Mittwoch, 17. November 2021

Besuch beim Propaganda-Assistenten: Plane mit, schreibe mit, regiere mit

Das postfaktische Zeitalter im Journalismus fordert immer ein Bekenntnis.

War es wirklich Karl Lauterbach, der am heftigsten unter der Pandemie litt? Und dann unter den Impfspätfolgen? Oder waren es nicht doch die deutschen Journalisten, jüngst von einem der ihren als "Propaganda-Assistenten" (Döpfner) geschmäht, obwohl sie doch nichts getan hatten als ihre Arbeit: Protokoll führen bei notwendigen Regierungsentscheidungen. Noch besser erklären, was muss. Die Mensch dort abholen, wo sie waren: Impfaufklärung. Händewaschen. Abstandhalten. Naseindiearmbeuge.

Aus den Fugen

So viel auch aus den Fugen ging in den zurückliegenden Seuchenmonaten, auf die deutschen Medien war doch meistenteils Verlass. Statt Misstrauen zu säen wegen die unabdingbaren Maßnahmen, schon damals, als die Maskenfrage im Raum stand, gesellschaftsfeindliche Kreise ein "Staatsversagen" heraufbeschworen und die EU sind auf nichts einigen konnte, standen Leitmedien und Gemeinsinnsender wie eine Wand hinter dem Corona-Kabinett. was auch immer verkündet wurde, es war gut. Wann auch immer ein Schritt getan werden musste, es war die richtige Richtung. Beinahe schon magisch erschien manchem der Umstand, dass zudem alles immer im genau passenden Moment geschah. Ausgangssperren und Impfangebot, Maskenpflicht und rituelles Händewaschen. Die Zahlen, ganz egal, wie sie aussahen, zeugten immer vom beispielhaften Erfolg deutscher Pandemiepolitik.

Ein Hundsfott geradezu, wer gegen diesen gesellschaftlichen Konsens  verstieß. Als Hetze, Hass und Zweifel stellte sich jeweils heraus, was nicht zur Tageswahrheit passte. So sehr es falsch war, zu behaupten, dass die Regierung drastische Freiheitseinschränkungen plane, so verkehrt war es, 24 Stunden später darauf zu beharren, dass es sich dabei um fake news gehandelt habe. Einseitigkeit war "zur Tugend" geworden, wie heise.de über Rolle und Bedeutung der deutschen Medien in der Corona-Pandemie schreibt, die zwei Studien der Rudolf-Augstein-Stiftung, der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz und der Ludwig-Maximilians-Universität München jetzt kritisch unter unter die Lupe genommen haben.

Pandemische Lage der nationalen Berichterstattung

Die pandemische Lage der nationalen Berichterstattung war danach eine recht einheitliche. Die untersuchten elf Leitmedien, darunter Online-Angebote von FAZ, Süddeutsche Zeitung, Welt, Bild und Spiegel sowie vier Fernsehnachrichten-Formate wie die "Tagesschau" der ARD und "heute" vom ZDF, sangen im Chor und als Partitur hatten sie zumeist tatsächlich das Loblied der Regierungspolitik. Die Auswertung von mehr als 5.000 Beiträge aus dem Zeitraum von April 2020 bis April 2021 zeigt eine vierte Gewalt als Protokollführer der Pandemiepolitik und Stichwortübernehmer der Sprachregelungen aus den Regierungspressestellen. 

Recherchiert wurde kaum, hinterfragt wenig. Die Angst vor widersprüchlichen oder schwer zu erklärenden, womöglich beunruhigenden oder offiziell verkündeten Wahrheiten widersprechenden Erkenntnissen  war mit Händen zu greifen. Selbst jähe Wendungen der Erkläransätze wurden binnen von Minuten akzeptiert, dennoch hochkochende Skandale von genau den Medien beerdigt, deren Aufgabe es gewesen wäre, den haarsträubenden Vorwürfen nachzugehen. e

Das Staatsversagen wurde flankiert von einem Medienversagen. Der Journalismus hatte sich auf die Seite der Politik geschlagen und seine Aufgabe neu definiert: Wie in Kriegszeiten galt es nicht mehr, den Mächtigen auf die Finger zu schauen, Grundrechte zu verteidigen und die klaffenden Widersprüche in der Pandemie-Strategie aufzudecken. Sondern die Aussetzung der Grundrechte zu verteidigen, die jeweils geltenden Maßnahmen zu beklatschen und allenfalls kritisch noch härtere zu fordern. 

Förderband der Regierungspositionen

Es war diese Art Funktion als Förderband für Regierungspositionen, die Figuren wie Karl Lauterbach, Christian Drosten oder Melanie Brinkmann  in die Gesichtern der pandemischen Lage verwandelte. Medien suchten sich sender- und verlagsübergreifend Gewährleute für die Ansichten, die ihren eigenen Überzeugungen am nächsten kamen - ein Land mit fast 84 Millionen Einwohnern ließ sich von zwei Dutzend immergleichen Stimmen erklären und begründen, warum was gestern war richtig gewesen heute aber völlig falsch geworden war. 

Ein verschworener Haufen, freiwillig gemeinsam in einem Überzeugungsbunker weggeschlossen, in den kein Licht einer Erkenntnis dringt, die nicht regierungsamtlich anerkannt ist. "Regierungsnah" seien die Medien gewesen, sagen die Studien, indem sie "überwiegend für harte Maßnahmen plädiert" hätten. Regierungskritische Abweichungen kamen vor, aber eben nur dann, wenn Medienarbeiter sich imaginären Zero-Covid-Träumen hingaben, Sonderwege verurteilten  und für mehr Kandare bei weniger Rücksicht auf Querdenker drangen.

Öffentlichkeitsarbeitern im Regierungsauftrag

Der "verengte Blick", wie es Bernd Müller bei heise.de nennt, ist das grundlegende Schaffensprinzip eines Haltungsjournalismus, der seine Einseitigkeit, seine Faktenaversion und seine Überzeugungspredigten nicht als Mangel empfindet, sondern als Tugend begreift. Journalisten, einst kritische Begleiter der Gegenwart, schlüpften in die Rolle von Öffentlichkeitsarbeitern im Regierungsauftrag, die die nationale Einheit beschworen, Solidarität und Vertrauen in die Weisheit der Führung. Was deren Agieren an Schaden anrichtete, woher all das neue Geld kam, wieso ein Hü und Hott die Pandemiewellen ritt, spielte meiste keine Rolle, dafür aber umso mehr, aus welchem Schoß das kroch, was noch zweifelte oder gar andere Ansichten vertrat. 

Mitmachen statt Infragestellen

Der mediale Kampf gegen die Pandemie, in Zeiten der Krise auch des Anzeigenmarktes mit dem Füllhorn des Bundespresseamtes gefüttert, war in erster Linie einer für die Unterstützung der amtlichen Bemühungen zur Bewältigung der pandemische Lage, schon in zweiter Linie aber auch einer gegen die, die sich öffentlich skeptisch oder auch nur ketzerisch äußerten. Von Liefers bis zu Kimmich roch es in den Leitmedien nach "Impfgegner, Trump-Fans, rechten und linken Querfrontlern, Islamfeinden und  Youtuber" (Der Spiegel), die mit unzulässigen Bezeichnungen wie "Volksverrätern, Volksfeinden, Politikerpack" Missbrauch der Meinungsfreiheit betrieben. Wichtig war nicht mehr, Informationen bereitzustellen, damit Menschen zu eigenen Schlüssen kommen können. Sondern die Motivation zum Mitmachen zu stärken: Die lebensbedrohende Krise wollte von Politik, Wissenschaft, Medien und folgsamer Volksmasse gemeinsam bewältigt werden.

Mitmachen statt alles Infragestellen, das ist die Linie, wie schon ein Blick auf die pandemiebedingte Veränderung der Talkshow-Landschaft zeigt.  Dort, wo sich selbst die Großmedien die Zitate abholen, die nicht direkt aus den Pressestellen von Behörden, Parteien und Forschungseinrichtungen kommen, fand die Studie "Corona-Sprechstunde mit Maybrit Illner, Anne Will & Frank Plasberg" absurde Verhältnisse. Zwischen Januar 2020 und Juli 2021 gab es danach 112 Sendungen von Anne Will, Maybritt Illner und "Hart aber fair" zum Thema Corona, eingeladen waren insgesamt 308 Personen.  208 von ihnen kamen nur ein einziges Mal in einer Sendung. 

Andere, die sich als herausragende Vertreter der gefragten Tugenden erwiesen hatten, kamen dafür immer wieder. Karl Lauterbach allein kam mit 22 Talkshow-Teilnehmen auf die zehnfache Menge des durchschnittlichen Talkshow-Gasts, neben ihm brillierten immer wieder dieselben Politiker, etwa Scholz, Altmaier, Söder, und wo sie saßen, war unter Beachtung der Naturgesetze kein Platz für Nörgler, Ningler und Jammerer.

7 Kommentare:

  1. Da hat wohl jemand die Rudolf-Augstein-Stiftung auf der Einkaufliste vergessen.

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  2. >> Das_Sanfte_Lamm 17. November 2021 at 20:25
    Asylkrise – Will Merkel jetzt doch die Migranten holen?
    Spekulationen darüber sind völlig überflüssig <<
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    Wo dex PIPI-Kommentator:in recht hat, hat ex recht.
    Spätestens zur fröhlichen, seligen, gnadenbringenden Weihnachtszeit haben wir die Schutzsuchenden an der Backe. Was gilt's? Hiob 1.11
    Nach Schäuble, dem (Selbstzensur), die soundsovielte einmalige Ausnahme.

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  3. Dieses Gequackse auf PIPI wiederholt wegen LukaschenkA.
    Wie jeder gewitzte Ostgote weiß, wird das unbetonte kurze o wie a ausgesprochen.
    GavrilA Princip, erklärte mir einst ein Wolgagermane.
    Mit dem betonten kurzen e, so als jo ausgesprochen wird - Knjas Patjomkin - ist es etwas schwieriger: Lew Kopelev - how to pronounce.
    Die Russen, die mir zugänglich sind, sind oft eigentlich keine solchen sondern fangen mit J an. Auf Russisch oder Italienisch aber mit E. Haben meist die Postleitzahl 16321.

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  4. Der lachende MannNovember 17, 2021

    Das sogenannte runde s und das fehlende Komma sind in diesem Zusammenhang doch läßliche Sünden, oder nicht?

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  5. Vor sondern erscheine immer ein Komma. Das ließe sich prima in jede Software implementieren, die Texte verarbeiten muß, wenn es in genau diesem Fall keine Ausnahme gibt. Das kann man doch fefe erledigen lassen, der die russische Schwergasleitung geschlossen hat, so daß Gazprom derzeit nur leichtes Gas liefern kann.

    https://www.politplatschquatsch.com/2021/11/es-war-nicht-alles-brecht-im-reich-der.html?
    showComment=1637156020503#c8405953485971723098

    Bei Llarian unterstelle ich Schusseligkeit beim dritten Rüberlesen.

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  6. Der lachende MannNovember 18, 2021

    Was ist denn dem Kommentar zugestoßen, auf den sich mein Beitrag bezog? Und wie geht es dem Kommentator?

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  7. Der KI zum Opfer gefallen, wie die hier?

    https://www.youtube.com/watch?v=XnZH4izf_rI

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