Das betreute Leben, die Vermeidung von Konfrontation und dem Eindruck, es könne andere Meinung als die eigene nicht nur geben, sondern sie könnten womöglich sogar ihre Berechtigung haben, sie haben Hochkonjunktur in einem Land, das sich nach Bullerbü sehnt, je näher es Büllerbü kommt. Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz und einer ganzen Armada an Hassbekämpfungsverordnungen ist Deutschland zum Vorbild fragwürdiger Nacheiferer geworden - doch die angeordneten Einschränkungen der Freiheiten reichen nicht, denn sie reicht nie, so lange noch ein Rest von Unwägbarkeit bleibt.
Im Doppelschatten durchregieren
Wie beim Pingpong geht es hin und her, mal verschärft der Bund, mal fordert ein Land härtere Gesetze, mal ordnet die EU als oberste Oberbehörde an, was durchzusetzen ist, um virtuelle Gewalt, hochgerechnete Fake-News-Fluten und schamlos schimpfende Andersmeinende einzuhegen. Eben erst ging der nächste Anlauf zur Einführung des ersehnten Staatstrojaner glatt durch, im Doppelschatten von Seuche und Fußballtheater aber geht noch mehr: Diesmal sind es die Bundesländer, die mit Hilfe des Jugendmedienschutzes vorschreiben wollen, dass digitale Endgeräte künftig nur verkauft werden dürfen, wenn sie mit vorinstallierten Porno- und Jugendschutzfiltern ausgeliefert werden.
Eine ganz neue Dimension staatlicher Anmaßung. Nicht der Schaden soll repariert und der Schadende bestraft werden, sondern der Hersteller verpflichtet, vorausschauend dafür zu sorgen, dass von staatlichen Institutionen als schädlich erkannte Informationen gar nicht mehr zu Nutzern gelangen können. was nach einer totalitären Vision klingt, neben der "1984" an ein Sandkastenspiel erinnert, ist vollkommen ernst gemeint: Alle Anbieter von Betriebssystemen für PCs, Laptops und Handys würden per Gesetz dazu verpflichtet, sogenannte "Jugendschutzfilter" vorzuinstallieren und ab Werk Voreinstellung alle Webseiten zu blockieren, die nicht für unter 18-Jährige geeignet oder nicht mit einer Altersfreigabe nach deutschen Recht versehen sind.
Globales deutsches Recht
Nun ist dieses deutsche Internetrecht weltweit eher unbeachtlich. Abgesehen von einigen US-Nachrichtenseiten, die seit der Einführung der Datenschutz-Grundverordnung alle Nutzer als der EU aussperren, haben sich tatsächlich nur Staaten wie China, Vietnam, Pakistan und Russland entschlossen, sich die deutschen Sperr- und Meldevorschriften zum Vorbild zu nehmen. Doch die Bundesländer, seit der Erfindung des www immer wieder grandios gescheitert mit dem Versuch, Teile des Netzes zu sperren, irritiert das keineswegs. Obwohl eine entsprechende Formulierung in der neuen Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) dafür sorgen würde, dass schlagartig die Mehrzahl der Internetseiten der Welt mangels deutscher Alterseinstufung von Deutschland aus nicht mehr zugänglich wären, steht der Iran-Plan: Entweder, Seitenbetreiber aus den USA, Australien, Kanada, Schweden, Spanien und so weiter bewerben sich um eine Alterseinstufung ihrer Angebote nach deutschen Recht. Oder die neuen Zwangsfilter sperren ihre Angebote, bis die entsprechende Altersverifizierung erledigt ist.
Vordergründig geht es um Pornoseiten, doch letztlich trifft der Hammer alle. Wenn ein Betriebssystem auch für den deutschen Markt bestimmt sei, müsse es "technische Programme" besitzen, die ab Werk so eingestellt sind, als wäre der Käufer, Besitzer und Nutzer ein Kind. Natürlich kann er dann später "ein höheres Alter nachweisen", so viel Freiheit bleibt denn doch. Seine entsprechende Altersidentifizierung müsse dann bei jedem Besuch einer Seite an den Seitenbetreiber übermittelt werden, so dass der sehen kann, ob der Nutzer sich legal bei ihm umschaut.
Kindernet statt Internet
Datenschutztechnisch ein Alptraum, zumal selbst "Anbieter von Telemedien mit redaktioneller Verantwortung" ab 100.000 Nutzer pro Monat eine "Softwareschnittstelle" parat halten sollen, die mit den Geräten der Besucher aushandelt, wer was zu sehen bekommt. Und wer was nicht. Kein Internet mehr, sondern ein Kindernet, dessen Vorschriften nicht nur im Inland und für inländische Seitenbetreiber, sondern nach dem Willen der Bundesländer global gelten. Am deutschen Wesen wird das Netz genesen, diesmal ganz bestimmt, denn die Filter seien "mit überschaubarem Aufwand technisch umsetzbar ist", wie heise.de einen sächsischen Beamten zitiert.
Kinderparlament.
AntwortenLöschenHatten wir nicht neulich mal das Thema, daß Formel-1-Fahrer nichts in der Rübe haben (müssen). Sie müssen immer nur im Kreis fahren, Runde für Runde.
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Ex-Weltmeister Vettel fordert ein Umdenken in der Formel 1
»Ja, ich werde grün wählen«
"Betriebssysteme, die auch für den deutschen Markt bestimmt sind, müssen technische Programme vorsehen."...
AntwortenLöschen'Technische Programme' klingt, als hätte die Oma die erste Stunde IT für Senioren hinter sich.
Vielleicht interessiert sich ab einem bestimmten Punkt keiner mehr für den deutschen Markt.
Wie man hört, ist ein guter Teil des Internets von Deutschland aus schon nicht mehr sichtbar, weil es sich nicht mehr lohnt, Extra-Setups für die EU bereitzustellen.