"Im Corona-Labor" hat der junge Künstler Kümram diese Interpretation eines klassischen Motivs genannt. |
Zu fünft sitzen und stehen sie ums Krankenbett, ohne Anstand, ohne Maske, wie beim CDU-Parteitag. Ein Tier ist dabei, ein Esel wohl, doch er ist in dieser klassischen Szene aus einem deutschen Labor inmitten der Pandemie nicht der einzige. Mit Wohlwollen scheint der Epidemiologe rechts auf das prachtvolle ausgewachsene Exemplar des Corona-Virus zu schauen, das die diensthabende Laborantin zur Sektion aufgelegt hat.
Eine Laborantin, vier Wissenschaftler. Es ist eine grausame Lehre dieser Seuche, dass die führendsten Figuren der science genannten Ratgeberwirtschaft noch immer Männer sind. Die Institute, von Herren geführt. Die Expertenräte, überwiegend mit Kerlen besetzt, wie sie ehedem Amerika entdeckten, was nicht nur zur Ausrottung der Indianer führte. Sie heißen heute korrekt "naives" oder "first nations". Sondern auch zur männlichen Überzeugung, dort, wo alte weiße Männer das Heft des Handeln in die Hand nehmen, sei das Schlimmste überstanden.
Wie Deutschland mal Delta besiegte
Die Inder jedenfalls verdankten ihr ausbleibendes Aussterben in der Delta-Welle allein einer Bundeswehrmaschine, die eine Sauerstoffproduktionsanlage für die rund eine Milliarde Einwohner einflog. Was für eine Symbolik: Das Land mit dem größten Parlament der Welt hilft der größten Demokratie weltweit. Während daheim engagierte Wissenschaftler die Köpfe zusammenstecken, um die letzten Rätsel der neuartigen Lungenkrankheit zu lösen.
Warum kann man sie haben, ohne sie gehabt zu haben? Wieso trifft sie Deutschland immer am härtesten? Warum sinkt die Inzidenz immer, noch ehe regierungsamtliche Maßnahmen greifen? Und warum ist in allen Texten über die neue Variante Omikron immer Platz für den Hinweis, wie verbreitungsfreudig die neue Abart ist, verglichen mit der "besonders aggressiven Delta-Variante" (Karl Lauterbach). Aber immer der Raum fehlt, zu erwähnen, dass daraus nichts zu folgen scheint?
Jähe Wendungen
Im weihnachtlichen Corona-Labor (oben), nach einem historischen Vorbild gemalt vom sauerländischen Künstler Severin Jagenberg, der sich als Maler nur "Kümram" nennt, sieht man den Verantwortlichen die Spannung an. Die Wissenschaft braucht die Politik als Auftraggeber und Abnehmer, die Wissenschaft braucht aber auch den guten Willen der besten Medien des Landes, jähe Wendungen mitzumachen, immer und immer wieder, wie ein Radfahrer, der dauernd stürzt, aber stets sofort wieder aufsteigt, weil ein Reiter das tun muss, bis er den Willen seines widerspenstigen Pferdes gebrochen. Der Wille eines Fahrrades ist aus Stahl, in Bionadeadelvierteln auch mal aus Karbon oder Aluminium.
Es heißt, wenig sein, sich anpassen, meinungsflexibel und überzeugungsbereit. Die aggressivste Mutante von gestern ist morgen schon der gute Freund der schönsten Pandemietage. Der gerade für Jüngere doch ein ganz klein wenig sehr gefährliche britische Impfbrühe wird zur Todesspritze für Omikron. Die dringende Empfehlung, niemanden keinesfalls nirgendwo früher zum dritten Mal zu impfen als nach sechs Monaten, taggenau, kann morgen schon der gute Rat sein, nach drei Monaten spätestens zuzupiksen.
Behauptet und rasch verbreitet
Alles das ist Wissenschaft, alles das ist immer der Stand der Technik im Moment der amtlichen Verkündigung. Es werde "behauptet und rasch verbreitet, das Bundesministerium für Gesundheit / die Bundesregierung würde bald massive weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens ankündigen", hieß es seinerzeit, als Alpha noch für Angst und Schrecken sorgte, der "Wild-Typ", den heute jeder gern an der Weihnachtstafel bewirten würde. Eine Granatenlüge interessierter Kreis. Denn das stimmte "NICHT!", wie es amtlich hier. Und das stimmte auch, jedenfalls in jenem kleinen Augenblick. Erst 24 Stunden später kamen die massiven Einschränkungen, im Einklang mit Recht und Gesetz natürlich, wie das Bundesverfassungsgericht später richtigerweise festlegte.
Seitdem steht der Seuche eine geschlossene Front gegenüber, ein Volk im Virensturm wie ein Baumstamm, bei dem am Rand ein Splitter raussteht. Das sind die Feinde, die Querdenker, die Impfverbrecher, Spaziergänger und Hetzer, eine kleine Minderheit, ja, eine "ganze kleine Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich unvernünftiger, verbrecherisch-dummer" Mitbürger*innen fast, denn "die meisten Maßnahmen finden eine hohe Akzeptanz", weiß die Soziologie, "90 Prozent der Bevölkerung finden die Quarantäne-Regeln gut und angemessen". So einen breiten Konsens habe man selten, zumal hier ja zugleich 52 Prozent der Menschen so zufrieden sind, dass sie zugleich noch viel schärfere Maßnahmen fordern.
Maximale Härte befohlen
Maximale Härte hat der Expertenrat befohlen, übertroffen noch vom Robert-Koch-Institut, das für noch maximalere Härte plädierte. Die Bundesregierung verweigerte sich dem Ruf der Wissenschaft, sie legte die Höchstpersonenanzahl für Weihnachtstreffen auf zehn Personen fest. Eine Zahl, die in der Expertenempfehlung so wenig vorkommt wie im RKI-Hilferuf. Wie überhaupt nirgendwo in den Handreichungen der Epidemiologen, Ethiker, Statistiker und Virusforscher irgendein konkreter Hinweis zu finden, was wie wissenschaftlich begründet am wirksamsten wäre.
Die Zahl 10 hat sich dann wohl Karl Lauterbach ausgedacht, einer muss es ja machen und zehn ist sicher sicherer als 20, 60, 80 oder 150. Ausgenommen, die 150 kommen in einem um die Jahrhundertwende gebauten Theater zusammen oder in einer vor tausend Jahren gebauten Kirche. Dort sind laut aktueller Verfügungslage auch größere und ganz große Menschenmengen sicher vor Ansteckung, nicht so jedoch in Fußballstadien unter freiem Himmel, wo sich Omikron rasend schnell verbreiten würde.
Kluge Maßnahmen, exakt zur rechten Zeit. Schon finden sie Nachahmer: Südafrika, Heimat der Omikron-Mutante, hat mit
sofortiger Wirkung die
Kontakt-Nachverfolgung bei Personen auf, die infizierten Personen
nahegekommen sind. Deutsche Schule: Hierzulande werden Kontakte schon seit Monaten nicht mehr nachverfolgt.
>> "90 Prozent der Bevölkerung finden die Quarantäne-Regeln gut und angemessen"
AntwortenLöschenIn Dunkelschwarz-Sachsen sind es 99,8%, wie Oberkommissar Kretschmer ermittelt hat.
"99,8% der Bürger gehen nicht spazieren, stehen zu diesen Maßnahmen."
https://twitter.com/Marie_Kr2/status/1474054728497733635
RKI:
AntwortenLöschenDie bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz ist im Vergleich zum Vortag erneut gesunken. Das Robert Koch-Institut (RKI) gab den Wert der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner*innen und Woche am Freitagmorgen mit 265,8 an.
auch RKI:
So warnte RKI-Chef Lothar Wieler am Mittwoch vor einer Überlastung des Gesundheitssystems und einer Beeinträchtigung kritischer Versorgungsstrukturen, sollte die Omikron-Welle nicht mit strikten Maßnahmen gebremst werden können.
Kann ja sein, dass der Viehdoktor zuviel Glühwein hatte und nun die Platte hängt, aber es stellt eben auch keiner mehr Fragen.