Olaf Scholz setzt im Wahlkampf auf optische Schockeffekte durch Weitwinkelaufnahmen. |
Ginge es nur um den Mann, dann wäre Olaf Scholz schon sicher im Kanzleramt. Seit die Union sich entschieden hat, den aussichtsreichen Christsozialen Markus Söder nicht als Kanzlerkandidaten aufzustellen, sondern auf den farblosen Armin Laschet zu setzen, prägten drei gegenläufige, aber gleichzeitige Bewegungen die Wahlumfragen: Die Grünen verloren ein Drittel ihrer im Zuge der Baerbock-Nominierung fest zum Klimaschutz entschlossenen Wähler. Die Union büßte ein Viertel ein. Und während von FDP über AfD bis zur marginalisierten Linken alle anderen Umfragergebnisse wie festgenagelt in den Grafiken hing, tat sich etwas bei der deutschen Sozialdemokratie: Mikroskopisch kroch die SPD Millimeter um Millimeter nach oben.
Aufholjagd aus dem Stimmungskeller
Schon hat die ehemalige Volkspartei das Tal der Tränen hinter sich gelassen, in dem nur noch jeder siebte Wähler sich vorstellen konnte, der nach Sozialismus, Planwirtschaft und Vollkontrolle durch den Staat strebenden Linkspartei Nummer 2 seine Stimme zu geben. Mit 18 Prozent liegt die SPD inzwischen in einigen Umfragen gleichauf mit den Grünen, der gerade noch vom Kanzleramt träumenden radikalen Partei des Ausstiegs aus allem, gleich und gerecht. Ein Treppenwitz der Geschichte, hatte die SPD doch zuvor monatelang versucht, eine eigene Radikalität aufzubauen, antikapitalistisch und staatssozialistisch. Der Erfolg war überschaubar, denn so sehr Saskia Esken, Walter Borjans und Kevin Kühnert auch das Morgen schon im Heute versprachen, sobald wieder ein Genosse im Kanzleramt sitzen würde, so rigoros verweigerte das Volk den Genossen die Gefolgschaft.
Bis die Partei den Wahlkampf nach dem Vorbild von CDU, FDP und Linkspartei aufgab. Ungestört von Plakaten, Parolen und vorgezogenen Programmduellen wuchs der kleine Olaf Scholz neben dem noch kleineren Armin Laschet und der zuvor bereits aus dem Rennen ausgeschiedenen copycat Annalena Baerbock zu einem Seriositätsriesen. Scholz trägt die richtige Jacke zur Flutkatatsrophe, er macht die richtige Stirn zum richtigen Millionenversprechen und bei ihm gibt es fünf Wahlversprechen zum Preis von vieren. Seine Partei hat ein Einsehen, sie steht nur noch schweigend hinter ihm, wo andere Parteien sich selbstquälerisch fragen, ob der eigene Kandidat besser durch Anpeitschen im olympischen Stil oder entschlossene Hau-drauf-Hau-drauf-Rufe in die Spur wäre.
Unter dem Laschet-Peak
Ein Wahlkampf, der gar nicht verloren gehen konnte, droht tatsächlich vollkommen vor den Baum zu laufen. Verglichen mit dem April, als eine absolute Mehrheit der Grünen nur noch wenige Wochen entfernt war, hat die Union zwar immer noch fünf Prozent gutgemacht. Doch Laschets Plan, als Kandidat, den niemand kennt und niemand will, den niemand mag und kaum einer auch nur respektiert, am Ende des Wahltages einfach die Stimmen all derer gesammelt zu haben, die Angst vor zu viel Klima, zu viel Sozialismus, zu viel Gerechtigkeit und zu wenig Staat haben, droht zu scheitern. Seine Partei, in der Merkel-Ära gewohnt, gewählt zu werden, weil bei allen anderen noch mehr Unheil dräut, liegt heute umfragetechnisch sieben Prozent unter den Werten der letzten, von Merkel durch pure Beharrungskraft gewonnenen Bundestagswahl und vier Prozent unter dem Laschet-Peak.
Das reicht nicht, das reicht nicht einmal für eine der prallbunten und diversen Notkoalitionslösungen, die sich überall zusammenraufen, wo die Kraft der Demokraten so eben noch reicht, Regierungen zu bilden. Ginge es im September ausnahmsweise mal wirklich zu, wie es die Fantasiezahlen der Demoskopen im Augenblick vorhersagen, könnte auch Olaf Scholz bald so regieren, gestützt auf eine Koalition mit Grünen und Linkspartei oder auch auf eine mit Grünen und Liberalen. Inhaltlich alles unproblematisch, denn von Marginalien abgesehen ist sich das politische Berlin weitgehend einig über die Zielpunkte der nächsten Legislatur: Paris muss eingehalten, die Welt gerettet werden, Deutschland muss ein Zeichen geben, ein Vorbild sein, die EU nicht nur zusammenhalten, sondern sie auch finanzieren. Und ja, man muss sich besser auf künftige Krisen vorbereiten!
Unterm Regenschirm im Flutgebiet
Armin Laschet, wie er unter dem Regenschirm durch die Flutgebiete tänzelt, im schicken Jackett, wo der gewiefte Scholz die Jack-Wolfskin-Jacke übergeworfen hat, bräuchte es dazu nicht. Der Plan des "rheinischen Hauslatschs mit der Physiognomie eines Bassets", ohne großes Aufsehen ins Kanzleramt zu rutschen wie Vorgängerin Angela Merkel dort immer wieder hingerutscht ist, wäre gescheitert. Die als Tiger*innen gestarteten Grünen endeten als Bettvorleger des als Zählkandidat ins Rennen gegangenen Sozialdemokraten. Die - gemessen an allen Wettbewerbern - marktradikale FDP dürfte sich nur noch aussuchen, ob sie sich mit Ministerposten für die Funktion als Mehrheitsbeschaffer der Sozialdemokratie entlohnen lässt. Oder ob diese Ehre der Linkspartei zufallen soll, deren unaufhaltsamer Niedergang so von einem letzten Zweckeinsatz gekrönt würde. Olaf Scholz hat das Format, diese Kleinigkeiten im Gesamtpaket zu moderieren. Er braucht nur fünf Prozent, einen schlappen Laschet und eine möglichst ehrgeizige Baerbock, dann wird das Wunder wahr.
Bei aller Kompetenz der SPD, man hätte ihn mal auf einen Lächelkurs schicken können.
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