Durch die rosa Brille betrachtet läuft der Wahlkampf für alle Beteiligten hervorragend. |
Auf und nieder, immer wieder, jede Sonntagsfrage ein Schicksalsschlag und jede Wahlumfrage ein Etappensieg. Gebannt schauen die Kandidaten auf das jeweils jüngste Gerücht aus der Demoskopenküche, ihre Parteien wirken verunsichert, beunruhigt. Die Nerven sind bis zum Zerreißen gespannt. 23 oder 21, 12, 18 oder 7, es geht um Millimeter, jede neue Umfrageklatsche bringt neue Hiobsbotschaften, neue "Schocks" und neues Grauen. Die eigenen Fans sind keine mehr. Man möchte den Spitzenkandidaten wechseln. Der würde gern eine andere Partei führen, eine die hinter ihm steht oder zumindest wie die der Konkurrenten fein still schweigt.
Keine Stimme zusätzlich
Armin Laschets Plan geht bisher noch auf. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident wusste von Anfang an, dass er seiner Partei keine Stimme zusätzlich bringen würde. Aber die Stimmer seiner Partei, spekulierte der gewiefte Taktiker, würden allemal reichen, ihn ins Kanzleramt zu tragen. Die Union, stärkste Partei(en) wie immer. Partnerwahl freigestellt unter den übrigen Bewerbern. Im Schlafwagen zur Macht. Nur die Nerven behalten. Ein, zwei Prozent mehr am Wahltag als der Nächstfolgende und alles wird gut, auch wenn alle gegen einen sind.
Zum Erstaunen der Parteizentralen, zum Erstaunen aber auch der Medien, deren Kandidat Laschet überwiegend war, als es gegen Markus Söder ging, wirkt sich die Antipathie gegenüber dem blassen kleinen dicken Spitzenkandidaten mit dem Charisma eines Tankwarts stärker auf die Zustimmungswerte der CDU aus als gedacht. Von "Umfrage-Debakel" (DPA) zu Umfragedebakel bröckelt die Front der Unterstützer. Ein-, zweimal hat es schon so ausgesehen, als könnte es am ende nicht reichen. Laschet, der eine einfache Rechnung mit den drei Bekannten SPD, FDP und Grüne aufgestellt hat, muss damit rechnen, dass die Linkspartei plötzlich im Rechenwerk auftaucht: So weit weg voneinander sind Saskia Esken und Soundso Wissler nicht. Und den Nato-Austritt muss nach dem Afghanistan-Auftritt des Westens sowieso niemand mehr fordern.
Versagende Treue
Dass die Langzeittreue zur Union vielleicht nicht reichen könnte, Laschet als Kanzlerkandidaten durchzuhalten, weil längst verschüttet geglaubte dunkle Instinkte die "Menschen draußen im Lande" (Angela Merkel) veranlassen, sich mit Grausen abzuwenden vom Althergebrachten und mit denen zu flirten, die mit dem Althergebrachten schon immer im Bunde sind, war nicht vorgesehen. So schief die demoskopischen Kaffeesatzlesereien aber stets zur Realität liegen, zuletzt hatten sie bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt alles vorhergesagt, nur nicht das, was dann kam, so sehr drücken die vermeintlichen Umfrageergebnisse eine Stimmung aus.
Merkels Man" (Economist) gilt als Reserveheld, eine Art Platzhalter bis etwas richtiges kommt, ein Typ vielleicht wie Joe Biden, der große Versöhner, oder CSU-Chef Markus Söder, der helles Schwarz mit Grün zu mischen versprochen hat, aber nicht gleich Kanzlerinnenkandidat werden durfte, weil es dabei nicht nach Beliebtheit geht, sondern nach der Größe der CDU-Landesverbände mal Kreisverbandsproporz durch bayrisches Nationalgefühl minus zahlreicher verfassungsrechtlicher Bedenken, weil Bayern dem Grundgesetz schließlich nie zugestimmt hat.
Das untrügliche Gefühl
Ein untrügliches Gefühl sagt den Menschen, dass es für alle besser wäre, wenn Armin Laschet es nicht wird. Das Gefühl sagt ihnen aber auch, dass Annalena Baerbock keinesfalls die ideale Alternative wäre. Und Olaf Scholz, der jetzt die Ernte einer Saat einfahren könnte, die aus reinem, trotzigen Durchhalten bestand, das darauf setzte, das alles immer bald vergessen ist. Wirecard, Cum-Ex, das Zehn-Millionen-Versprechen, der debakulöse G20-Gipfel und das gebrochene Wahlversprechen, keine Steuern zu erhöhen, für Scholz spricht, dass er alles bei bester Gesundheit überlebt hat. Die Merkel-Raute kann er auch schon und mit tatkräftiger Hilfe von Armin Laschet könnte so in der Tat gelingen, was noch vor sechs Wochen niemand für möglich gehalten hat. Die große Union düpiert. Die siegesgewissen Grünen distanziert. Ein Aufbruch zum Umbruch zum Weiterso aus Versehen.
Ein spannendes Rennen zwischen Annalena Soros, Olaf Soros und Armin Soros.
AntwortenLöschenDas erinnert uns Alte an den Wahlkampf zwischen Jack Johnson und John Jackson in Futurama.
https://futurama.fandom.com/wiki/John_Jackson
Glaubt den irgendjemand wirklich, dass den Sozen so urplötzlich aus heiterem Himmel alle Herzen der Nation zufliegen? Nur zur Erinnerung das ist der Haufen von Kevin, Hubertus, Esken und dem Mann dessen Nachname wie sein Vorname klingt. Was ist denn bei denen auf einmal anders als, sagen wir mal, noch vor zwei Monaten? Ist der Olaf samt Resttruppe auf einmal ein ganz anderer als noch vor kurzem?
AntwortenLöschenDer Olaf gewinnt in der Presseschau souverän jedes Triell. Wer legt das denn fest?
Einzig der Medienwind hat sich komplett gedreht. Das die Kandidatin der Herzen ihre Kampagne komplett verbaerbockt (Hi, Hi) hat, wird jetzt eben der Olaf kanzlerfähig gemacht.
Ein bedeutender Umschwung, der nie auch nur thematisiert wird. Erinnert sich noch jemand an den Schulzzug bei der letzten Wahl? Gibt es da einen Unterschied? Bis auf dem Mitmachboard hier, wird so etwas doch gar nie hinterfragt.
Wenn ich mein Geld setzen müsste, würde ich wohl auf eine Entzauberung der Demoskopen, wie bei der Wahl in Sachsen-Anhalt tippen. Noch hat die CDU/CSU eine treue Kerntruppe, vor allem im Rentenalter, die ihr Kreuzchen immer bei Schwarz macht. Komme was da wolle. Dieses Reservoir schmilzt zwar, aber nicht so schnell. Die CDU wird daher wohl besser abschneiden als gedacht und die versammelte Linke wieder einmal schlechter.
Sollte es der Olaf trotzdem schaffen, kann sich die versammelte Medientruppe auf die Schultern klopfen. Dies wäre allein ihr Verdienst. Sie hätten damit bewiesen, dass sie das Land noch immer im Griff haben, wenn sie denn nur alle an einem Strang ziehen.
Sollte es knapp für den Armin reichen, was ich eher glaube, wird hinterher keiner nachfragen, warum die Vorhersager wieder komplett daneben gelegen haben.
Für Deutschland macht das übrigens keinen großen Unterschied. Schwarz-Rot, Schwarz-Grün, Jamaika, Ampel und Schwampel unterscheiden sich inzwischen nur noch graduell voneinander. Die grobe Richtung bleibt bei allen gleich.
Nur wenn es rot-röter-grün an die Macht schaffen sollte, kommt der Weltuntergang für das Beste aller möglichen Deutschländer womöglich deutlich früher als es sonst der Fall wäre. Hoffen wir also auf ein einigermaßen moderates Ergebnis, damit wir unseren Niedergang auf hohem Niveau noch ein paar Jährchen genießen können, bevor es richtig schlimm wird. Ob der Armin oder der Olaf dabei den Vortänzer macht, ist eigentlich egal.
P.S. Triell ist auch so ein tolles neues Wort. War mir bis vor wenigen Wochen absolut unbekannt. Ich hoffe daher bei der nächsten Wahl auf vier mögliche Kanzlerkandidaten. Ich bin gespannt, was sie dann für einen Begriff dafür aus dem Hut zaubern.