Dienstag, 9. November 2021

In deutschen Intensivbetten: Weniger ist mehr

Kurz vor dem ersten Jahrestag des lockdown light, der im Seuchenjahr 1.0 zu einem friedlichen Weihnachtsfest verhelfen sollte, ehe das dann nicht ganz klappte, ist das politische Deutschland doch ganz Kind geblieben. Mit denselben Stauneaugen wie 2020 schauen die geschäftsführenden Verantwortungsträger auf das Inzidenzgeschehen, die Ampelmännchen und -frauen schauen zurück, neue Pläne im Tornister, aber selbst noch im Unklaren darüber, wie rasch rasch am Ende in Sacken und Tüten geschweißt werden kann.


Der große deutsche Bettenbetrug

Längst ist die Inzidenz abgeschafft, längst gilt der bange Blick der Medien dem Deutschen Intensivregister, das die Zahl  der freien Aufnahmekapazitäten für Covid-Patienten taggetreu ausweist. Ein knappes halbes Jahr nach dem großen deutschen Bettenbetrug, der in letzter Instanz als rechtsquerdenkerischer Verleumdungsversuch enttarnt werden konnte, ist die Lage rein rechtlich wieder unumstritten: Es gäbe ausreichend genug Betten, wären das nicht die infizierten Ungeimpften, die dafür sorgen, dass es zu wenige freie Betten gibt.

Die Statistik der Medienbeiträge ist eindeutig. Hier sind "alle Intensivbetten belegt", dort ist die Lage angespannt bis zum Zerreißen. Mediziner sehen sich gezwungen, den hippokratischen Eid beiseitezulassen. Politiker drohen, dass auf den Stufen der städtischen Kliniken werde sterben müssen, wer jetzt immer noch nicht mitmache. Die explodierende Zahl der Infektiösen bringt das Gesundheitswesen unter Druck, so lautet die landläufige Erklärung. Schon liege die Hospitalisierungsinzidenz bei 3,91, Tendenz weiter steigend.

Die angesteckten Immunisierten

Angesichts eines bisherigen Höchstwertes von über 15 hört sich das wenig dramatisch an. Doch die "Pandemie der Ungeimpften" (Kretschmer) bedroht alle, ein Drittel der Bürger:innen zieht den immunisierten Rest mit in den Abgrund. Die Zeitmaschine ist ein Jahr zurückgesprungen: Die Kurve des Infektionsgeschehens im Herbst 2020 gleicht der des Herbstes 2021 exakt, nur dass die Sieben-Tage-Inzidenz damals deutlich niedriger lag. Und, das ist vielleicht das größte aller Wunder, die das an Corona-Wundern nicht eben arme Deutschland in den zurückliegenden 18 Monaten erlebt hat: Die Zahl der Corona-Intensivpatienten lag damals um ein Drittel höher. Wie auch die Zahl sofort verfügbarer Intensivbetten im Jahr 2020 im Durchschnitt ein Drittel höher lag als heute.

Die Grafiken des Divi-Registers zeichnen ihre eigene  Corona-Geschichte. Stieg die Anzahl verfügbarer Intensivbehandlungsplätze in deutschen Krankenhäusern vom Tag der Pandemie-Ausrufung bis bis Ende Juli 2020 von knapp über 6.000 auf beinahe 40.000, sorgten veränderte Förderrichtlinien der Bundesregierung ab Ende Oktober 2020 für einen "freien Fall" (Ärztezeitung). Anfang August 2020 meldeten deutsche Krankenhäuser noch über 10.000 sofort verfügbare freie Betten und 12.000 weitere als Notfallreserve. Ein Jahr danach sind nur noch 2.600 Betten frei und die Notfallreserve ist auf knapp über 10.000 Betten geschrumpft. Nur so kommt es, dass 19.282 auf Intensivstationen betreute Patienten am 6. November 2021 mehr Überlastungsalarm auslösen als es mehr als 21.000 Intensivpatienten Ende April vermochten.

Nicht der Anstieg der Patientenzahlen, sondern der - vor einem Jahr eigentlich von Faktencheckern bereits abschließend und endgültig widerlegte - Rückgang der Betten ist ursächlich für die andauernde Anspannung der nationale Lage von bedeutsamer Pandemie. Eine bemerkenswerte Entwicklung, die allerdings jedem Betrachter beim ersten Blick auf die amtliche Statistik ins Auge fällt. Umso erstaunlicher, dass Medienberichte zum nationalen Bettennotstand flächendeckend und ausnahmslos das Klagelied der überfüllten Intensivstationen singen, auf denen "kein Bett mehr frei" sei, wie das Werbeportal T-Online formuliert. Der seit 14 Monaten anhaltende, nachhaltige und zielgerichtete Rückbau von Intensivkapazitäten im ganzen Land dagegen wird nicht nur nirgendwo erwähnt, sondern sogar nach Kräften bestritten.

5 Kommentare:

  1. Es darf nicht dazu kommen, dass das Interregnum zum Säen von Zweifeln am vorbestimmten Ziel missbraucht wird! Der Parteien- und Medienblock muss auf der Hut sein!

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  2. Der lachende MannNovember 09, 2021

    @PPQ Sehr guter Beitrag!

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  3. Nur um mal auf den aktuellen Stand zu kommen: Bei welcher Variante sind wir jetzt eigentlich, Lampda, Kappa oder Iota?

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  4. es ist immer noch delta, eine besonders aggressive variante, die grassiert

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