Montag, 23. August 2021

Wie die Taliban Corona besiegten

Zuletzt, kurz vor der friedlichen Machtübernahme durch die Taliban, war die Impfkampagne richtig in Schwung gekommen in Afghanistan. Mit mehr als 700.000 Impfungen in einer Woche, das hatte beinahe deutsche Dimensionen. Afghanistan, das bis dahin eine quasi schwedischen Strategie gegen die Seuche verfolgt hatte, sah Licht am Pandemiehorizont, ohne in die dunklen Keller der Inzidenzdepression hinabgestiegen zu sein.  

Mit nur 150.000 Infektionen und knapp über 7.000 Todesopfern konnte das Land am Hindukusch auf eine Bilanz verweisen, die selbst das von einem weitsichtigen Corona-Kabinett geschickt durch die Krise gesteuerte Deutschland aussehen lässt wie ein gnadenlos verheertes Krisengebiet.

Im Pandemie-Paradies

Afghanistan zählt bei halber Bevölkerung bis heute nur knapp vier Prozent der deutschen Infektionen. Auch die Zahl der Toten im traditionellen Steinzeitland beschämt die hochentwickelte Medizintechniknation in Europa: 7.000 der 38 Millionen Afghanen starben an oder mit dem Virus. In Deutschland mussten hingegen fast 92.000 der 82 Millionen Menschen wegen oder durch Covid-19 ihr Leben lassen.

Nur folgerichtig, dass das Robert Koch-Institut (RKI) bereits Anfang August Konsequenzen zog. Wegen des "allgemeinen Wegfalls" (RKI) der Kategorie "einfaches Risikogebiet" wurde Afghanistan ab dem 01.08. nicht mehr als Corona-Risikogebiet eingestuft. Kurze Zeit später kamen die Taliban, unerwartet und unverhofft, aber schneller als Deutschland aus Kernenergie und Kohle aussteigen konnte. Nicht einmal Karl Lauterbach schaffte es, so schnell vor dem Umkippen zu warnen, wie die Pickup-Mörderbande vorrückte. 

Afghanistan schaffte in den Tagen danach ansatzlos das Kunststück, das zuvor weder Fußball-EM noch Bundestagswahl oder Klimakampf gelungen war: Angeführt von den Taliban avancierte das Land am Hindukusch binnen von nur 96 Stunden zum bestimmenden Thema der deutschen Medien.

Plötzlich Nummer 1

Corona hatte das Nachsehen, obwohl erklärtermaßen eine vierte Welle anrollt, die offiziellen Erklärungen zufolge von keiner Impfanstrengung mehr rechtzeitig gebremst wird gebremst werden können. Auch Beloruslanddasfrühereweissrussland, die Plagiatsaffäre der Grünen, die von Joe Biden Anfang August versprochene "baldige"  Aufhebung des travel ban für deutsche Urlauber und alle anderen Themen verschwanden zumindest kurzfristig von der Agenda.

So weg Afghanistan all die Jahre zuvor war, wenn nicht gerade der Bundestag nach ausgiebiger Prüfung der Lage und eingehender Beratung die deutschen Ausbildungsmission verlängerte, so da war das Land auf einmal. Ein Triumph der Taliban weit über Kabul und die umliegenden Regionen hinaus. Bis in die allgemeinbildenden deutschen Gemeinsinnsender entwickelten sich die häufig spöttisch als "Wickelköpfe" bezeichneten Gotteskrieger zum einigenden Band aller aktuell-politischen Sender. 

Inzwischen hat sich die Lage wieder normalisiert, Corona hat sich zurück an die Spitze gekämpft. Einmal mehr ist eine Stichflamme verloschen, unbemerkt und unbetrauert. Passiert ist passiert. Jetzt gilt der ganze Kampf den Ortskräften und deren Integration in Deutschland. Der Streit darum, wie viele, wer und ob gesamteuroäpisch oder doch in der Türkei, bietet Stoff für mindestens noch eine Woche Wahlkampf ohne dass über Corona gesprochen werden muss.

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