Angela Merkel, die FDP, Martin Schulz und die Grünen (im Uhrzeigersinn) und ihre Programmatik. |
Die FDP hat es schon geschafft, ihr Wahlprogrammentwurf enthält so wenig "Deutschland", dass kein Grund zur Panik besteht. Bei den Grünen wird noch gekämpft, rein oder aus, hop oder top? Fährt man nicht ohne das Nationale besser, wenn es um das Ökologische geht? Ist nicht Martin Schulz, der Gottkanzler der deutschen Sozialdemokratie, bei der letzten Bundestagswahl auch daran gescheitert, dass er das Soziale mit dem Nationalen hatte versöhnen wollen?
Der rote Faden der Versprechungen
Der Ausgang der Geschichte ist noch offen, der rote Faden aber, der sich durch die Programmatik der Parteien zieht, er wird im Vorwahlkampf vor der Sommerpause schon deutlich. "Deutschland schaffen Menschen wollen" hieß es in Angela Merkels letzter großer Rede, "Deutschland muss wollen Frauen Menschen Zeit Arbeit schaffen", daran glaubte Martin Schulz. Das grüne Programm zur Bundestagswahl in diesem Herbst spart die "Arbeit" und setzt auf "Menschen wollen muss Grünen schaffen". Während die FDP, ewig am Rande, ein "Grundrechte wollen Europa Menschen braucht" ohne den auch bei den Grünen zentralen Verweis auf Deutschland für angemessen halten.
Es sind wahre Wolken aus Wollen, mit denen die Parteien in die letzte Schlacht vor dem nächsten Klimakrieg, der nächsten Anstrengung im Kampf gegen Rechts, dem nächsten Ruck im Gerechtigkeitsgetriebe und der nächsten Etappe bei der Kreditausweitung im Sinne der Nachhaltigkeit ziehen. Kein "wir haben vor" und kein "wir möchten", kein "wir würden" oder "wir würden uns wünschen". Nicht einmal ein "wir werden" oder ein "wir würden", wenn man uns ließe. Nein, das Wollen allein, gestützt von einem assistierenden Müssen prägt die Ansprache: Parteien versprechen nicht mehr, sie versichern nur, dass sie wollen würden, was in jedem Fall müsste, ließe man sie dürfen.
In der Berliner Wollfabrik
Aber will das Volk das auch? Und lässt es sich mit bramarbasierenden Programmen aus der Wollfabrik im politischen Berlin auch diesmal wieder locken, Prokura zu geben für eine Maßnahmen-Demokratur, die auf keinem Wahlplakat versprochen wird und in keinem Wahlprogramm erwähnt? Jeder weiß, dass niemand Parteiprogramme oder auch nur ihre Operativausleger liest, die sie Wahlprogramme nennen. Wer mehr als einmal eine Stimme abgegeben hat, weiß, dass nichts schneller vergessen wird als ein Wahlversprechen - eben noch sind zum Beispiel Steuererhöhungen vollkommen ausgeschlossen. Und schon ein Augenzwinkern später treten sie in Kraft.
Gewollt hat das immer niemand, aber gemacht werden hat es müssen, wollte man nicht riskieren, dass man es tun muss. Politische Führung als Zwangshandlung, bei der Differenz zwischen der Realität und "Tagesschau", das legt das vierte Grundgesetz der Mediendynamik fest, stets größer sein ist als es die Anzahl der "Wollen" in der Parteiprogrammatik auszudrücken vermag.
Der Wille ist da, vor allem der zur Macht. Das Wollen aber ist als konjunktivus politikus des Freihandels mit fragwürdigen Versprechungen eine Herzenshandlung, ungewollt fast rutscht das vom Althochdeutschen willio wie der Wille abgeleitete Verb (lateinisch velle, ‚wollen‘, lateinisch voluntas, ‚Wille‘, lateinisch volitio, ‚Willensakt‘) als sprachwissenschaftliches Abstraktum an die Stelle, an der Wählerinnen, Wähler und Wählende deutliche Zusagen und uneingeschränkte Aussagen erwartet. "Wollen" bezeichnet etwas Nichtgegenständliches, Wollen hat gegenüber dem Werden den großen Vorteil, dass schon sprachlich eine Umsetzungshürde eingebaut ist: Wer will, wird noch lange nicht, denn wenn er nicht kann, was soll er dann tun?
Die Steigerung des Wünschen ist das Wollen
Vorbild für die Sprachnebel, in denen das Wollen schimmert wie ein versprechen, ist die Bibel, die den Begriff sehr häufig erwähnt, stets im Zusammenhang mit dem vermeintlichen Willen des vermeintlichen Gottes, der seinen Propheten Samuel sagen lässt „der Wille des Herrn geschehe“, obwohl es aus Sicht eines allmächtigen Gottes für eine solche Ankündigung nicht mehr Anlass gibt als für die Ankündigung eines Regentropfens, dass er jetzt falle.
Natürlich tut er das, denn das allein ist sein Wesenszweck. Und genau hier findet sich der Grund für die Hochkonjunktur des Wollens. Das Wahlprogramm der Union enthielt im Jahr 1998 ganze fünf Wollen. 2017 waren es schon 20 Wollen. Und bei der kommenden Ausgabe rechnen Beobachter zuversichtlich mit zwischen 33 und 42 Wollen.
Die Aussagekraft der Parteiprogramme nähert sich der von Glückskeksen, aber wenn Entscheidungen anstehen, schauen ohnehin weder Parteien noch Journalisten in die Texte.
AntwortenLöschenUnd ich dachte, es geht vor allem um den Kampf gegen Rechts, Gendergerechtigkeit und die Lohnzahlungslücke statt Sparkassenfilialen zu schließen.
AntwortenLöschenOT was zum Schmunzeln
AntwortenLöschenbei denen:
https://press24.net/news/8390821/paris-g-rald-darmanin-l-sst-nahost-demonstrationen-verbieten
Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin hat angewiesen, dass es in der Hauptstadt keine Nahost-Proteste geben soll.
derweil in Berlin:
https://www.domradio.de/themen/judentum/2021-05-13/staat-muss-fuer-sicherheit-sorgen-aussenminister-maas-fordert-besseren-schutz-von-synagogen
"Und so traurig es ist, dass das überhaupt notwendig ist: Der Staat muss ohne Wenn und Aber die Sicherheit der Synagogen gewährleisten." Zugleich appellierte Maas (SPD)... etc pp ad nauseam
stiller heldenmut wird leider so oft verkannt. ich habe das gelesen, also das, was schon da ist. ich kann versichern: es geht um nichts als den guten eindruck. würde man diese programme an einen lügendetektor anschließen, würde das warnschrillen zu dauerton.
AntwortenLöschenaber ich vermute, das überrascht niemanden