Es war schließlich ein ganz normaler Mitarbeiter, der als Hobby Pneumatik betreibt, dem es am Ende einer langen Nachtsitzung doch noch gelang, einer der zentralen Fragen der deutschen Corona-Strategie zu beantworten. Es habe zu diesem Zeitpunkt bereits Verzweiflung geherrscht im Beratungskeller der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) tief unter dem Berliner Bundeskanzleramt, gesteht BWHF-Chef Rainald Schawidow. "Unsere Aufgabe war klar, aber es schien keine Möglichkeit zu geben, sie wie gewohnt zu erfüllen."
Wirkverluste als Verbalvorteil
Dabei hatte die scheidende Bundesregierung keinen Zweifel daran gelassen, dass Wohl und Wehe der Pandemiebekämpfung einmal mehr von einem gelungenen Framing abhängig sein wird. Mit dem neudeutschen Wort, Schawidow weißt ausdrücklich darauf hin, dass es vom private US-Konkurrenten Term Fogging Factory Inc (TFF) erfunden wurde, beschreiben Verbalwerker weltweit die Diskussionsführung durch sogenanntes Wording. Dabei werden neugeschöpfte Begriffe so lange konzentriert auf unangenehme Zeiterscheinungen angewendet, bis die ausschließlich verbale Beschäftigung damit nach außen zu einer Problemlösungsillusion geführt hat.
Für die aufgrund des einen Teil der Bevölkerung zunehmend beunruhigenden Teilwirkversagens der Corona-Impfstoffe, das zugleich den - im vergangenen Jahr in der BWHF enstandenen - "Querdenkern" und "Corona-Leugnern" in die kruden Karten spielt, beauftragte das Bundesgesundheitsministerium bereits Ende September die Erschaffung eines Synonyms für das nach Ansicht der führendsten Gesundheitspolitiker schwer vermittelbare Wort Nachimpfung.
Doppelt hält nicht besser, aber dreifach
Klare Maßgabe sei gewesen, mit dem neuen Wort keinen Zweifel an der Wirkung bisheriger Impfungen zuzulassen. "Es sollte eher darum gehen, noch einen Löffel für den Geschmack draufzugeben." Von "Turbo", "Auffrischungsimpfung" und "Wirkungsverstärkungschuss" habe man anfangs in der kleinen Runde der Worthülsendreher und Propagandapoeten gesprochen, erzählt Schawidow. "Aber das hat uns alles überhaupt nicht überzeugt."
Wie aber, beschreibt Deutschlands führender Verbalideologe, hätte ein solcher neuer Kampfbegriff die Medien mitnehmen sollen? Bei Auffrischungsimpfung sei er anfangs zwar zuversichtlich gewesen, weil "das Wort recht positiv klingt, denn es ruft ja eine Assoziation von Frischetuch und frischer Wurst hervor", sagt er.
Der Durchbruch kam dann allerdings trotzdem erst, als die Expertenrunde beinahe schon aufgegeben hatte. "Der junge Kollege, der in seiner Freizeit auch Hobbypneumatiker ist, was wir bis dahin gar nicht wussten, kam dann mit dem Wort Booster um die Ecke." Dabei handelt es sich um einen Fachbegriff aus dem englischen Eisenbahnwesen, der ursprünglich für eine kleine zweizylindrige Dampfmaschine verwendet wurde, die in der Jungsteinzeit der Dampflokomotiven-Ära einen Hilfsantrieb bezeichnete, der die hintere Laufachse oder die erste Achse des Schlepptenders antrieb. "Später hat das Wort dann in der Weltraumfahrt Karriere gemacht, es ist ihm aber nie gelungen, etwa im Automobilbau insbesondere bei Hybridfahrzeugen Verwendung zu finden."
Tempo machen und bremsen
An diese auch Tender-Booster genannten gekuppelten Rädern an den Drehgestellen bestehen, die Tempo machen und zugleich die Maximalgeschwindigkeit der Lokomotive begrenzen, habe sich der junge Mitarbeiter erinnert gefühlt. Der Impfbooster mache schließlich Tempo bei der Antikörperproduktion und bremse gleichzeitig die Verbreitung von Intensivstationsüberlastungsartikeln. Das entspreche exakt der klassischen Booster-Definition, nach der ein Booster allgemein ein Amplitudentransformationsstück bezeichne, das einen bereitgestellte Schwingweite verändere und je nach Ausrichtung verstärke, so der Pneumatikfachmann.
Im selben Moment wusste ich, das ist es, wir haben es", sagt Rainald Schawidow, der sein außergewöhnliches Talent bei der Erfindung von sogenannten Null-Nomen schon mit den Begriffen "Rettungsschirm" und "Energiewende", "Schuldenbremse" und "Wachstumspakt", "Stromautobahn" oder "Obergrenze mit atmendem Deckel" bewiesen hat.
Buchstabengleiche Übersetzung
Nach dem "Lockdown", bei dem die BWHF aus Grpünden der Vergegenwärtigung der globalen Lage von nationaler Bedeutung zu einem englischspracheigen Begriff, ist auch "Booster" wieder eine buchstabengleiche Übersetzung aus dem Englischen in einer Übersetzungen von zwischen 1:1,5 und 1:2,5. Verstünden Briten und Amerikaner unter einem Booster vor allem einen Booster im Sinne eines Verstärkers, ziele die neue deutsche Interpretationsanleitung auf die Aufnahme des Wortes als "Verbesserer" und fantastischer "Wirkungsverlängerer".
In einer ersten Auswertung der medialen Aufnahmebereitschaft, sagt Schawidow, habe sich gezeigt, dass das Ziel erreicht worden sei, das Versagen der Grundimmunisierung, wie sie die BWHF im vergangenen Jahr semantisch auf den Markt gebracht habe, nicht als Rückschlag zu vermarkten, sondern als Chance: Da die Lagerung der Vorräte an Boostern nicht zentral in der BWHF erfolge, sondern in den Landesworthülsenzentralen (LaWZ) und beim neugegründeten Europäischen Amt für einheitliche Ansagen (AEA) - "übrigens häufig mittels eines Spannrings" wie Schawidow verrät - sei der Begriff europaweit nahezu in Echtzeit ausgerollt worden. "Wir sehe auch heute schon, dass an Orten geboostert wird, an die wir anfangs überhaupt nicht gedacht hatten."
Erste Lehren hat die BWHF bereits aus den Schwierigkeiten beim Erfinden des Impfwortboosters gezogen. "Uns ist es unmittelbar im Anschluss daran gelungen, ein Null-Nomen zu kreieren, das bruchlos eingesetzt werden kann, wenn die Booster-Phase beendet ist", erklärt Rainald Schawidow sichtlich stolz. Mit einer Vermarktung der vierten Corona-Spritze als "Warp"-Impfung werde Deutschland gut aufgestellt sein. "Ich bin guter Hoffnung, dass sich unsere Benennung sogar europa- und weltweit durchsetzt".
Da auch die dritte Impfung die Infektionen nicht magisch wegzaubert, wird man wohl bald mehr schwere Worthülsen benötigen.
AntwortenLöschenMICHAELANGELO
AntwortenLöschenSchon Paul Watzlawick wusste, dass die allgemein akzeptierte Lösung das eigentliche Problem sein kann. Wer „Impfen“ für die Lösung hält, verwechselt derzeit beides noch. Ob der corona-gespritzte Tony das eigentliche Problem verstehen würde, wenn man für ihn die „Auffrischimpfung“ passenderweise in „Auffrischinfektion“ umbenennt?
Da fällt mir ein, Fancy Jensi wollte doch unbedingt einen Boaster-Gipfel! Moment mal – hieß das nicht Booster? Keineswegs, ist schon richtig: Boaster (englisch) = Prahler, Großtuer, Angeber, Schaumschläger.
der Trittbrettschreiber
AntwortenLöschenam Start der 4. Welle (wunderbar senilisierendes Fußballvokabular)
https://www.burks.de/burksblog/2021/11/03/alles-minitrans-und-aktivistisch#comment-345681