Mittwoch, 28. Juli 2021

Umweltschutz: Der Kampf um den deutschen Auto-Schrott

Was ich hier draußen jeden Tag erlebe, ist Krieg, richtiger Krieg. Da geht es um Profit, um Gewinn, darum, beim Chef besser dazustehen. Du drehst Dich um, und schon hat Dir einer die Arbeit kaputtgemacht. Nicht weil er denkt, dass er dadurch selbst einen besseren Schnitt macht. Das ist es nicht. es geht nur darum, dem anderen, den Konkurrenten, alles zu versauen.

Als ich anfing, war das alles noch anders. Damals hatten wir noch polnische Auftraggeber, auch aus der Ukraine kamen Leute, die etwas vom Geschäft verstanden und anständig bezahlt haben. Es ging darum, die Leute bei der Hand zu nehmen und sie mit der Nase auf ihre Chancen zu stubsen, ganz vorsichtig. Du, mein Lieber, dein altes Auto, das ist doch noch richtig was wert! Wir hatten diese bunten Visitenkarten, anständig Zahlen drauf, unwiderstehliche Angebote. Das lief. Bin ich einen halben Tag über so einen Riesenparkplatz an einem Einkaufszentrum getigert, riefen danach bestimmt drei, vier Leute bei Pawel an, das war damals mein Chef.

Pawel ist nach Hannover weiter, als die Polen den Import von älteren Autos verboten haben. Es wurde ihm alles zu umständlich, kann ich auch verstehen. Jedes aufgekaufte Auto musste vor der Grenze mühsam auseinandergebaut werden, dann ging es als Ersatzteillieferung rüber, und hinter der Grenze wurde es wieder zusammengesetzt. Das frisst natürlich an den Renditen.

Ich habe ja mal BWL studiert, Ökonomie hieß das damals noch, SozÖk um genauer zu sein. Ich weiß, wovon ich rede. In Hannover hat Pawel einen Platz aufgemacht, da kauft er auf und vertickt an die Schwarzafrikaner. Die bringen die Karren nach Hamburg und dann gehts per Schiff nach Senegal, Elfenbeiküste, Obervolta. Da ist noch Geld zu machen, mehr jedenfalls als auf unserer Seite hier. Hier fressen sich alle gegenseitig die Haare vom Kopf: Stecke ich meine Karten auf seinem Großparkplatz eine Runde rum überall rein, bin ich heute noch nicht ganz durch, da hat einer meiner sogenannten Kollegen schon die Hälfte wieder rausgezogen, auf die Erde geschmissen und seine eigenen platziert.

Es ist manchmal zum Verzweifeln. Morgens ziehe ich mit 1000 oder 2000 Kärtchen los, habe ich die ausgeteilt, bringt das aller Erfahrung nach vier bis sechs Anrufe von Leuten, die ihre alten Autos loswerden wollen. Nun rechnen Sie ruhig mal mit: Klemmt mir einer die Hälfte der Karten, rufen auch nur noch halb so viel Leute an. Dann fällt meine Provsion so dünn aus, dass ich nur die Pauschale habe. 40 Euro am Tag. Ich bitte Sie!

Als BWLer kann ich Ihnen das alles erklären. Die Arbeit ist leicht, man braucht ja nichts weiter als ein gutes Auge für Autos, die nicht mehr ganz neu sind. Und dann flinke Füße, um schnell rumzukommen. Das würden viele gern machen, auch wenn das Verteilen bei Regen und Kälte manchmal kein reiner Spaß ist. das sehen die Neuen natürlich nicht, wenn sie anfangen. Die sehen nur das schnelle Geld, leicht gemacht.

Als Aufkäufer findest du also immer Typen, die als Zettelstecker gehen wollen, auch für viel weniger Geld als wir früher bekommen haben. Die Aufkaufplätze in unserer Ecke gehören ja inzwischen alle Kurden und Schwarzafrikanern, die Polen und Ukrainer sind weg, kaum einer arbeitet noch im Ostexport. Damit ist eine ganz neue Mentalität in die Szene gekommen - ich habe schon von Kollegen gehört, die sind angegriffen worden, weil sie angeblich im "Revier" irgendeines Ali gesteckt haben.

Dass ich nicht lache. Revier. Wir sind ein freies Land, sage ich immer, da respektiert man auch die Zettel der anderen. Zumindest war das früher so. Heute, das muss ich zugeben, zerre ich auch aus dem Scheibenschlitz, was irgendwelche anderen da reingestopft haben. Tut mir leid, ich kann mir den Luxus der Toleranz nicht mehr leisten. Es geht ums Überleben, jeden Tag. Und nun muss ich wieder los.

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4 Kommentare:

  1. Erschütternd! Ein blinder fleck in der öffentlichen wahrnehmung! Wenn man das bei der einrichtung der "Umweltprämie" genannten abwrackprämie gewusst hätte, bei der die alten, noch fahrtüchtigen autos dank staatsknete verschrottet wurden, damit mit hohem energieeinsatz neue gebaut werden, die auch bald verschrottet werden müssen, weil sie nicht auf akku fahren. Das umweltfreundliche daran ist, dass dadurch mehr afrikanerinnen zu fuss wasser holen gehen müssen anstatt mit dem kraftfahrzeug.

    Habe übrigens selber auch mal so einen bunten Zettel bekommen. Und zwar in den briefkasten: Ich habe nämlich gar keine auto.

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  2. Wenn die grüne Einheitspartei den Individalverkehr endlich auf Funktionäre mit demokratisch essentiellen Aufgaben beschränkt hat, werden die Batterieautos dann auch für'n Appel und'n Ei nach Schwarzafrika gehen?

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    1. Wenn's soweit ist können wir aber völlig beruhigt Steine von der Autobahnbrücke schmeißen, es trifft dann immer die Richtigen.

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  3. @Anonym1: Die Elektroautos werden nicht nach Afrika entsorgt, die braucht man dann hier als stationäre Akkus.

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