz' Ausfälligkeiten gesammelt. Die Reaktionen waren einmal mehr mehr als eindeutig, die Kunst- und Kulturschaffenden verurteilen einhellig, wie Fitz die Freiheit, Spaß zu machen und Menschen mit einem Lachen aufzumuntern, missbraucht, nur um sich anschließend als Opfer von "Zensurmaßnahmen" zu gerieren.
Aufstand der Humorbehörden
Es ist genug!", fordern 31 Beamtinnen und Beamte der Humorbehörden, einfache Bürger und Fans von einem fröhlichen Spaß gegen Hass und für einen regierungsnahen Humor, der an Lachen nicht spart, dabei aber auf dem Boden des Koalitionsvertrages bleibt. Falsche Tatsachenbehauptungen lehne man ab, falsche Angaben zu Menschen, die durch eine Corona-Impfung gestorben seien, dürften nicht Basis von zynischer Possenreißerei sein, so lange die EU die Zahl der Betroffenen nicht abschließend offiziell mitgeteilt habe. Wer wie Fitz in ihrem "Spätschicht"-Beitrag "Lisa Fitz vs. Jens Spahn" die Omikron-Variante als "Panikmache" bezeichne, der vermittle den Eindruck, die aktuell akute "Sorge um die kritische Infrastruktur" sei nur eine neue Methode, die Bürgerinnen und Bürger in Angst zu halten.
Diesem Eindruck wollen die Unterzeichner der Petition "Wer zuletzt lacht - Für eine starke Gesellschaft gegen falschen Humor" entgegentreten. Die Pandemie habe noch einmal deutlich gezeigt, dass eine starke Gesellschaft die Kabarettisten, aber auch Kunst- und Kulturschaffende an ihrer Seite brauche, um gute Entscheidungen gegen das Virus treffen zu können, heißt es da. "Und doch verschärft sich der Ton von Humoristen, wenn Forscher, Wissenschaftlernde, Politik und Leitmedien Erkenntnisse teilen, wenn sie beraten oder klar Stellung beziehen." So habe Fitz perfide pharmafeindliche Positionen wiederholt, die zuvor schon beim Fernsehsender "Arte" präsentiert worden waren. Ein Verhalten, wie es typisch ist für das Agieren der Agitatoren des gesellschaftlichen Randes: Man berufe sich aufeinander und erwecke damit den Eindruck von Seriösität.
Im Lager der hasserfüllten Verleumder
Tatsächlich aber markiere dieses Handeln den "Übertritt in das Lager ihrer hasserfüllten Verleumder". Aussagen werden aus dem Kontext gerissen, verkürzt, manchmal auch verfälscht. Kabarettisten sind für öffentlich geäußerte Kritik an politischen Entscheidungen verantwortlich, die im Fernsehen und in den Leitmedien eigentlich mit Bedacht keine Plattform erhalten. Sie daran zu ermahnen, sei keine Bedrohung der Kunstfreiheit und keine Einschüchterung, nur eine Erinnerung daran, wer ihnen ihre Ausbildung ermöglichst und wer ihnen immer wieder Auftrittsmöglichkeiten im Gemeinsinnfunk zur Verfügung gestellt hat.
Falscher, nicht faktenbasierter Humor Das gefährdet nicht nur die offene Debatte in unserem Land, sondern letztlich auch unsere Demokratie", betont Kabarett-Liebhaberin Susan Eigelstorf. "Humor kann der Öffentlichkeit und den Entscheidungsträgern seine Erfahrung und seinen speziellen Blick zur Verfügung stellen, außerdem kann er Laien Zusammenhänge sehen lassen, die sonst verborgen bleiben." Aber Kabarettisten seien keine Wissenschaftler, sie beschlössen keine Verordnungen und Gesetzesänderungen, sondern das geschehe durch die Politik und dürfe am Ende nicht vogelwild kritisiert werden. "Das sollte man aus meiner Sicht nicht vermischen, weil das die Freiheit der Kunst gefährdet."
Feste Position zur Fitz-Frage
Auch Astrid Kellermann, selbst als Studentin Mitglied*in eines Kabarett-Ensembles, hat eine feste Position zur Fitz-Frage. "Kein Satireliebhaber hat etwas gegen kritische Sketche, sie gehören zu Kultur und Alltag dieser uralten Kunstform." Doch sollte es dabei um die gute Sache gehen und nicht darum, Politiker, Wissenschaftler, Behörden oder europäische Institutionen persönlich zu diffamieren, nur weil man ihre Generallinie nicht möge. "Das dient nicht dem Erkenntnisgewinn, sondern es spaltet!", warnt Kellermann, die darin zugleich eine Gefährdung der offenen und freien Debatte sieht. "Wenn immer wieder falsche Meinungen geäußert werden, dann muss man natürlich irgendwann dagegen vorgehen."
Bei Lisa Fitz sei dieser Punkt wohl erreicht gewesen, glaubt Jan-Jens Haferstapp, der die bayrische Ulknudel früher "immer ganz gern gesehen hat", wie er betont. Wer sich aber gegen die gemeinsame Anstrengung gegen die Pandemie stelle, der habe keinen Anspruch mehr auf Rücksichtnahme. "Kein vernünftiger Mensch verlangt, dass Kabarettisten auf der Bühne den Koalitionsvertrag vorlesen", sagt er, "aber dass sie ihre Auftrittsmöglichkeiten gezielt nutzen, um zu kritisieren, zu hinterfragen und Maßnahmen ins Lächerliche zu ziehen, das muss sich sicherlich kein Staat bieten lassen."
Nur die spitze Spitze eines Eisberges
Petra Fischer geht sogar einen Schritt weiter. Sie hält Fitz nur für die spitze Spitze eines Eisberges aus gesellschaftlichen Gruppen und Schichten, die nicht bereit seien hören, die Logik hinter Regierungsentscheidungen von großer Tragweite zu sehen. "Dass etwa Freiluftveranstaltungen mit Publikum verboten sind, Theateraufführungen in kleinen, schlecht belüfteten Sälen aber weiterhin stattfinden dürfen, dient denen als Munition zu sagen, so schlimm kann es ja dann nicht sein."
So aus dem richtigen Kontext gerissen und willkürlich ideologisch zurechtgebogen, scheine das einleuchtend. "Aber die Sache ist ja die, dass da vorher zahllose seriöse und kluge Köpfe mit hoher wissenschaftlichen Expertise Gedanken gemacht haben. Danach sei es eben wichtig, dass Clubs und Diskotheken während der besonders aggressiven Delta-Welle hatten geöffnet bleiben können, um die Intensivstationen vor Überlastung zu schützen. Nun aber, "während die Infektionszahlen zurückgehen und die Omikron-Welle sich langsam aufbaut" (ZDF) im Dienst der kritischen Infrastruktur geschlossen würden.
Von Frust motiviert
Fitz und ihre Spießgesellen würden aus seiner Sicht von Frust motiviert, weil Deutschland bisher so gut durch die Krise gekommen sei wie kaum ein anderes Land, betont der sächsische Unternehmer Kevin Schnitte. "Wenn wir daran nichts ändern, hat unsere Demokratie ein Problem", sagt der Gründer "Tali-Bar"-Restaurant-Kette. Humor spiele im gesellschaftlichen Diskurs eine unverzichtbare Rolle, doch Witze müssten faktenbasiert sein, wie Corona oder die Klimakrise verdeutlichen. "Sonst droht Unheil."
Dass Kabarettisten und Comedians frei sein und ihre Stimme erheben können müssten, wenn Fehlentwicklungen drohen, halte er in einer freien Gesellschaft für selbstverständlich. "Aber so lange kein Bundestagsuntersuchungsausschuss zur Bewertung gekommen ist, ja, da läuft was falsch, kann es aus meiner Sicht nur Aufgabe einer freien Humorwirtschaft sein, als Spaß verbrämtem Hass und satirischer Hetze gegen Institutionen, Verantwortungsträger und Führungspersonen entschieden entgegentreten, wenn wir unser Land nicht an die Rücksichtslosesten unter uns verlieren wollen."
Wenn die Leugnerszene tobt
Ralf Schybylla ist selbst Humorarbeiter, er bastelt im Backoffice für einen bekannten deutschen Fernsehmoderator an originellen Szenen. Er ist enttäuscht von Lisa Fitz. "21 Monate Pandemie - 21 Monate bemühen wir in der Redaktion und mit aller Disziplin, einen guten, konsensfähigen Humor herzustellen, der den Weg durch die und aus der Pandemie weist." Er selbst sei in dieser Zeit und bis zum heutigen Tag im Bekanntenkreis immer wieder beschimpft und attackiert worden, weil in die Leugnerszene abgerutschte ehemalige Freunde und Bekannte meinten, der in seiner Sendung präsentierte Humor sei zu einseitig, zu staatsnah und zu obrigskeitshörig.
Das hat mich bestärkt im Wissen, weiter auch in der Öffentlichkeit für die Sache einzutreten und gemeinsam mit vielen anderen unbeirrt für die vielen, auch immer wieder widersprüchlichen Maßnahmen einzutreten." Guter Humor spalte nicht, er biete der Gesellschaft die Möglichkeit, gemeinsam über Schwurbler, Covidioten und Spaziergänger zu lachen, tote Leugner mit einem Schmunzeln zu begraben und diese schwere und anhaltende globale Krise humorvoll zu bewältigen.
Wenn die notwendige Besserwisserei aber in Hass umschlage, wenn Wissenschaft und populistische Polemik angegriffen würden und Emotionen gegen Fakten anträten, dann sei es Zeit für politische Konsequenzen, wie sie der SWR zum Glück gezogen habe. "Wenn sich eine Gesellschaft und ihre Regierung sich dazu entschlossen haben, bestimmte Ziele erreichen zu wollen, sollten alle mitmachen, auch die Kabarettisten."
Gerüchtemacher: Globale Lage pandemischer Verwirrung
Wussten Sie überhaupt, dass die Quersumme von 1984 22 ist? 22 so wie im 2022! Das Jahr in dem wir Kontakt abbrechen, hahaha. Das ist etwas, das finden Sie nicht im Internet, das weiß gar keiner. Aber es sagt doch alles, oder? Querdenker, Leerdenker, Mitdenker, Nachdenker - es sind ja nun weniger Leute geworden, die sich das offensiv anheften, dass sie an die eine oder an etliche Corona-Verschwörungen glauben.
Glaube an gar nichts mehr
Aber das können Sie mir glauben: Die meisten glauben stattdessen an gar nichts mehr, nicht mal mehr, dass es keine Corona-Verschwörung gibt! Man sieht das doch überall. Eine Endzeit-DDR-Apathie. Lass mich in Ruhe. Lass mich in meiner Nische. Fang mir damit nicht an. Reden wir über was anderes. Und dann redet man doch wieder darüber. Darüber, Sie wissen Bescheid.
Als nächstes kommt kein Bargeld-Verbot, natürlich nicht! Es kommt ein Bargeld-Verzicht! Und zur Finanzierung der Krisenkosten eine Zwangsabgabe auf alles außerhalb von Brotkasten und Kühlschrank, bei gleichzeitiger Erhöhung des Mindestlohnes auf Minimum fünf Prozent Inflation. Gold gab ich für Impfstoff, Bitcoin gab ich für Erneuerbare. High ist, wer dabei ist. Held ist, wer zu Hause bleibt.
Kulturkampf mit Maskenverweigerer
Die Problemlage müssen wir nicht erörtern.
Am Anfang waren die Corona-Leugner die, die überall laut herumposaunten, dass eine große Pandemie kommen wird und niemand im Staat vorbereitet sei. Ich bin älter, ich erinnere mich noch genau an die Kulturkämpfe, die damals mit Maskenverweigerern wie dem Gesundheitsminister Jens Spahn und der früheren Bundeskanzlerin ausgefochten werden mussten. Das Team Vorsicht saß vor den Staatskanzleien und Redaktionen, die mit Gesundbeten und dem Kampf gegen Hamsterer beschäftigt waren.
Es dauerte damals ja legendäre drei Monate, bis sich Angela Merkel zum ersten Mal mit einer Maske als Vorbild für alle zeigte! Das war dann aber auch schon fünf Monate nach Pandemiebeginn und fünf Monate nach dem Start des Kampfes der Gemeinsinnmedien gegen unzulässige Gerüchte, Panikmache und die Behauptung, Corona sei weit gefährlicher als ein ganz gewöhnliches Grippevirus.
Angst vor fürchterlichen Bildern
Kaum mehr ein Punkt ist seitdem geblieben, an dem sich jemand festhalten könnte. Aus Staatsmedien, die Weltuntergangspropheten brandmarkten, wurden Staatsmedien, die den Untergang predigten. Angela Merkel, die wegen der fürchterlichen Bilder lange auf das Tragen einer Maske verzichtet hatte, tat schließlich eine Marke Volksmaske um, nach Angaben von Fachleuten vollkommen unwirksam, aber endlich beispielgebend. Wenige Wochen später wurde das Tragen dieser Bundesaushilfsmasken verboten. Dafür waren nun einfache Papiermasken "hocheffektiv". Schließlich wurde aus den Behauptungen von Corona-Leugnern, Krankenhäuser rechneten ihre Intensivbetten je nach Zuschusslage hoch oder runter, eine "Tagesschau"-Meldung, die dann aber auch wieder nicht stimmen konnte.
Falsch wurde richtig
Falsch verwandelte sich fortlaufend in richtig, richtig wurde zu falsch, die Linke forderte rücksichtsloses Durchgreifen und feste Führung, die die Volksfeinde ohne Impfpass hart an die Kandare nehmen müsse, um das kollektive Überleben zu sichern. Die Früchte des Zorns, sie können unterdessen geerntet werden. Wissen Sie, die wahren Leugner, die Quertreiber und Veganköche, das sind doch viel weniger Menschen als man immer denkt. Dass sie so gut wegkommen beim Fernsehen und in den Zeitungen, das liegt sicher daran, dass sie im Kampf gegen die Pandemie ihre eigene wichtige Rolle spielen: Sie sitzen stellvertretend auf der Anklagebank, sie sind die, deren Verhalten begründet, warum freiheitseinschränkende Maßnahmen nie wie geplant wirken und die willige Mehrheit auch nach fast zwei Jahren noch leiden muss.
Wer als Kind die Augsburger Puppenkiste gesehen hat, kennt den Mechanismus vom Umgang der Menschen aus Holleschitz mit dem ewig rebellischen Ziegenbock Bobesch, der sich nicht einpassen will in die Gemeinschaft, sondern den Hund Sultan und das Schwein Paschik aufpeitscht und mit Parolen versorgt. Bobesch ist der faule Apfel im Corona-Korb, ein Anhänger von Verschwörungstheorien, der dank medialer Verwertungslogik zum Scheinriesen wird: Neben Kater Mikesch, dessen Aufstiegswille ihm erlaubt hat, das Sprechen zu lernen, ist Bobesch ein Charakterzwerg ohne Charisma. Doch in Zeiten gesellschaftlicher Verunsicherung, das weiß jeder, der damals beim Mauerfall dabei gewesen ist, bekommen die traurigsten Clowns die größten Bühnen.
Dominatoren der dramatischen Lage
Sie dominieren die "dramatische Lage" (Helge Braun), sie füllten die Fußballstadien, als es noch erlaubt war, sie feierten Karneval, den Einzug in den Bundestag, Parteitage, sie trafen sich zum gemeinsamen Essen und sie trafen sich Woche für Woche in wechselnden Talkshows, immer ohne Abstand, immer ohne Maske. Die öffentliche Wahrnehmung war durch sie immer nicht dort, wo die Entscheidungen getroffen wurden, sondern anderswo, bei lautstarken Corona-Diskussionen um irgendwas, in denen es um nichts ging, die aber absorbierten, was an öffentlicher Aufmerksamkeit noch zu mobilisieren war.
Inzidenzen, R-Werte, Intensivbettenbelegung und Impfquoten, sie waren jeweils ihre Momente lang wichtig, ebenso wie es die Kontaktnachverfolgung, das Händewaschen und die Schließung von Schulen ab einer Ansteckungsrate von 165 an drei ungeraden Kalendertagen hintereinander waren. Jeder von uns glich einen Jongleur, der nur fünf Bälle im Auge behalten kann, aber fünfzehn in der Luft halten soll. Alles, was fiel, wurde zum Teil des großen Planes erklärt, den niemand in Gänze kenne, der aber sehr gut sei.
Korrekte Informationen, nur früher
Dass die Zahl der Menschen, die an Verschwörungsmythen glauben, zuletzt entscheidend sank, ist aber nicht nur den Bemühungen von staatlichen Youtubern, Talkshows und Karl Lauterbach zu verdanken, sondern auch der Qualität vieler zuletzt veröffentlichter Verschwörungserzählungen. Die Behauptung, dass die Impfstoffe keine Immunität garantieren, dass auch Geimpfte ansteckend sein können und dass sich ab jetzt jeder jedes Jahr werde impfen lassen müssen, wurden durch die Realität zu harten Fakten, denen nun bedenkenlos zu trauen ist. Wer eben noch misstrauisch war, ob ihm in seinen verschwiegenen Telegram-Gruppen auch wirklich immer die ganze Wahrheit erzählt werde, dürfte sich nun bestätigt sehen: Auch wer es ablehnt, sich von staatlichen Institutionen informieren zu lassen, erhält mittlerweile meist die korrekten Informationen. Nur eben früher.
Dienstag, 28. Dezember 2021
Der Paniktrompeter: "Monitor" und das Raunen vom autoritären Staat
Gerade in einer dynamischen Krise gilt es, Irrtümer immer mal auf den aktuellen Stand bringen. Was eben noch unabweisbare Wahrheit war, verwandelt sich kurze Zeit später in einen klassische fake news, wo harsche Kritik an unzumutbaren Zuständen geübt wurde, gilt es nun, aufmerksam hinzuschauen, um für die eigenen Entscheidungen von den Besten zu lernen. Als urbane Legende gilt heute etwa die steile These, dass Staaten, die von Frauen regiert werden, generell besser durch die Pandemie kommen. Ins Reich der Märchen hingegen verweisen die aktuellen Umstände die Sommerwahrheit von 2020, dass das "neue Corona-Virus" viel zu viel Aufmerksamkeit bekomme, verglichen mit den "viel tödlicheren Erregern Ebola und SARS".
Enthüllung der neuen Panik
Die hatte das regierungskritische Politmagazin "Monitor" im Juni 2020 beklagt, als sich mit dem neuen Virus "neue Panik" breitmachte. Mutig stellte Georg Restle damals die provokante Frage, warum ausgerechnet dieser Krankheitserreger ein so großes Thema ist, "und andere gar keins?" Bei Corona werde allenthalben die Furcht vor weltweiter Ausbreitung und vor tödlicher Ansteckung geschürt, niemand aber beklage die 400.000 Menschen, die allein 2018 an Malaria gestorben seien; "in Ländern weit weg, in Madagaskar, Malawi oder Mosambik, ohne, dass das bei uns Schlagzeilen macht."
Ein löcken wider den Stachel, ein Finger in der Wunde, die seinerzeit nach Monitor-Recherchen von Diktatoren wie Trump und Bolsonaro & Co gerissen worden war. "Populismus und Armut" seien es, die "Corona verschlimmern" und dafür sorgten, dass "die ärmsten Länder, die von Epidemien am stärksten betroffen sind, von der internationalen Gemeinschaft im Stich gelassen" würden. Warum nur täten "die Politiker der Welt " (Monitor) "nicht genug", um Impfstoffe, Medikamente und, Diagnostik zu finanzieren und zu verbreiten? Warum nur sei die Welt auf globale Notfälle nicht vorbereitet?
Die fluide Verwandlung der Wahrheit
Letzter Stand 18. Juni 2020 war das alles vollkommen richtig. Stand Dezember 2021 ist nicht mehr die Rede davon. Trump ist weg und mit ihm endete folgerichtig die Corona-Katastrophenberichterstattung aus den USA nicht nur bei "Monitor", sondern bundeseinheitlich bei allen deutschen Medien. Trumps amigo eu sou mau Bolsonaro ist noch da. Doch ungeachtet dessen verwandelte sich Brasilien vom Epizentrum der Epidemie in einen still beschwiegenen Vorbildstaat: Inzidenz unter 30, obwohl die Impfquote niedriger ist als in Deutschland.
Kein Lockdown, keine Verschärfung der Schutzmaßnahmen, stattdessen Lockerungen. Der Maskenpflicht am Zuckerhut kann mit der Art Volksmaske Genüge getan werden, die in Deutschland seit mehr als einem Jahr als vollkommen unwirksame Symbolmaßnahme aus dem öffentlichen Leben verbannt wurde. So geht sogar Karneval.
Im besten Land der Pandemie
Im Land, das besser als die meisten anderen durch die Pandemie gekommen ist, herrscht dagegen Frust. Monitor versieht seine hinfällig gewordenen Tageswahrheiten im Youtube-Archiv mittlerweile mit nachträglich angebrachten Warnhinweisen darauf, welchen Ermittlungsstand zu welchem Datum welche unanzweifelbare Erkenntnis repräsentiert.
Ein wilder Ritt durch wachsende Verwirrung: Stand Februar 2020 war Corona ein Hype, Stand April 2020 eine "Krise", die von Verschwörungstheoretikern missbraucht wurde, im selben Monat drohte die Gefahr, dass "der Gesundheitsschutz zum Einfallstor für eine langfristige Einschränkung vieler Grundrechte" wird, ehe dann Konzerne als Gewinner, Kinder und das Klima als Verlierer und der Rechtspopulismus als Profiteur ausgemacht wurden.
Immer wieder ernste Zweifel
Stand April 2021 mussten an der Wirkung von Ausgangssperren und Lockdownmaßnahmen ernste Zweifel angemeldet werden, Stand Dezember 2021 aber ist nun jeder, der von einem "autoritäten Staat raunt, der uns die Freiheiten raubt" (Georg Restle), des unerlaubten Querdenkens verdächtig. Der Zero-Covid-Pionier Georg Restle hat sich ausweislich des Youtube-Kanals seiner Sendung vom verlässlichen Mahner in der gesellschaftlichen Debatte um die rechte Gefahr zu einem Zweifler an der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen gegen die Pandemie, anschließend aber dann doch wieder in einen zumindest tageweise stabilen Anprangerer zweifelhafter Richtlinien der Regierung verwandelt, die er gleichzeitig solidarisch gegen die unterstützt, die wie er abwechselnd die Paniktrompete blasen und vor übertriebener Panik warnen.
Alle gegen alle und in der Mitte wir, allein
Einzig und allein Deutschland hat auch in den zurückliegenden Monaten bewiesen, dass es sich auf der Höhe der moralischen Aufgaben sieht. |
Hier im "reichsten Land der Welt" (ZDF), wo die Grundrechte die besten sind, "die es überhaupt gibt" (RND), weshalb sich ihr Geltungsbereich nach Auffassung führender deutscher Journalisten direkt bis russische Westgrenze erstreckt,ist jeder Kampf ein ungeheurer, jede Bedrohung existenziell und jeder "Aufbruch" (Jamaika-Koalitionspapier) einer nicht nur nach vorn, sondern hin zu Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, der mit "Mut, Entschlossenheit und guten Ideen" in den Kampf gegen die Klimakrise, für Digitalisierung, für die Sicherung unseres Wohlstandes, für eine moderne, freie Gesellschaft, ein neues Europa als Bundesstaat und noch mehr noch schnelleren Fortschritt zieht.
Wären nur alle wie wir
Im Abgrund aus Vertiertheit
Die deutsche Freundschaft neu verdienen
Montag, 27. Dezember 2021
Lieder zur Zeit: Kein Kontakt zur Außenwelt
Er hat gesungen, über Jahrzehnte. Kein einfacher Zeitgenosse, erst recht nicht unter den Vorzeichen einer gesellschaftlichen Entwicklung, die dem alten weißen Mann das Recht abspricht, gleich berechtigt mitreden zu dürfen. Jetzt hälst Du mal die Klappe, diese unausgesprochene Anweisung an Seinesgleichen hat Derek W. Dick, der Name schon ist ein Hohn!, nun wörtlich genommen. Der als "Fish" bekannte Sänger, Dichter, Komponist und schräge Säulenheilige einer Art Rockmusik, die sich vom Schaffen der Adeles, Eilishs und Sheerans unterscheidet wie ein Sommerregen von einer leeren Zimmergießkanne, hat seine zuletzt betrüblich verlaufende Karriere beendet.
Ein Abschied mit "Weltschmerz", wie der lange mit allerlei Deutschen verheiratete Schotte sein letzten Album genannt hat. Auf der Bühne tapperte er bei der Vorstellung der frustrierenden neuen Songs mit einem Stock in der Hand herum, keineswegs mehr das lebenspralle Energiebündel, als das er in den frühen Tagen seiner Laufbahn bei den Fantasie-Rockern von Marillion im flammenden Kostüm herumgesprungen war. Fish, 63 Jahre alt und damit für Rock-Verhältnisse einer Jüngeren unter den Klassikern, tat damals, was man damals tat, wenn man in seinem Beruf arbeitete: Er trank und nahm Drogen, er war ein Tyrann und "Arschloch" (Fish), der dem Fluch nie entkommen konnte, zu klingen wie Peter Gabriel oder Phil Collins, der wie Gabriel klang. Die Kritiker konnten sich da nie richtig entscheiden.
Dagegen hat er immer angesungen, erst bei Marillion mit Großwerken wie "Misplaced Childhood" und "Script for a Jester's Tear", später allein, als er als "Vigil in a Wilderness of Mirrors" die "Sunsets on Empire" besang. Ein Mann mit Humor, der Hits hatte wie "Kayleight" oder "Incommunicado" (oben), dabei aber immer witzig blieb: "Ich würde mich sehr freuen, Sie kennenzulernen, wenn ich mich nur an Ihren Namen erinnern könnte", sagt er, biestig nur, wenn es um Schottland ging. Als Fish für dessen Unabhängigkeit von Großbritannien eintrat, galt das in Deutschland noch als zersetzende Betätigung, die der EU insgesamt nur schaden könne. Als Großbritannien dann austrat und die Unabhängigkeitsbestrebungen der Schotten auf dem Festland begrüßt wurden wie die Freiheitsbestrebungen enger Verbündeter, hatte Fish seine Lektion gelernt.
Man muss sich nicht politisch äußern, um politisch zu sein. "Ich habe Probleme mit dem Gedächtnis, seit ich berühmt geworden bin", sang er schon in "Incommunicado", jenem Stück von 1987, das weltweit als bester Genesis-Song aller Zeiten gilt. Sich "nicht um die Fleet-Street-Liebhaber" (Fish) zu kümmern, war Überlebenstrategie, schon weil niemand "das Interview auf der Rückseite" sein will, sondern "keine Anonymität im Waschsalon, Handabdrücke im Beton am Sunset-Boulevard und eine Wachsfigur von sich selbst bei Madam Tussaud".
Die kommunikationsgestörte Gesellschaft, die der deutsche Psychiater Hans-Joachim Maaz in seinem Buch "Der Gefühlsstau" im Jahre 1990 für die DDR diagnostizierte, entdeckte der "Cowboy, der Peter Pan, die Glaubwürdigkeit der Straße" (Fish) Dr. Dick bereits Jahre zuvor überall. Nennt "es Synchronizität, nennt es Deja vu", singt er, aber den Traum davon, in Talkshows im Fernsehen zu sitzen, zur besten Sendezeit wie Karl Lauterbach, eine Villa in Frankreich zu haben wie der Rote Danny und einfach nur bewundert zu werden, er ist überall und in jedermann.
Höchste Ehren: Ritterschlag für PPQ-Forschende
Er ist nicht irgendwer, er weiß nicht irgendwas. Christian Drosten arbeitet seit zwei Jahren als Chefepidemiologe aller Bundesregierungen, er beriet Angela Merkel, er zog an einem Strang mit dem Bundesalarmbeamten Karl Lauterbach, er widersprach Verharmlosern wie Hendrik Streek und klärte die Bevölkerung immer wieder über akute Gefahren auf. Drosten wurde so zur Zielscheibe von Leugnern, die ihm Fernsehverbot erteilen wollten. Doch obwohl er sich zuweilen auch selbst unmäßig kritisch äußerte, erhielt er für seine gezeigten Leistungen nicht nur das Bundesverdienstkreuz, sondern auch den renommierten Deutschen Radiopreis.
Das Gesicht der Wissenschaft
Christian Drosten ist heute das Gesicht der Wissenschaft im Corona-Dschungel, die Konkurrenz ist weit zurückgefallen oder gar ganz aus dem Spiel genommen worden. Umso gewichtiger ist das Wort des letzten großen Corona-Erklärers der Republik: Spricht Drosten von einer Wand, die da statt der gewohnten Wellen vor Regierenden und Regierten steht, dann gilt das als gesetzt. Schiebt er neue härtere Maßnahmen in die Diskussion, öffnet das für die Durchsetzung mehr Türen als RKI- und Expertenratsempfehlungen. Und sieht er Licht am Horizont schimmern, dann wird es ganz sicher bald hell.
Drosten muss dabei nicht der erste sein, er muss nicht selbst forschen oder Statistiken auswerten. In einem Land, dessen Regierung bis heute weder den Schimmer einer Ahnung hat, warum die vierte Welle ausgerechnet in dem Staat, der bis dahin "besser als vielen anderen" (ZDF) durch die Pandemie kam, höher schoss als sonst irgendwo, noch zu sagen weiß, weshalb sie grundlos brach, noch ehe das neue Maßnahmepaket inkraftgetreten war, reicht es, sich umzuschauen und die Zeichen zu deuten.
Auffällige Diskrepanzen
Ein Verfahren, das auch die virologische Redaktion beim Bürger*innenboard PPQ.li regelmäßig nutzt. So etwa in den Tagen vor dem 19. Dezember, als die statistische Abteilung sich intensiv mit auffälligen Diskrepanzen zwischen den offiziellen Impfkurven und Todeszahlentwicklungen in Deutschland und im EU-abtrünnigen Großbritannien auseinandersetzte. Die Signifikanz war mit bloßem Auge zu sehen: In beiden Ländern stieg die Zahl der Infizierten. Nur in einem aber nahm die Zahl der Todesopfer gleichzeitig sichtlich zu.
Ein neues Corona-Rätsel, auf das der auf Corona-Rätsel und -Wunder abonnierte "Spiegel" noch nicht entdeckt hatte. Doch wie die offiziellen Zahlen des Covid-19-Dashboards der Johns-Hopkins-Universität zeigen, schien das inzwischen "Vaxzevria" genannte Vakzin von AstraZeneca in der vierten und anlaufenden 5. Welle seltsame Nebenwirkungen zu zeigen: Während in Deutschland, wo nur etwa sieben Prozent der Bürgerinnen und Bürger mit dem Impfstoff der Universität Oxford beinahe krankgespritzt wurden, ehe die EU helfend eingriff und die Vorräte nach Afrika spendete, mit steil steigender Inzidenz auch die Zahl der Todesopfer in die Höhe schießt, geschieht das in Großbritannien offenbar nicht.
Grafikkosmetische Erstauswertung
Im grafikkosmetischen Text "Der Omikron-Angriff: Falsch geimpft und doch genesen" wurde die Korrelation, die keine Kausalität sein muss, aufgearbeitet. Ist der Brite grundgenetisch besser geeignet, mit der "neuen Lungenerkrankung" (DPA) fertigzuwerden? Oder ist er - im Durchschnitt vier Jahre jünger und durch die feuchte Seeluft abgehärtet - im Umgang der neuen, tödlichen Mutanten einfach immuner? Oder liegt es gar am Impfstoff: 58 Prozent der Impfungen im Vereinigten Königreich erfolgten mit dem einheimischen, aber für Kontinentaleuropäer kreuzgefährlichen Vaxzevria. Ein deutlicher Unterschied zu Deutschland, wo der deutsche Impfstoff von Biontech erste Wahl bei Erst-, Zweit- und Boosterimpfungen ist?
Christian Drosten hat nun - fünf Tage nach PPQ.li - die letztgültige Antwort gegeben. Als "beachtliche Erkenntnisse" (Merkur) angekündigt, kommt der Wissenschaftler bei der Auswertung einer "wegweisenden Studie von Neil Ferguson zu Omikron" zum Schluss wie die PPQ.li-Epidemiologen: Das Risiko eines Krankenhausaufenthalt bei Menschen, die eine zweifache Biontech-Impfung erhalten haben, sei bei einer Omikron-Infektion ähnlich hoch wie bei der Delta-Variante. "Wer jedoch zweifach mit Astrazeneca geimpft wurde, hat ein grundsätzlich geringeres Risiko bei der Omikron-Mutante als bei Delta", so Drosten.
Ein Ritterschlag von höchsten Ortes, ein Virenverdienstkreuz geradezu plus Radiopreis und Tannenbaum erste Klasse. Und das zum Fest der Fröhlichkeit und des Friedens. Danke, Christian Drosten.
Sonntag, 26. Dezember 2021
Eine Weihnachtsgeschichte: Ein Kind ward' uns geboren, und es hieß Gefahr
"Im Corona-Labor" hat der junge Künstler Kümram diese Interpretation eines klassischen Motivs genannt. |
Zu fünft sitzen und stehen sie ums Krankenbett, ohne Anstand, ohne Maske, wie beim CDU-Parteitag. Ein Tier ist dabei, ein Esel wohl, doch er ist in dieser klassischen Szene aus einem deutschen Labor inmitten der Pandemie nicht der einzige. Mit Wohlwollen scheint der Epidemiologe rechts auf das prachtvolle ausgewachsene Exemplar des Corona-Virus zu schauen, das die diensthabende Laborantin zur Sektion aufgelegt hat.
Eine Laborantin, vier Wissenschaftler. Es ist eine grausame Lehre dieser Seuche, dass die führendsten Figuren der science genannten Ratgeberwirtschaft noch immer Männer sind. Die Institute, von Herren geführt. Die Expertenräte, überwiegend mit Kerlen besetzt, wie sie ehedem Amerika entdeckten, was nicht nur zur Ausrottung der Indianer führte. Sie heißen heute korrekt "naives" oder "first nations". Sondern auch zur männlichen Überzeugung, dort, wo alte weiße Männer das Heft des Handeln in die Hand nehmen, sei das Schlimmste überstanden.
Wie Deutschland mal Delta besiegte
Die Inder jedenfalls verdankten ihr ausbleibendes Aussterben in der Delta-Welle allein einer Bundeswehrmaschine, die eine Sauerstoffproduktionsanlage für die rund eine Milliarde Einwohner einflog. Was für eine Symbolik: Das Land mit dem größten Parlament der Welt hilft der größten Demokratie weltweit. Während daheim engagierte Wissenschaftler die Köpfe zusammenstecken, um die letzten Rätsel der neuartigen Lungenkrankheit zu lösen.
Warum kann man sie haben, ohne sie gehabt zu haben? Wieso trifft sie Deutschland immer am härtesten? Warum sinkt die Inzidenz immer, noch ehe regierungsamtliche Maßnahmen greifen? Und warum ist in allen Texten über die neue Variante Omikron immer Platz für den Hinweis, wie verbreitungsfreudig die neue Abart ist, verglichen mit der "besonders aggressiven Delta-Variante" (Karl Lauterbach). Aber immer der Raum fehlt, zu erwähnen, dass daraus nichts zu folgen scheint?
Jähe Wendungen
Im weihnachtlichen Corona-Labor (oben), nach einem historischen Vorbild gemalt vom sauerländischen Künstler Severin Jagenberg, der sich als Maler nur "Kümram" nennt, sieht man den Verantwortlichen die Spannung an. Die Wissenschaft braucht die Politik als Auftraggeber und Abnehmer, die Wissenschaft braucht aber auch den guten Willen der besten Medien des Landes, jähe Wendungen mitzumachen, immer und immer wieder, wie ein Radfahrer, der dauernd stürzt, aber stets sofort wieder aufsteigt, weil ein Reiter das tun muss, bis er den Willen seines widerspenstigen Pferdes gebrochen. Der Wille eines Fahrrades ist aus Stahl, in Bionadeadelvierteln auch mal aus Karbon oder Aluminium.
Es heißt, wenig sein, sich anpassen, meinungsflexibel und überzeugungsbereit. Die aggressivste Mutante von gestern ist morgen schon der gute Freund der schönsten Pandemietage. Der gerade für Jüngere doch ein ganz klein wenig sehr gefährliche britische Impfbrühe wird zur Todesspritze für Omikron. Die dringende Empfehlung, niemanden keinesfalls nirgendwo früher zum dritten Mal zu impfen als nach sechs Monaten, taggenau, kann morgen schon der gute Rat sein, nach drei Monaten spätestens zuzupiksen.
Behauptet und rasch verbreitet
Alles das ist Wissenschaft, alles das ist immer der Stand der Technik im Moment der amtlichen Verkündigung. Es werde "behauptet und rasch verbreitet, das Bundesministerium für Gesundheit / die Bundesregierung würde bald massive weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens ankündigen", hieß es seinerzeit, als Alpha noch für Angst und Schrecken sorgte, der "Wild-Typ", den heute jeder gern an der Weihnachtstafel bewirten würde. Eine Granatenlüge interessierter Kreis. Denn das stimmte "NICHT!", wie es amtlich hier. Und das stimmte auch, jedenfalls in jenem kleinen Augenblick. Erst 24 Stunden später kamen die massiven Einschränkungen, im Einklang mit Recht und Gesetz natürlich, wie das Bundesverfassungsgericht später richtigerweise festlegte.
Seitdem steht der Seuche eine geschlossene Front gegenüber, ein Volk im Virensturm wie ein Baumstamm, bei dem am Rand ein Splitter raussteht. Das sind die Feinde, die Querdenker, die Impfverbrecher, Spaziergänger und Hetzer, eine kleine Minderheit, ja, eine "ganze kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich unvernünftiger, verbrecherisch-dummer" Mitbürger*innen fast, denn "die meisten Maßnahmen finden eine hohe Akzeptanz", weiß die Soziologie, "90 Prozent der Bevölkerung finden die Quarantäne-Regeln gut und angemessen". So einen breiten Konsens habe man selten, zumal hier ja zugleich 52 Prozent der Menschen so zufrieden sind, dass sie zugleich noch viel schärfere Maßnahmen fordern.
Maximale Härte befohlen
Maximale Härte hat der Expertenrat befohlen, übertroffen noch vom Robert-Koch-Institut, das für noch maximalere Härte plädierte. Die Bundesregierung verweigerte sich dem Ruf der Wissenschaft, sie legte die Höchstpersonenanzahl für Weihnachtstreffen auf zehn Personen fest. Eine Zahl, die in der Expertenempfehlung so wenig vorkommt wie im RKI-Hilferuf. Wie überhaupt nirgendwo in den Handreichungen der Epidemiologen, Ethiker, Statistiker und Virusforscher irgendein konkreter Hinweis zu finden, was wie wissenschaftlich begründet am wirksamsten wäre.
Die Zahl 10 hat sich dann wohl Karl Lauterbach ausgedacht, einer muss es ja machen und zehn ist sicher sicherer als 20, 60, 80 oder 150. Ausgenommen, die 150 kommen in einem um die Jahrhundertwende gebauten Theater zusammen oder in einer vor tausend Jahren gebauten Kirche. Dort sind laut aktueller Verfügungslage auch größere und ganz große Menschenmengen sicher vor Ansteckung, nicht so jedoch in Fußballstadien unter freiem Himmel, wo sich Omikron rasend schnell verbreiten würde.
Kluge Maßnahmen, exakt zur rechten Zeit. Schon finden sie Nachahmer: Südafrika, Heimat der Omikron-Mutante, hat mit
sofortiger Wirkung die
Kontakt-Nachverfolgung bei Personen auf, die infizierten Personen
nahegekommen sind. Deutsche Schule: Hierzulande werden Kontakte schon seit Monaten nicht mehr nachverfolgt.
Tagesschau-Geburtstag: Angst als Erfolgsrezept
Die Reiter der Apokalypse: In 15 Minuten "Tagesschau" erscheint die Welt seit 70 Jahren als dunkler Ort voller grauenhafter Bedrohungen. |
Sie gilt als Hauptdanachrichtensendung der Republik, ein letztes Lagerfeuer der Reste der Informationsgesellschaft, an dem sich wärmt, wer sich für sorgfältig ausgewählte Neuigkeiten aus aller Welt interessiert. Seit Beginn des Sendebetriebes hat sich die "Tagesschau" ein herausragendes Renommé erarbeitet, über die Jahre gesehen ist sie erfolgreicher sogar als "Bares für Rares", "Rate mal, was Du weißt" mit Günther Jauch und "Tatort".
Die immer noch im westdeutschen Hamburg produzierte Sendung hat sich dabei zu einem regelrechten Sammelbecken für schlechte Nachrichten, fürchterliche Neuigkeiten und Hinweise auf beunruhigende Entwicklungen entwickelt. Wenn der 20 Uhr-Gong ertönt, wird es dunkel in Deutschland, die Zukunftsaussichten trüben sich ein und obwohl immer wieder Regierungsvertreter gezeigt werden, die große Pläne zur Rettung von diesem und jenem ankündigen, liegt über dem Gesamtsendebetrieb ein Hauch von Weltuntergangsstimmung.
Niederschmetternde Schlagzeilen
Kaum einem anderen Format diesseits von "Lost", "Fear the Walking Dead" und "The Cloverfield Paradoxon" gelingt es so formvollendet, ein redaktionelles Angebot mit derart niederschmetternden Schlagzeilen zu produzieren. "Weltklimarat sieht raschere Erderwärmung", "Corona-Lage spitzt sich zu" und "Deutscher in Ägypten gestorben" erzeugen zuverlässig. Mit großem Erfolg: Sieben Jahrzehnte nach Ausstrahlung der ersten Sendung gelten die Deutschen weltweit als das Volk, das am meisten Angst vor allem hat, von den größten Sorgen geplagt wird und kaum einen Ausweg aus der verfahrenen Situation sieht, stets von allem am schlimmsten betroffen zu sein.
Angst ist etwas Gutes", so lautet die Grundausrichtung der "Tagesschau", die zum Start am 26. Dezember 1952 noch in vollgequalmten Büros zusammengeschnitten und in einem blassen schwarzweiß ausgestrahlt wurde. Seitdem ist vieles besser geworden, nicht aber die alltäglichen Dystopien, über die ein regelmäßiges Publikum von zwischen sechs und zehn Millionen Menschen informiert wird. Es ist ein Albtraum, der sich bis hin zum früher belächelten Internetangebot der Sendung zieht, das seine Aufgabe als Ausgabestelle für Alarmnachrichten ernst nimmt und sogar die Wissenschaft widerlegen konnte. Galt es viele Jahre als als gesicherte Erkenntnis, dass Information in der Regel zu einem Abbau von Angst führt, glückte hier im Dreiklang von TV-Nachrichten, Radiogedudel und Internetangebot der Beweis des Gegenteils.
Hauptquelle der German Angst
Noch vor "Spiegel", Süddeutscher Zeitung", "Bild", "Taz" und den vom RND mit dystopischen Fantasien versehenen 428 Lokalzeitungen im Land ist die "Tagesschau" damit zur wichtigsten Plattform der Verbreitung von Furcht und Angst in Deutschland geworden. Für nur 1.844 Euro Produktionskosten pro Erstsendeminute bekommt das Publikum verlässliche Hiobsbotschaften, Nachrichten über das beständige Ansteigen von Hass und Hetze, packende Grafiken aus dem Pandemiekampf der jeweiligen Bundesregierung und Kommentare, die sich entschlossen gegen Schwurbler, Hitler-Anhänger, verlotterte Freiheitsfetischisten und Gegner*innen einer beschleunigten europäischen Integration mit klarer Kante gegen französischen und polnische Atompläne richten.
Es ist das Grundgesetz der "Tagesschau", das hier allabendlich zu besichtigen ist. Reißerische Überschriften über scheinbar seriösen Berichten. Schwere Wagen, die bedeutungsschwanger vor Gebäuden anhalten, in denen Frauen und Männer im Namen der Bevölkerung gleich über das Schicksal der Welt entscheiden werden. Kleine Bühnen in Berlin, Brüssel, Paris und - nur gelegentlich - anderen Hauptstädten, auf denen Demokraten, die treu zur gemeinsamen Sache stehen, entschlossen Front machen gegen das Klima, gegen Unbelehrbare, Populisten, Republikaner und Hetzer, gegen allzu freien Handel und Russen, Chinesen, Katarer.
Frauen nur als Ornament
Viele Beiträge können frauenfeindlich gelesen werden, denn auch ein halbes Jahrhundert nach dem Start der neuen Frauenbewegung dürfen weibliche Moderatoren die üblen und frustrierenden Neuigkeiten vom Erstarken des Faschismus, dem Überschwappen des Populismus und der Weigerung selbst enger Verbündeter zur Einsicht zwar verlesen.
Doch selbst sind Frauen hier nahezu nie an einem Übel federführend beteiligt, sie werden zum Objekt reduziert, das in einer männlich geprägten politischen Welt allenfalls mitmachen, nie aber selbst bedeutsame Akzente setzen kann. Selbst die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel machte da keine Ausnahme: Die "mächtigste Frau der Welt" (Forbes) wurde redaktionell stets nur als ziel- und meinungslose Moderatorin beschrieben, der es damit gar nicht gelingen konnte, eine von Eigeninteressen geleitete Machtpolitik durchzusetzen.
Jeden Abend ein Blick von oben
Die ,Tagesschau' veröffentlicht eigentlich ausschließlich Sachen, die einen Blick von oben abbilden", sagt der Medienforscher Hans Achtelbuscher, der am An-Institut für angewandte Entropie bei der Bundeskulturstiftung seit Jahren zum Themensterben in den deutschen Medien forscht. Traditionell hänge die Redaktion, die das wichtigste Regierungsinstrument jedes Bundeskabinetts gestaltet, sichtlich einer "paternalistischen Betreuungsillusion" an, sagt der Forschende, dem die Entdeckung des ersten Gesetzes der Mediendynamik gelang. Danach passen Weltereignisse eines Tages in keinen Schuhkarton, immer aber exakt in 15 Minuten "Tagesschau". Selbst wenn dazu im Sportteil, der den harten Kern der trüben Aussichten traditionell Richtung Unterhaltungsprogramm abpolstert, gelegentlich von Handball, Golf oder Tennis berichtet werden muss.
Die Nachrichtenproduktion bei ARD-aktuell funktioniere im Grunde wie eine Tele-Novela", erklärt Achtelbuscher. Es gebe im Tagesgeschäft mit der irrationalen Angst vor allem und jedem wiederkehrende Figuren, deren Rollen als rassistisch, antisemitisch und weit außerhalb der akzeptablen Grenzen angelegt worden seien. Dieses überschaubare Personal an Bösewichtern, das generell von abscheulichen Motivationen, verbrecherischen Absichten und einer tiefsitzenden inneren Verderbtheit getrieben werde, diene als Kristallisationspunkt für verbale Abwehrübungen, in denen sich Lichtgestalten stark machen für das Gute, das in übereinstimmenden Überzeugungen von Bundesregierung und Tagesschau gründe.
Die Sendung bietet den Betreffenden Gelegenheit, sich in Form von 15-sekündigen Zitaten stark zu machen gegen EU-Feinde, Klima-Leugner, Corona-Gegner und Impfverbrecher", beschreibt Hans Achtelbuscher das Produktionsverfahren. Der Ausfall tragender Protagonisten des "Puppentheaters" (Achtelbuscher) - ehemals etwa Donald Trump, der Franzose Sarkozy oder die Britin Theresa May, zuletzt aber vor allem EU-Chef Jean-Claude Juncker, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und Kanzlerin Angela Merkel - werde durch Neubesetzung umgehend ausgeglichen. Wobei es durchaus Ausnahmen von der Regel gebe, so der Wissenschaflernde: "Seit Schulz dem EU-Parlament nicht mehr vorsteht, ist dieser Frühstücksdirektorenposten auch für die ,Tagesschau' überhaupt nicht mehr von belang."