Ulbrichts Lüge, die Unschuld des Westens: Zum 60. Geburtstag des Mauerbaus sind alle Legenden fest verschnürt und für die Ewigkeit verpackt. | |
Es eine und vielleicht die wichtigste Erkenntnis des Baus der Berliner Mauer, die sich 60 Jahre danach sicher gewinnen lässt: Sechs Jahrzehnte reichen aus, eine Wahrheit für immer zu etablieren, sie so festzuzurren und im eigenen Saft einzufrieren, dass sie anstelle dessen, was wirklich geschehen ist, die Funktion der "Lehre aus der Geschichte" übernehmen kann. Die Mauer, seit 32 Jahren wieder Geschichte, gilt allenthalben als perfider Trick der Kommunisten in Ostberlin, die eigene Bevölkerung einzusperren, eine Maßnahme, getroffen aus purer Bosheit, Hilflosigkeit und Angst. Und das auch noch, nachdem kurz zuvor noch hoch und heilig versprochen worden war, dass niemand die Absicht habe, eine Mauer zu errichten.
Stirn an Stirn in Deutschland
Dann geschah es doch, natürlich vollkommen überraschend. Es rollten Panzer, die Weltmächte standen Stirn an Stirn mitten in Deutschland und die Welt stand vor dem Atomkrieg. Nebenher schaute sie wieder auf diese Stadt, wie es Ernst Reuter Jahre zuvor verlangt hatte. Und sie sah, was sie sehen sollte: "Die Bauarbeiter unserer Hauptstadt" (Ulbricht) beschäftigten sich nun doch nicht mehr "hauptsächlich mit Wohnungsbau", sondern ihre wurde "voll eingesetzt", um die Grenze zu befestigen. Der Westen schaute entsetzt und erschrocken zu, vollkommen überrumpelt, weil er, das ist die Wesensart westlicher Politiker, aber auch die Art, wie westliche Geheimdienste ihre Arbeit erledigen, nicht einmal ahnte, was da kommen würde.
Ein Märchen, das je leidenschaftlicher erzählt wird, als die zugrundeliegenden Ereignisse im Dunkel der Zeit verschwinden. Als sich Nikita Chruschtschow, Regierungschef der Sowjetunion, und US-Präsident John F. Kennedy Anfang Juni 1961 in Wien trafen, besprachen beide die Lage in und um Berlin in einer Offenheit, die heute kaum noch vorstellbar ist. Chruschtschow bot seinem Gegenüber nichts anderes als ein Ultimatum an: Die USA sollten ihren Platz in der Mitte Europas, in der Mitte Deutschlands aufgeben. Dafür würde ihnen die Sowjetunion einen einen Friedensvertrag zum Abschluss des Zweiten Weltkrieges anbieten, geschlossen mit allen Teilnehmerstaaten. So dass, so Chruschtschow, Berlin, dieser "Splitter", dieses "Geschwür am Körper Europas", beseitigt werde.
Geschwür am Körper Europas
Ein Schachspiel, bei dem die Kreml-Führung alle Figuren so angeordnet hatte, dass jeder, der sich auf die andere Seite des Tisches setzte, hätte verlieren müssen. Kennedy wusste das, wie er auch wusste, dass Moskau ein Nein nicht akzeptieren würde. Wenn der Russe ihm drohte, durch einen einseitigen Friedensschluss mit der DDR würden alle Zugangsrechte der anderen Alliierten nach Westberlin wegfallen, war klar, dass die Sowjetunion unter Druck stand. Ihr Deutschland blutete aus, ökonomisch kam der Vasallenstaat auch anderthalb Jahrzehnte nach Kriegsende nicht auf die Beine und aus dem Plan, ihn gegen ein neutrales Deutschland als Pufferzone in der Mitte Europas einzutauschen, war auch nichts geworden.
Die Berlin-Offensive Chruschtschows war für Washington leicht als Verzweiflungstat zu erkennen. Mehr als zwei Millionen Ostdeutsche hatten die DDR seit ihrer Gründung verlassen, eine Abwanderungswelle, die erst nach 1990 noch höher schwappen würde. Mit jedem Menschenverlust aber verschärfte sich die ökonomische Not, die der zusehends verzweifelnde Walter Ulbricht seinen Dienstherren in Moskau in einem Brief offen gestand. Der "teure Genosse Nikita Sergejewitsch" müsse wissen, warum die DDR bereits elf Jahre nach ihrer Gründung in so schwere ökonomische Schwierigkeiten gekommen sei, dass ihre oberste Führung eingestehen müsse, die angestrebten Siebenjahrplansziele nicht mehr erreichen zu können. "Die Deutsche Demokratische Republik wurde als Staat gebildet, der fast über keine Grundstoffindustrie verfügte. Während des Zweijahrplanes und des ersten Fünfjahrplanes bis 1955 wurden noch bedeutende Reparationen geleistet. Besonders ab 1955 mussten wir im Interesse der Erhöhung des Lebensstandards der Bevölkerung den Export auf fast allen Gebieten so steigern, dass für die notwendige Rekonstruktion der Industrie fast keine Mittel und Ausrüstungen zur Verfügung standen."
Getriebene der Umstände
Mit Nichts angefangen, das auch noch verloren und dafür in die Kritik geraten - Ulbricht, ein auf Bildern unangenehm wirkender Mann mit einer unangenehmen Lebensgeschichte, ist auch in den Monaten vor dem Mauerbau kein Gestalter, sondern ein Getriebener der Umstände. "Infolge der offenen Grenzen gegenüber Westdeutschland, das uns in bezug auf das industrielle Niveau in vielen Produktionszweigen und in bezug auf den Lebensstandard der Bevölkerung überlegen ist, konnten wir manche ökonomischen Gesetze nicht einhalten", schreibt er an Chruschtschow. Die DDR habe dadurch "besonders in den letzten Jahren sehr große Verluste an hochqualifizierten Arbeitskräften durch die Abwerbung der westdeutschen Monopole zu verzeichnen", zudem fehle es dem Land durch "diese Tatsache und die ungenügenden Möglichkeiten zur Mechanisierung und Automatisierung" an einem Hebel, um das "Entwicklungstempo der Produktion" (Ulbricht) zu erhöhen.
Das sozialistische Wirtschaften, es funktioniert nicht im Kleinen und im Großen auch nicht. 25 neue Schwermaschinenbaubetriebe sind in der jungen DDR entstanden, alle allein im "Interesse der Belieferung der sozialistischen Länder mit schweren Ausrüstungen". Aber jeder Verkauf ist ein Minusgeschäft für die DDR, die teurer produziert als es die in Moskau festgelegten Preise ihr vergelten. Die "durch Mobilisierung der Werktätigen unter Führung der Partei und die Hilfe der Sowjetunion" erzielten "ökonomischen Erfolge", auf die Walter Ulbricht seinen Genossen in Moskau verweist, sind denn auch ebenso rein rechnerischer Natur wie der Rückgang des "Rückstand gegenüber Westdeutschland". Wachstumsraten der Industrieproduktion um zehn und sogar zwölf Prozent und eine Arbeitsproduktivität, die ebenfalls mit zweistelligen raten nach oben springt, reichen nicht, um den Abstand gegenüber Westdeutschland beim Lebensstandard zu verringern. Verschärfend, so Ulbricht, komme hinzu, dass "in Westdeutschland eine neue wirtschaftliche Hochkonjunktur einsetzte und ein Mangel an Arbeitskräften auftrat".
Konkurrenzmodell West
Wenn man aber arbeiten kann und geradeso davon leben oder arbeiten und sehr gut leben, dann fällt die Entscheidung leicht. "Gegenwärtig gibt es in Westdeutschland praktisch keine Arbeitslosigkeit", klagt Ulbricht, dagegen mehr als 500.000 offene Arbeitsstellen. 1960 hätten deshalb wieder 200.000 Personen die Republik verlassen; 1961 sind es bis Ende Juli auch schon wieder 130.000. Dadurch sei die Gesamtzahl der Beschäftigten in der Volkswirtschaft der DDR absolut zurückgegangen. "Nach grober Berechnung führt der Verlust an Arbeitskräften durch Abwerbung zu einem Produktionsausfall allein in der Industrie in den Jahren 1960 und 1961 von 2,5-3 Mrd. DM."
Dieser Arbeitskräftemangel rufe immer neue Disproportionen hervor. Bauvorhaben geraten in Zeitverzug, in einer Planwirtschaft löst das Kettenreaktionen aus. Es gibt "Komplikationen in der Versorgung der Bevölkerung", weil "die notwendigen zusätzlichen Bezüge aus kapitalistischen Ländern nicht durch Exporte der DDR gedeckt werden" können. Schon im elften Jahr nach ihrer Gründung hängt die DDR am Schuldentropf des Westens: "Der Passivsaldo Ende 1960 mit dem kapitalistischen Weltmarkt betrug etwa 550 Mio VDM, dabei mußten 1960 bei kapitalistischen Banken kurzfristige Kredite in Höhe von 215 Mio VDM aufgenommen werden", rechnet Ulbricht vor. Außerdem seien die Verbindlichkeiten aus dem laufenden Geschäft durch die volle Ausschöpfung der Zahlungsziele von 110 Millionen Valutamark auf 220 Millionen angestiegen.
Die Stoppuhr reicht
Es braucht keinen Kalender mehr und nicht mal mehr eine Uhr, um das Ende nahen zu sehen. Eine Stoppuhr reicht, denn Ulbrichts Führung dreht sich in einem Teufelskreis. Die hohen Schulden zwingen zur Einschränkung bei den Importen. Die dadurch größer werdenden Versorgungslücken rücken der Bevölkerung den Rückstand beim Lebensstandard verglichen mit Westdeutschland ins Bewusstsein. Die Menschen gehen, die Schulden bleiben zurück. "Diese Lage wird noch dadurch verschärft, dass wir per 31.7.1961 bestehende Verbindlichkeiten in Höhe von 80 Mio Valuta-DM nicht zum Fälligkeitstermin begleichen konnten." Bei anderen kapitalistischen Ländern habe die DDR zudem Schulden in Höhe von 196 Mio Valuta-DM, insgesamt müsse bis Jahresende eine Summe von 70 Mio Valuta-DM zurückgezahlt werden. "Für die Abdeckung dieser Verpflichtungen haben wir heute noch keine Sicherung", klagt Ulbricht, der die Situation ungetarnt benennt: Die DDR befindet sich "teilweise in einem Zustand der Zahlungsunfähigkeit".
Zusammenbruch oder Neuanfang durch einschneidende Maßnahmen, das sind die Alternativen, vor denen die DDR-Führung steht. Wobei Moskau entscheiden muss. Ökonomisch ist nichts zu machen, selbst die Schulden der Bruderländer - allein Bulgarien schuldet der DDR 150 Millionen - lassen sich nicht eintreiben. "Die geschilderten Schwierigkeiten haben zu einer Verringerung des Entwicklungstempos der Industrieproduktion geführt", führt Ulbrich abschließend aus und nennt nach 12 Prozent Wachstum im Jahr 1959 8,3 Prozent für 1960 und nur noch "maximal 6,5 Prozent" für 1961. Das reicht nicht, um den Westen einzuholen, das reicht erst recht nicht, um in zu überholen. Es geht aber nicht schneller und niemand kann etwas tun - außer, und in der Situation, in der Berlin und Moskau stecken, ist das vollkommen alternativlos, den Freiluftversuch DDR in ein Treibhausexperiment zu verwandeln. Indem man eine Mauer rundherum baut.
100 Milliarden sind nicht genug
Der Erfolg, der immerhin 28 Jahre Konkursverschleppung ermöglichte, gibt Chruschtschow und Ulbricht recht. Und beinahe hätte die Sowjetunion sogar noch ein gutes Geschäft mit ihrem Stück Deutschland gemacht: Ende der 60er Jahre bietet Ludwig Erhardt den Russen 100 Milliarden D-Mark für die DDR. 17 Millionen Konsumenten und Steuerzahler und eine Immobilie von mehr als 108.333 Quadratkilometern sei das wert, argumentierte der Bundeskanzler. Moskau findet das nicht, denn der strategische Wert des Stück sozialistischen Deutschlands scheint dem Kreml weit höher als der monetäre. Die DDR-Führung kontert dann mit einer eigenen 100-Milliarden-Forderung: Das Geld stehe ihr ja wohl ohnehin zu.
Gezahlt hat dann niemand an keinen.
Es dürfte einschlägige Kreise wurmen, dass man über 30 Jahre später noch keinen akzeptablen positiven Spin für die Mauer hinbekommen hat.
AntwortenLöschenOT
Galt Gysi nicht einst als Mastermind der Linken?
http://www.dernewsticker.de/news.php?id=415359
...Taliban Hilfsangebote zu unterbreiten und diese an Bedingungen zu knüpfen...
Ist das nur Newsproduktion auf Biegen und Brechen oder spukt dem wirklich so ein Müll durch's Hirnfach?
spukt dem wirklich so ein Müll durch's Hirnfach?
AntwortenLöschenNoch schnappe ich nach Luft - heilige S ...
Ein Indiz dafür, daß (((deren))) Wahnvorstellung, ihr Wüstendschinn Hauaha hätte (((ihnen))) laut Talmud neunmal mehr Witz verliehen als unsereinem, ein aus unangebrachtem Eigendünkel entstandener Irrtum sein dürfte.
Andererseits - (((die))) spielen mehrfach über Bande, und meist erfolgreich.