Immer war sie da, immer am selben Tag, immer zur selben Zeit, zur selben Stunde. Ehe ein Jahr richtig begann, tauchte Angela Merkel auf, vor wechselnden Hintergründen, die die jeweils wechselnde Bedeutung Deutschlands und Europas betonten. Mit wechselnden Reden voller Zuspruch, Mahnung und Ermutigung. Nie sagte sie dasselbe, aber immer irgendwie das Gleiche. Keine der Neujahrsansprachen der Kanzlerin wurde doppelt gesendet, und doch hatten alle immer schon alles gehört, ehe das erste Wort gesprochen worden war.
Jetzt ist es vorbei. Die neue Jamaika-Koalition gönnt es der Rekordkanzlerin nicht, auch noch den letzten möglichen Titel zu und nach Konrad Adenauer auch Helmut Kohl einzuholen. Am 17. Dezember wäre es soweit gewesen, die Ostdeutsche aus Hamburg hätte auf 5.870 Tage im Amt zurückschauen können, einen mehr als Kohl durchgehalten hatte. Es hat aber nicht sein sollen.
Elf Tage werden fehlen
Nun also jetzt schon der Großer Zapfenstreich, den Helmut Kohl, in der ARD inzwischen als "Hemuth Kohl" geführt, im Oktober 1998 erlebte. Die Trompeten tragen Trauer, die die "Tagesschau" erscheint im Trauerflor, das ZDF überträgt die Show live. Die 16-jährige Amtszeit von Kanzlerin Merkel, sie endet mit einem zünftigen Blaskonzert der Bundeswehr, das "Ende einer Ära" (ZDF) zur Melodie eines DDR-Schlagers - was könnte besser passen zum Finale einer Amtszeit, die so lang war, das Abiturienten in Deutschland sich an keine andere Regierungschefin erinnern können.
Wir werden sie noch vermissen", ruft die "Tagesschau", im Grunde das amtliche Begleitmedium der Heldentaten der Hamburgerin spätestens seit der Bankenkrise. Alle anderen werden die Frau im immergleichen Blazer zumindest nie vergessen, die damals im richtigen Moment in der richtigen Zeitung den richtigen Text platziert hatte, um aus der Unsichtbarkeit des Kohlschen Mädels zur Hoffnungsträgerin einer Volkspartei zu werden.
Angela Merkel brauchte 16 Jahre und vier Amtszeiten, danach war die CDU das nicht mehr und auch das Land, das sie stets so erfolgreich regiert hatte, war ein anderes geworden: Deutschland ist allgemein geteiltem Befund von Spitzenpolitik und Medien im Inneren gespalten wie nie, es ist außenpolitisch ein Zwerg und wirtschaftlich ein Scheinriese. Ganz vorn liegt der frühere Exportweltmeister bei der Steuerbelastung der Bürger, beim Strompreis, bei der Anzahl ehrgeiziger Klimaziele und bei der Zahl der neuen Corona-Infektionen.
Das bleierne Gefühl
Wie bei Kohl und Adenauer hinterlässt auch Angela Merkel das bleierne Gefühl, es sei zu lange gewesen. Seit sie vor vier Jahren noch einmal antrat, um - so hat sie es selbst begründet - Donald Trump nicht die Weltherrschaft zu überlassen - hat sich Deutschland mehr und immer mehr wieder in den kranken Mann Europas verwandelt. Was in den Schröder-Jahren an Muskeln antrainiert wurde, unter Merkel setzte es Speck an. Das Gesparte wurde verfrühstückt, die gerade erwachte wirtschaftliche Dynamik mit Wiegenliedern erstickt, in denen mal der eine, dann der andere und dann noch der dritte Ausstieg aus Irgendwas besungen wurde.
Aus Berlin kam nichts anderes mehr als die Idee, man könne ohne dies viel besser, ohne das sehr gut und unter Verzicht auf jenes erst recht. Mehr war nicht, nicht einmal Kritik von dort, wo frühere Kanzler anderes als Kritik nie zu erwarten hatten. Nicht vor Corona und danach erst recht nicht. Merkel eilte von Krise zu Krise, von Schuldenrekord zu Schuldenrekord. Sie gab Macht auf, um ihre Macht zu erhalten, sie taktierte und fuhr auch durch die Seuche stets auf Sicht. Erfolgreich: "In der Beliebtheitsskala deutscher Politiker liegt sie klar auf Platz eins", applaudiert ihr die "Tagesschau" mit einer Träne im Knopfloch.
Alles gerettet, alles verloren
Die Kanzlerin selbst, sie geht nach all den endlosen Jahren der Rettung der Welt, der Euro, Europas, des Klimas und des Frieden mit "freudigem Herzen" (Merkel). Doch für die, die an ihrer Seite standen, kommen bittere Zeiten. Das Ende Merkels ist auch ein bisschen das Ende einer Welt, wie sie anders kaum noch vorstellbar schien. Das Puppentheater der Bühnendarsteller von Altmann bis Kramp-Karrenbauer, dahinter das Ballett derer im Dunkeln, die man nie sieht, und dazu die Lautsprecher, die zugleich auch ihre eigenen Faktenchecker sein durften, weil Widerspruch in den Merkel-Jahren schnell als Verrat gewertet wurde.
In ihren letzten Worten hat Angela Merkel die Erkenntnisschwierigkeiten, die sie über mehr als drei Jahrzehnte in der Politik nie loswerden konnte, noch einmal klar umrissen. Corona, Digitalisierung, Klima, diese Probleme müssten nun gelöst werden, sagte sie. Ohne die "Mutti" (Spiegel), die das "Land in den vergangenen 16 Jahren sicher durch stürmische Zeiten geführt hat: mit ruhiger Hand, hoher Sachkenntnis und einem ungeheuren Arbeitspensum" (Tagesschau), scheint das kaum vorstellbar.
Zumindest das hohe Pensum der Arbeitsessen ist ihr deutlich anzusehen. Tja, es hat auch Vorteile, wenn man sich zum Essen ausstechen muss ...
AntwortenLöschenAb jetzt wird sie wahrscheinlich eine unwichtige Person werden, was ihr noch schwer auf die Füße fallen wird, denn die "neuen" politischen Eliten werden für die kommenden Probleme/Katastrophen einen Schuldigen suchen, der sie nicht sein wollen. Und dafür ist sie dann hervorragend geeignet, nach dem Motto des Theaterstücks "Ich war es nicht, Angela Merkel war es". All die "treuen" Medien werden mit der Zeit auf diese Linie einschwenken. Und sie wird sich nur noch retten können, wenn sie sich geistig verabschiedet - potentielle Überschrift "Angela Merkel an Alzheimer erkrankt" und im Text: "Daran könne sie sich nicht erinnern." Voraussage: in zwei, drei Jahren werden wir auf der Suche nach ihr nur noch eine relativ verlotterte Person finden. Arme alte Frau!
AntwortenLöschenOft reicht ein simples Essen, um die gewünschten Rechtsstaats-Ergebnisse serviert zu bekommen. ---
AntwortenLöschenDas glaubst Du doch nicht wirklich? Bedenklich ich das finde.
Oft reicht ein simples Essen, um die gewünschten Rechtsstaats-Ergebnisse serviert zu bekommen ---
AntwortenLöschenAlso wenn schon wegputzen, dann auch die Kommentare (Oskar Maria Graf, Verbrennt mich)
Schneegriesel. Erinnert mich an Anfang der 80er, als die Krähen
tot vom Baum fielen, und ich erst vom Lesesaal, dann vom Dojo im Sargdeckel ankam und in meiner Einfalt mit verglasten Tonsillen nach Glühwein fragte. Uns Rolf: Hier wird Bier jetrunken! Wie flüssiges Helium, im Sommer ja noch ganz angenöhm. Aber überlebt.