Es musste schnell gehen, damals im Herbst 1990. Die deutsche Einheit stand auf dem Jahresplan, doch einen ganzen Sommer lang herrscht fast schon europäische Uneinigkeit in der freigewählten Volkskammer der untergehenden DDR. Wann soll der Beitritt erfolgen? Und wie? Vorbedingungen? Oder keine? Oder welche? Und wie sie durchsetzen? Unaufhaltsam rückte er derweil näher, der nächste Republikgeburtstag.Bis in Bonn die Nervosität siegte: Helmut Kohl, der die Gemütslage der Sachsen, Thüringer und Mecklenburger etwa so gut einschätzen konnte wie sein Nachfolger Armin Laschet, verlor die Geduld. Bloß nicht noch einmal 7. Oktober. Bloß nicht noch einmal Kommunisten auf der Straße, die für die Selbständigkeit des Ostens marschieren.
So wurde dann der 3. Oktober der Tag der Deutschen Einheit, obwohl doch der 7. genauso gut gepasst hätte. Überschrieben mit den neuen demokratischen Werten, der neuen Wirtschaftsordnung und dem europäischen Gedanken, ein funkelnagelneuer gemeinsamer Festtag für alle und jeden und vor allem für die, die hartnäckig an den blühenden Landschaften bauen, die Helmut Kohl den Ostdeutschen zugesagt hatte. Draußen im Land aber sind noch nicht alle Uhren umgestellt, so dass Stellungnahmen, Selbstverpflichtungen und Unterstützungsbriefe zum Nationalfeiertag erst mit Verzögerung in der Redaktion eingetroffen sind - verspätet für den 3., aber pünktlich zum 7. Oktober.
PPQ.li dokumentiert nachfolgend ausgewählte Zuschriften aus Öko-Landbaukollektiven, Arbeitsbrigaden der Batterieindustrie, Wasserstofftechnikern und von Mitarbeitern der Mietbremsbranche.
Die Kolleg*Innen des Lithiumbergwerks Hasenbau im Erzgebirge wollen in diesem Jahr in Zusammenarbeit mit dem Bereich Technik eine neue Methode zur Abraumgewinnung entwickeln, erproben und in die Produktion einführen. Jährlich sollen dadurch zusätzliche 150 Tonnen des begehrten Speicherminerals im Wert von 250.000 Euro erzeugt werden. Das würde für etwa 15.000 Volkswagen ID3 reichen, sobald der Chipmangel abgesagt wurde. Nach der Schwedter Initiative "Weniger produzieren mehr" wollen die engagierten Mitarbeitenden mit der komplexen Aufgabe ein neues Betätigungsfeld für sechs Mitarbeitende der traditionellen Autobranche schaffen und gleichzeitig die Produktion deutlich steigern, um den Umstieg auf nachhaltige Mobilität voranzutreiben.
Auch im Ammoniakwerk Piesteritz setzen Arbeitskollektive zum Republikgeburtstag auf die Umweltkarte. Mit einem Zurückfahren der Produktion um ein Fünftel tritt an die Stelle des zerstörerischen Immer-mehr der kapitalistischen Profitlogik und der anlagenbezogenen Höchstleistungskonzeption ein qualitatives Wachstum abseits kalter Produktionsziffern. Das umfassende Intensivierungsvorhaben ist für die Kolegenden mit zahlreichen Neuerungen verbunden, darunter Kurzarbeitergeld und Abrufschichten. Bis zum 80. Jahrestag der Republik soll die Produktion schädlicher Dünger planmäßig weiter zurückgefahren werden, um den ökologischen Landbau zu unterstützen.
In der Suhler Filiale eines weltweit agierenden Cafehaus-Anbieters wollen die Angestelltseienden die hausinternen Abläufe so rationalisieren, dass die gemeinsame Gastlichkeit im Haus dadurch gewinnt. "Wir Mitarbeitende", schreibt das kollektiv, "werden im Zuge der europaweiten Masseninitiative "„Fit for 55“ komplett auf pappfreie Verpackung umstellen. Darin einbezogen sei die Bestellung und die Abrechnung der verkauften Kaffees mit Hilfe von moderner Technik. Auf diesem Wege könnten wir fünf Arbeitskräfte freigesetzt werden, die damit künftig nicht mehr aus dem Umland nach Suhl pendeln müssten.
In der Gemeinde Kahlbach (Landkreis Lausitzer Land) steht eine komplette Umorientierung auf CO2-Neutralität an. "In den kommenden fünf Jahren verändernt sich in unserem Dorf so viel wie nie zuvor", verspricht Bürgermeister Fred Riesch. Die Bilanz der zurückliegenden 30 Jahre sei erfolgreich, die Dorferneuerung gelungen und zahlreiche Fördermittel von der EU verbaut, zum Beispiel für einen großen Wendehammer. Das Leben im Ort sei dadurch vielfältiger, leichter und schöner geworden. Riesch lobt das neueste Schmuckstück, die Elektrozäune gegen die Schweinepest, unmittelbar neben dem Gemeindeamt und deswegen kaum zu übersehen. "Die Bürger*innen unseres örtlichen Bauaktivs ließen es sich nicht nehmen, selbst mit Hand anzulegen."
Der Brief aus der Gemeinde Pfauenhagen bei Warin in Mecklenburg berichtet von einer Annahmestelle für reperaturbedürftige elektrische Geräte, abgelegte Handys, abgetragene Kleidung und überflüssig gewordene Möbelstücke, die kostenlos abgegeben werden können und dann von freiwilligen Tüftlern aufgearbeitet werden. Kostenaufwendige Neuanschaffungen, die nur die Klimabilanz belasten, entfallen damit. Bis zum nächsten Jahrestag soll nach Lösungen gesucht werden, auch Schuhe, Wäsche, Geschirr und Videokassetten ins das System zu integrieren.
Schweißerinnen der Großbaustelle Nord Stream 2 reagieren auf den Gasnotstand im Land, der zur Zeit den Aufschwung nach der Corona-Krise bedroht. Sie erklären in ihrem Brief an PPQ, mit viel Engagement, Tatkraft und Heimatliebe dafür sorgen zu wollen, dass Deutschland auch im Winter warm bleibt. "Längst haben die Bürger gemerkt: Gemeinsam schafft man vieles, und das ist uns wichtig", schreiben sie, "denn in einem schönen Land, in dem wir gut und gerne leben, lebt es sich einfach besser." Auf den bisherigen Erfolgen im Klimakampf ruhe man sich nicht aus, zugleich bleibe man bei den Sanktionen gegen Russland, Putin und seine Schergen hart in der Sache. Keinen Schritt zurück werde man machen, bis Putin mehr Gas liefere.
Wir schöpfen aus dem Feiertag Kraft für neue Initiativen" sagen die Klimaforscher und Meteorologen der Beobachtungsstation am Lärchenberg bei Krefeld, für die es überhaupt der erste Brief mit einer Selbstverpflichtung zum Nationalfeiertag ist. Im Hause habe jeder Experte ganz konkrete, abrechenbare Aufgaben übernommen, etwa bezogen auf den zu warmen Sommer, den zu warmen Herbst und die Vorbereitung des zu warmen Winters. Man habe in sehr genauen Gesprächen mit Familien, bei Ortsbegehungen und in Firmen darauf gehört, dass viele Bürger*/&Innen auf eine Fortsetzung der Erderwärmung hoffen, um den preistreibenden Effekt der steigenden Rohstoffpreise abzufedern. Man wisse, dass das so noch nicht in Ordnung sei und werde deshalb noch vor Weihnachten ein Sprechzimmer einweihen, in dem mit den Menschen gearbeitet und deren Fragen beigelegt werden könne.
Je mehr Bürger mit anpacken, um so besser und schneller geht es mit dem Energieausstieg voran, davon sind auch die KollegInnen der Biobackstube in Sannenklein im Allgäu überzeugt. "Denn wem, wenn nicht uns selbst, kommt all das Geschaffene zugute!", heißt es im Brief der Backenden, die durch eine bürgernahe, biologisch saubere und leistungsorientierte Arbeit anspruchsvolle Aufgaben beim Ausstieg angehen wollen. Bis zum 80. Republikgeburtstag soll z. B. eine Backstube zum Backen ohne Strom übergeben werden. Schon in den nächsten Tagen kommen vor dem Ladeneingang an der Landstraße Ahornbäumchen in die Erde, um künftige Klimawirkungen abzufedern. Die Randstreifen und die beräumten Gräben werden zum in sogenannte Pausenpflege genommen.
Die starken Impulse, die in der anstehenden neuen Etappe der europäischen Wirtschaftsstrategie wirksam werden werden, werden auch in der Landwirtschaft und im Einzelhandel begrüßt. Mit dem absehbaren Ende der Lieferketten wird die Umsetzung der Forderung greifbar, wieder frisch und regional einzukaufen, dadurch wird das Angebot besser und das Einkaufen attraktiver. Zuletzt waren die seit Jahren höchsten Steigerungsraten bei der Versorgungsstimmung der Bevölkerung zu verzeichnen, das Verkaufendenkollektiv des Supermarktes in Langenwertbach (BaWü) stellt sich der Aufgabe. Die bisher nach dem Ende des Lockdown erreichten Ergebnisse schaffen zuverlässige Voraussetzungen, um im Wettbewerb auf der Grundlage des Energieausstiegsplanes Stabilität und Kontinuität in der Versorgung zu sichern und durch eine gute Festtagsversorgung mit Blick auf das zweite Corona-Weihnachten zu sichern. "Zugleich wollen wir einen erfolgreichen Übergang in das Jahr 2021 organisieren", so die Mitarbeitenden. Man werde alles daran setzen, zur weiteren Senkung der Handelsverluste beizutragen, um nachhaltiger zu wirtschaften.
Auch hier hat die Satire nur einen hauchdünnen Vorsprung vor der Wirklichkeit. Ich wette, dass am Ende der segensreichen Ampelregierung solche Briefe in Wirklichkeit bei den ergebenen Medien zur Veröffentlichung eingereicht werden. Natürlich wird es sich hier dann um freieste und freiwilligste Willensbekundungen der Werktätigenden handeln. Die Nomenklatura wird die Briefe gnädig zur Kenntnis nehmen und sich der vollen Zustimmung der Bevölkerung zum eingeschlagenen Weg der Wohlstandsvernichtung zur Weltrettung sicher sein. Niemand wird dann auch nur die kleinste Verbindung zu ein kleines bisschen ähnlich klingenden Ergebenheitsadressen aus der früheren DDR ziehen. Diesmal geht es ja um Klimagerechtigkeit und das hat so gar nichts mit Sozialismus zu tun. Vorwärts immer, rückwärts nimmer.
AntwortenLöschenFeiern sie dieses Jahr Weihnachten und Silvester also ruhig ein wenig üppiger. Wer weiß wie die Lage im Besten aller möglichen Deutschländer im nächsten Jahr aussehen wird. Vor kurzem hätte ich noch zur Anschaffung eines Notstromaggregates geraten. Man weiß ja nie. Inzwischen geht mein Ratschlag mehr in Richtung eines Esels und ausgewählter Sämereien. Man weiß ja immer noch nie.
Ein Onkel erzählte mal, dass in der DDR auch beschädigte Kartoffelsäcke (grobes Textil) nicht weggeworfen, sondern aufgearbeitet wurden. Wie lange diese LPG-Betriebsteile existierten, weiß ich nicht, Wir haben noch so viel Potential, das unentdeckt schlummert.
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