Schnell eine Zeit für alle propagierte die offizielle Gleichschaltungskampagne vor drei Jahren. |
Es ist der mittlerweile siebte Anlauf und wieder ist er knapp misslungen. Europa kommt beim Zeitausstieg nicht aus den Startlöchern, die Partnernationen hängen im Gestern der Sommer- und Winterzeit fest, die im Kalten Krieg hatte für Energieeinsparung sorgen sollen, um das Weltklima zu entlasten. Seit Frühjahr 1980, in Berlin herrschte Helmut Schmidt, in Washington Jimmy Carter und in China Hua Guofeng, wird zweimal im Jahr an der Uhren gedreht, einmal linksrum, einmal rechts, einmal nach vorn, dann wieder nach hinten.
Eine Zeit für alle
Im Friedenssommer vor drei Jahren hatte der scheidende EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker genug davon. Der Luxemburger, eigentlich spezialisiert auf Steuersparmodell, beschloss, den Menschen in Europa ein letztes wichtiges Geschenk zu hinterlassen: Eine Zeit für alle zwischen Nordkap und Algarve. Schnell war eine Befragung zusammengefummelt, die den festen Willen der Menschen in Deutschland belegte. Weg mit den alten Zeigerzöpfen. Her mit der Einheitszeit für alle überall und immer.
Nie zuvor und nie danach war Europa seinem Ziel so nahe, einmal zu beweisen, dass das Unmögliche vermag. Zusammen handeln, entscheiden, zack, die Welt besser und das Leben aller Menschen leichter machen. Juncker versprach, dass es in Kürze losgehen werden. "Wir machen das", sagt der große Blonde mit dem einen braunen Schuh. Direkt vor der EU-Wahl sollte ein deutliches Zeichen gesetzt werden - für Tatkraft und lebendige Demokratie, gegen den populistischen Vorwurf des Abgehobenseins des Raumschiffs Brüssel und das Vorurteil, ehe Europa zu einem gemeinsamen Beschluss kommt, haben einzelne Staaten noch immer nationale Entscheidungen getroffen, an denen dann alle symbolischen Kollektivhandlungen scheitern.
Ein Beweis für Zeitdilatation
Freilich kam es dann natürlich auch diesmal so. Schnell stellte sich heraus, dass die EU-Kommission für Zeitfragen nicht zuständig ist. Schnell verschwanden auch die euphorisierten Medienhymnen, denen zufolge es der scheidende EU-Chef richtig eilig hatte mit der wegweisenden neuen Regelung. Binnen weniger Wochen wurde aus der Hauruck-Aktion, die schon im März 2019 hatte beendet sein sollen, eine jener sagenumwobenen 14-Tage-Lösungen, derentwegen die EU schon lange als lebender Beweis für das Phänomen der Zeitdilatation gilt. Dabei handelt es sich um eine Erscheinung, die bewirkt, dass alle inneren Prozesse eines physikalischen Systems für einen außenstehenden Beobachter unglaublich langsam ablaufen, während im geschlossenen Inneres alles in Windeseile abläuft.
Alles blieb, wie es war. Juncker ging und von der Leyen kam, die nun aber eigene, neue und viel größere Projekte anschob. Statt des geplanten EUhrenausstieges präferierte die Neue an der Kommissionsspitze die Veränderung des Weltklimas durch neue CO2-Ziele. Zum Ziel der europäischen Einheitszeit hat sich Ursula von der Leyen bisher nicht geäußert, die Kommissionschefin setzt zur Lösung der Umstellungsprobleme auf das bewährte Mittel der Zeitverschiebung, das zuletzt erfolgreich auch beim Energiekostenanstieg half. Im politischen Brüssel gilt das ehrgeizige Projekt als tot, nur begraben wolle es niemand, um die Blamage nicht öffentlich zu machen.