Krasser Körperkontakt, keine Maske: Die Infektionszahlen in der Fußball-Bundesliga liegen nach der ersten kompletten Corona-Saison um das Dreifache höher als in der Gesamtgesellschaft. |
Sie mussten immer weitermachen, durch die lange Ebene der Infektionszeit, eingesperrt in eine Blase aus Testkonzept und Hygienevorschrift, weggesperrt in Gruppentherapie, um ein- oder zweimal in der Woche herausgelassen zu werden. Die Fußballer der 1., 2. und 3. Bundesliga erfüllten in der Corona-Pandemie eine gesellschaftlich wichtige Funktion: Für Brot sorgten die durch alle Lockdowns geöffneten Supermärkte. Für die Spiele sorgten der FC Bayern München, Borussia Dortmund, Rasenball Leipzig und die seit Jahren um Anschluss bemühten anderen Fußballfirmen, zumeist beheimatet in den Hochburgen im Westen Deutschlands.
Aerosolsprühende Sportler
Ist das nicht gefährlich? Können sich nicht auch junge, leistungsstarke Sportler mit dem Virus infizieren? Spätschäden nicht ausgeschlossen? Kann und darf das Risiko eingegangen werden, bei unklarer Infektionslage Dutzende schwitzender, aerosololsprühender Menschen über Stunden in Körperkontakt kommen zu lassen - ohne Maske, ohne Abstand wie beim CDU-Parteitag?
Die Behörden entschieden früh, dass Bälle rollen müssen für den Sieg über das Virus. Mitten im totalen Krieg des Gesetzgebers gegen zwischenmenschliche Kontakte blieb die Sportversorgung gesichert: Während niemand mehr mit niemandem Kontakt haben durfte, sorgte der Sport für Unterhaltung. Zusammen mit den privaten Talkshow-Anbietern und den Streaming-Plattformen Netflix, Sky und Amazon Prime, den wahren Gemeinsinnsendern der Seuche, gelang es, aufkommende Unruhe im Volk einzudämmen und Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten.
Hoher Blutzoll
Doch um welchen Preis? Wie hoch war der Blutzoll wirklich, den die Aktiven in den Ligen selbstlos entrichten mussten, um der Gesellschaft in Zeiten des "neuartigen Lungenvirus" (DPA) Spaß, Spannung und Ablenkung von den Sorgen des Alltags in die Wohnzimmer liefern zu können? Erste Zahlen zeigen die verheerenden Auswirkungen der Entscheidung, den professionellen Gladiatorenspielen der großen Fernsehsportarten eine Sonderrolle im Kampf gegen "den Virus" (Armin Laschet) zukommen zu laseen. Danach haben sich in der abgelaufenen Saison muss 69 Bundesliga-Spieler mit dem Coronavirus angesteckt, wie der Deutschlandfunk berichtet.
Das klingt nach wenig, doch diese Zahl bedeutet, dass sich trotz aller Hygienemaßnahmen, trotz Abschirmungsblase und hautenger medizinischer Betreuung 13 Prozent aller Aktiven in der 1. Liga infiziert haben. Eine geradezu apokalyptische Menge, die auf ganz Deutschland hochgerechnet eine Zahl von elf Millionen Infektionen bedeuten würde. Dieser Wert liegt dreimal höher als der in der Gesamtgesellschaft - ein klarer Hinweis darauf, dass die vermeintlichen Eindämmungsmaßnahmen von Gesetzgeber, Gesundheitsämtern und den Vereinen als Veranstalter des sportlichen Kräftemessens auf dem grünen Rasen weitgehend versagt haben.
Seuchenzirkus des Spitzensports
Die mediale Aufmerksamkeit allerdings orientiert sich nicht an den desaströsen Zahlen, sondern an der gesellschaftlichen Aufgabe, die der Seuchenzirkus des Spitzensports immer noch zu erfüllen hat. Während Schülerinnen und Schüler seit Monaten daheim sitzen, viele Alte immer noch weggesperrt sind und Händler wie Gastronomen ihre Läden und Kneipen eben erst wieder öffnen durften, reisen Fußballer unverdrossenum die Welt, finden Qualifikationswettbewerbe für das anstehende Olympia-Spektakel und auch bei der Eishockey-WM herrscht beinahe die alten Normalität der Zeit vor unserer Zeit.
Die katastrophalen Ansteckungszahlen der Fußball-Bundesliga, bisher die einzige Liga der einzigen Sportart, aus der überhaupt Daten vorliegen, belegen das Versagen aller Hygienepläne, aller Abschirmungsblasen und Vorsichtsmaßnahmen. Aber zwei Wochen vor dem Anpfiff der Fußball-Europameisterschaft, die der immer noch lähmend langsam vorankriechenden deutschen Impfkampagne weitere vier Wochen Ablenkungszeit erkaufen wird, kann niemand Zweifel am Containment-Konzept brauchen. Der Ball muss rollen, die Sonne scheinen. Bis zur Wahl Mitte September muss gute Laune sein.
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