Mittwoch, 10. November 2021

Entweder Broder: Satire darf alles, aber nicht immer

Provozierend lehnte sich "Die Welt" anfangs an eine "Titanic"-Schlagzeile von 1992 an. Später wurde ein Einsehen gezeigt und umfassend korrigiert.

Es sind eiserne, aber ungeschriebene Gesetze, die nirgendwo stehen, mit unsichtbarer Tinte ins große Gesetzbuch der der deutschen Satirerichtlinien gemeißelt, von jedem Aktiven des Fachs vor der Abschlussprüfung bei der Bundeshumorzulassungskommission (BHZK) zu bimsen, bis das letzte Komma sitzt, wo es muss. Die Vorschriften zur Kennzeichnung von Satire schützen die Gemeinschaft gegen den Missbrauch von Spaß und spontaner Freude, von Witz und unbeschwertem Lachen zu falschen Zwecken, sie erlauben es, lustig zu sein, ohne den Falschen in die Falle zu gehen, denn nichts hinterlistiger als Satire, die sich als ernste und seriöse Nachricht ausgibt.  

Wider Zügellosigkeit und Anarchie

Gerade Corona hat gezeigt, wohin Zügellosigkeit und Anarchie beim der Bewältigung titanischer Herausforderungen führen. So wurden über eine ernste Warnung des Bundesgesundheitsministerium, dass von Feinden der FDGO "behauptet und rasch verbreitet" werde, "das Bundesministerium für Gesundheit / die Bundesregierung würde bald massive weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens ankündigen", üble Witze gemacht, obwohl der Anlass der Warnung sehr ernst und fester Glaube an die Zusicherung, das stimme "NICHT" (im Original) äußert angebracht war. Das scharfe Schwert der Satire, es hätte hier nichts zu schneiden gehabt, wären alle gesetzlichen Vorgaben zur Ausübung von Humor beachtet worden.

Denn Satire darf natürlich alles. Sie darf über Zickenficker Lachen machen, die darf Polizisten in den Müllbeutel stopfen und ganzen Staaten den baldigen Volkstod wünschen, allerdings eben nur, so lange grundgesetzkonformer Humor ein gemeinsinnstiftendstes Gelächter erzeugt und Menschenverachtung als subtiles Stilmittel eingesetzt wird, Abweichler, Quertreiber und Kritikaster zu disziplinieren. Den Maßstab setzte hier schon vor Jahren der inzwischen zum PEN-Chef gewählte Possenreißer Denis Yücel mit seinem auf einen erklärten Staatsfeind gemünzten Satz "der nächste Schlaganfall möge sein Werk gründlicher verrichten".

Schlaganfälle für Staatsfeinde

Das sollte, das muss eigentlich für jeden Clown vom Format eines Jan Böhmermann, für jeden TV-Hanswurst wie Olli Welke und für jeden Kasper Richtschnur sein. Auch wenn die Sonne der Humorkultur niedrig steht - auch nach fast zwei Jahren Corona beobachten Wissenschaftler des Bundessatireinstitutes in Arnstadt zunehmend besorgt ein Ausbleiben thematisch am Virus orientierten Volkshumors - helfen Absatzschuhe kaum, aus einem früher brutal "Zwerg" genannten Kabarettkleinwüchsigen einen spaßigen Riesen zu machen. 

Vergaloppieren verboten, es verunsichert nur. In der Diktatur der Ungeimpften trägt der Dorfdepp, der Wahrheit ausspricht, mehr Verantwortung als sein Bürgermeister. Die darf gern mal wehtun, denn Satire ist natürlich von Haus aus ein scharfes Reinigungsmittel für die Seele. Doch sie darf  nicht aus dem Rahmen dessen fallen, was als gesamtgesellschaftliche Vereinbarung von der Bundesregierung, den Ländern, der Ethikkommission, der Stiko, der EU-Kommission in Brüssel und den Meinungsschutzkommandos des Bundesblogampelamtes (BBAA) im mecklenburgischen Warin in der vierten Durchführungsverordnung zur 13. Ausnahmeaußerkraftsetzungsrichtlinie für die amtliche Corona-Eindämmungsregel zum Grundgesetz (GG) beschlossen worden ist.

Ins Abseits vergaloppiert

Die Berliner Zeitung "Die Welt" hat sich nicht daran gehalten. Auf der Jagd nach den begehrten Klicks im Netz spielte sie ganz im Gegenteil ausgerechnet am 9. November, der Tag des Mauerfalls, mit einer Schlagzeile auf einen düsteren Teil deutscher Geschichte an. "Die Ungeimpften sind unser Unglück" überschrieb der einschlägig vorbelastete Henryk M. Broder einen Debattenbeitrag zur Frage der Durchimpfung - unschwer zu erkennen war für jeden früheren Abonnenten die dreiste Anspielung auf eine Schlagzeile der vermeintlichen Satirezeitschrift "Titanic", die 1992 mit dem Satz "Die Türken sind unser Unglück" versucht hatte, die Beitrittsverhandlungen zwischen Ankara und Brüssel zu torpedieren. 

Die Zivilgesellschaft fiel den Hetzern damals in den Arm - und auch heute ließ sie den Scharfmachern und Provokateuren ihren Angriff nicht durchgehen. was genau hinter den Kulissen vorging, wer wen anrief, welche Bußgelder angedroht wurden, ob die scheidende Kanzlerin selbst oder die mächtige EU-Präsidentin eingriffen - es fällt unter das Redaktionsgeheimnis, auf das sich derzeit auch noch Satireblätter berufen können. Fakt ist, dass der Anstand und die satirische Selbstdisziplin siegten: "Die Ungeimpften sind unser Unglück" verwandelte sich wie von Zauberhand in das augenzwinkernde "Die Ungeimpften als neue Sündenböcke", zur Gewährleistung der psychischen Volksgesundheit wurde von Webtechnikern sogar die sogenannte Url als "welt.de/debatte/plus234936428/Corona-Krise-Die-Ungeimpften-als-neue-Suendenboecke.html" porentief rein neuaufgesetzt.

Nur wenige Stunden irritierte der falsche Zungenschlag am falschen Tag. Wohl auch nur wenige Lesende sahen sich unverhofft mit  dem Text konfrontiert, der unerlaubte Assoziationen weckte, vielleicht noch nicht strafbar, aber durchaus im Bereich der Satirestörerhaftung. Nach Angaben der zuständigen Spaßerlaubniskammer bei der Bundeshumorzulassungskommission (BHZK) müssen Menschen, die die erlaubnispflichtige Überschrift unfreiwillig zur Kenntnis genommen haben, jedoch nicht mit Strafverfolgung oder Bußgeldverfahren des BHZK rechnen. Anders sieht es aber womöglich für die Verantwortlichen aus: Im Wiederholungsfall könnte "Die Welt" ihre 1946 von der britischen Militärregierung erteilte Publikationslizenz verlieren.

6 Kommentare:

  1. Vielleicht fand sich der Montgomery zu sehr ins Licht der Wahrheit gerückt und hat über den Firmenanwalt interveniert.

    P.S. Montgomery und sein Club der Spesenritter haben u.a. Pfizer als Sponsor, dauert eine Sekunde googeln.

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  2. Die URL (Adresse) wirft Google schon noch aus, wenn man danach sucht.

    https://www.welt.de/debatte/plus234936428/Corona-Suendenboecke-Die-Ungeimpften-sind-unser-Unglueck.html

    Der Text hinter dem Zahlensalat ist allerdings Kaffee wie Bohne, denn der wird vom Webserver verwochen. Da kannst du auch hinschreiben, Aust-ist-doof. Das führt wegen der datanbankorientierten Webseitgestaltung immer noch zu dem nun redigierten Broder-Humor, den auch ich noch im Original las, an der Bezahlgrenze allerdings auf sehr rabiate Weise abgewiesen wurde und nicht weiß, ob ich lachen darf und wenn ja wie und wie lange und laut.

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  3. Der lachende MannNovember 10, 2021

    Das hat der "Stern" abgekupfert. Treitschke hat gesagt" Die Ungeimpften sind unser Unglück."

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  4. Babieca 10. November 2021 at 12:31

    uli12us 10. November 2021 at 12:18

    Herpes, das nach meiner Impfo so etwa 90% der Bevölkerung mit sich rumschleppt, halte ich für deutlich gefährlicher, wie Corona. In zum Glück nur Einzelfällen kann das Gürtelrose verursachen. Wie ich schon wiederholt gelesen hab, kann die leider nicht allzu selten, durch die sogenannte „Impfung“ ausgelöst werden.
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    Mitnichten (sagte Holt - nur für Kenner - mitnichten hat die Nase meiner Wirtin ...)
    lösen Herpesviren Zoster aus. Das tut das böse Briareus varicellae. Und Zoster ophtalmicus ist Politikern und Zeitungsschmieranten zu wünschen, aber keinem Menschen.
    Die Impfung ist ein ander Ding: Jetzt hat ein geschätzter Kollege vom Balkan sich etwas ordentliches beim Heimaturlaub etwas eingefangen - meiner Meinung nach nicht trotz, sondern w e g e n seiner vorherigen Impfung. Perun sei Dank rappelt er sich wieder so allmählich. Aber, was muß man hören, auch von den anderen (es gibt erfreuliche Ausnahmen): Ofenkundig reichen zwei Impfungen nicht, eine dritte solche müßte schon. Hach, und die Inzidenzen nehmen auch schon wieder zu ...

    Halbgott in Weiß

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  5. Das zweite "etwas" streichen, danke.

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  6. God may punish Montgomery war wohl von Tirpitz.

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