Samstag, 29. Mai 2021

Steinmeier: Er bleibt wieder da

In seiner Zeit als aktiver Bundeskanzlerinnenkanditin, als gescheiterter Parteichef, als Kanzleramtsminister, der die neoliberale Agenda des Gerhard Schröder durchdrücken half, als Chefdiplomat und Verfassungsbrecher war Walter Steinmeier immer einer, der wirkte wie aus dem zweiten Glied, großgewachsen und durch die weiße Haarpracht hervorleichtend. Aber selten aus sich selbst heraus außergewöhnliche. 

Steinmeier, eigentlich Frank-Walter, aber seit einer gezielt gestreuten Fake News von seinen Fans nur noch "Frank" genannt, ist der typische Parteibürokrat. Ein Mann für alle Felle, ob weggeschwommen oder nicht. Steinmeier kann in einem Satz das Für und das Wider verteidigen. Als es noch die alte Normalität gab, die es zu seiner Jobbeschreibung machte, landauf, landab auf Tournee zu gehen, erschien er vor wildfremden Leuten, oft sichtlich im Unklaren darüber, wo er war und mit wem er es zu tun hatte. Und er sprach mit dieser Märchenerzählerstimme aus dem Niedersächsischen, wo sie Maaaaahhhgdeburg sagen, von seiner Hochachtung dafür, wie "engagiert hier gearbeitet und geforscht" werden. Manchmal hieß es auch gewirkt und gelebt, Bundespräsidenten haben diesbezüglich freien Zugriff auf das Musterredenarchiv der Bundesworthülsenfabrik (BWHF).

Spaß am höchsten Posten

 Dass der höchste Posten im Lande dem früheren Sozialdemokraten wirklich Spaß machte, ließ Steinmeier schnell erkennen. Seit er im Schloss Bellevue residiert, ist das Amt des Bundespräsidenten auch immer wichtiger geworden. Hatte Vorvorvorgängerer Horst Köhler in seiner Amtszeit nur ein einziges Gesetz zu unterschrieben, dessen offenkundige Verfassungswidrigkeit ihn daran hinderte, genau das zu tun, liegen auf Nachfolger Steinmeiers Tisch inzwischen jede Woche Gesetzestexte, von denen der ehemalige Mitarbeiter einer von der DDR finanzierten und vom Verfassungsschutz beobachteten extrem linken Zeitschrift weiß, dass frühere Verfassungsgerichte sie in der Luft zerrissen hätten, ehe noch seine Unterschriftentinte getrocknet gewesen wäre.

Walter Steinmeier weiß aber auch, dass die Zeiten andere sind. Wo Köhler noch zurücktrat, gepeinigt von einem Rest Gewissen, kann der in der Vergangenheit bereits als Vorbild für die Figur eines Luftballonverkäufers in einem Hollywood-Film dienende Detmolder sicher sein, dass nach 16 Merkel-Jahren niemand mehr in Karlsruhe sitzt, der nicht handverlesen und auf Zuverlässigkeit geprüft ist. Mit 67 Jahren fängt das Präsidentenleben so erst an, richtig schön zu werden: Wo es drauf ankommt, ist dieser Bundespräsident der schnellste Unterschreiber aller Zeiten. Einmal nur weigerte sich der als Verfassungsbrecher aktenkundige Niedersachse. Mit dem Ergebnis, dass alles noch schlimmer wurde. 

Würde es ohne ihn gehen?

Doch was die Partei betrifft, in der seine Mitgliedschaft pro forma ruht, lässt der erste Mann im Staate nichts anbrennen. Anstand. Und Würde von der Art, die sich fragt: Würde es denn überhaupt ohne ihn gehen? Ist es nicht wie bei Merkel auch wie es bei Kohl war, bei Westerwelle, bei Obama, bei Wowereit? Hinter dem jeweiligen Amtsinhaber immer nichts, kein Nachfolger, kein Kandidat, niemand, dem die Schuhe passen könnten. Einer muss es doch machen! Und wer soll das sein in einem Land der steten Stagnation, des Beharrens und der allumfassenden End-DDR-Müdigkeit? Es kann nur einen geben. Einmeier! Hier muss immer derjenige wieder ran, der schon da ist. Immer noch mal Haseloff, immer noch mal Merkel, immer noch mal Lindner, Schulz, Barolo. Und nun eben Steinmeier, die Teflonpfanne im Schloss Bellevue, die Donald Trump in einem Anfall von Ehrlichkeit als „Hassprediger“ bezeichnet hatte, weil sie glaubte, der könne die Wahl keinesfalls gewinnen.

Die US-Regierung hat den höchsten deutschen Würdenträger daraufhin stabil behandelt wie ein Loch aus Luft. Als Walter Steinmeier einmal nach Amerika durfte, traf er dort Weggefährten früherer Tage, amtslose, abgehalfterte Hoffnungsträger einer besseren Zukunft, an der Walter Steinmeier trotz des Erreichens des Rentenalters am liebsten mitbauen würde. 

Zweite Amtszeit gilt als Pflicht

Noch eine Amtszeit, denn die zweite gilt als Pflicht für alle, die bestätigt haben wollen, dass die erste Klasse war. Schaffst du die zweite nicht, ahnst du schon, was die Historiker schreiben werden: Zu dünne Bretter. Zu wenig Bohrer. Mahner ja, aber als Warner nicht gut. Natürlich weiß Steinmeier, dass ihn angesichts des unklaren Ausgangs der anstehenden Bundestagswahl niemand bitten wird, noch einmal zu kandidieren. Also hat er sich selbst ins Spiel gebracht,  bei einem eilig einberufenen Pressestatement. Das halbstaatliche Portal T-Online feierte das als "Beste Nachricht des Jahres", das ZDF sah eine "mutige Bewerbung", Steinmeier wolle "die Gesellschaft zusammenhalten" lobte die staatliche Deutsche Welle.

Geht es danach, bleibt er wieder da, geht es schief, ist auch nichts verloren. Kommt Schwarz-Grün, wird die neue Groko selbst genug Anwärter zu versorgen haben, kommt Grün-Schwarz, sieht es nicht anders aus. Selbst eine Dreierkoalition in Berlin würde den Bundespräsidentenposten benötigen, um Ausgleichsgeschäfte über Kabinettsposten, Punkte im Koalitionsvertrag oder Ministerienzuschnitte abzuschließen. Die SPD, unter dem neuen dynamischen Duo Esken/Borjans auf das Maß der AfD geschrumpft, dürfte dann etwa so viel Aussicht auf das Amt haben wie der Zehn-Millionen-Impfdosen-Kandidat Olaf Scholz auf den Einzug ins Kanzlerinnenamt.

Ein Posten, der immer gewiss ist

Gewissheit gibt es in der Demokratie nicht, auch nicht bei der Wahl des Bundespräsidenten", hat Steinmeier selbst noch einmal mit einer trotzigen fake news eingeräumt, dass seine Initiativkandidatur eher ein Verzweiflungswurf ohne Würfel ist als Folge der Überlegung, es könne bei all der Hektik einfach noch kein anderer darauf gekommen sein, ihn zu fragen. Selbst Steinmeier, der erst seit 30 Jahren hauptamtlich Politik als Hobby betreibt, weiß genau: Mag es auch sonst irgendwo auf der Welt Zufälle geben, Glück und Überraschungen. Bei der Bundespräsidentenwahl, die vorab im Hinterzimmer stattzufinden pflegt, sicher noch nie.

7 Kommentare:

  1. Ich weiß ja, warum man keine Namenswitze machen soll, weil die sich von selber machen.
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    Wanderwitz: Manche Ostdeutsche „nach 30 Jahren nicht in der Demokratie angekommen“

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  2. PräservativMai 29, 2021

    Er war nie weg, der deutsche Glomskopf.

    Es wird nun aber höchste Zeit, das Feine Sahne Fischfilet ihrem Bewunderer zu Ehren eine Hymne dichtet, die erklärt, was vom Kopf her stinkt.

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  3. Der wandernde Witz ist halt ein Merkelmann, gesinnungsstark und haltungsgeprüft. Was erwarten Sie von ihm?

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  4. Wieso soll man eigentlich keine Namenswitze machen? Ich weiß, dass die Regel Markwort in den Mund gelegt wird, dann hätte sie nur beim Focus bis 2010 gegolten.
    Das wahre Problem ist, dass Steinmeiers Name so ergiebig ist wie der ganze präsidiale Hirninhalt. Irgendwas mit 'Eier' oder dem Fehlen derselben, vielleicht. Schwamm drüber.

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  5. Steinmeier war ein leuchtendes Vorbild bei der Befolgung der Coronamaßnahmen. Wir sollten dankbar sein, daß er die Bürde einer zweiten Amtszeit auf sich nimmt. An ihm können die Deutschen zu anständigen Menschen genesen, wie folgende Geschichte aus der Anfangszeit der Pandemie eindrücklich beweist:

    Viel geschrieben wird von der gehorsamen Befolgung der von der Regierung verordneten Anticoronamaßnahmen durch die Bevölkerung, dagegen erfährt man wenig, wie die Regierenden selbst auf den Ausnahmezustand reagieren. Nehmen sie die Maßnahmen selbst ernst und richten sie ihr Leben an ihnen aus? Sind sie selbst von ihnen überzeugt? Hier eine kleine Episode aus dem Alltag des ersten Bürgers der Republik in diesen Tagen.

    Frank Walter kommt mit hängendem Kopf schlurfend aus seinem Arbeitszimmer. „Du, Elke“, sagt er, „ich bin fix und fertig, mir brummt der Kopf, als würde das Virus in meinem Kopf herumschwirren. Gerade hat mich Merkel angerufen und mir vorgeschwärmt, wie grandios sie die Corona-Krise meistert. Mit ruhiger Hand steuere sie das Land auf den krummen Wegen der Pandemie, das solle ihr erst mal einer nachmachen. Söder z. B. scheitere komplett trotz oder wegen seines hemdsärmeligen Machergetues, Bayern habe die höchste Zahl an Infizierten. Es zeige sich wieder einmal die Kraft des ruhigen Abwägens wie sie es immer praktiziere. In der Leier ging es immer weiter, dabei merkte sie nicht einmal, daß sie die Diktion meines ehemaligen Vorgesetzten und Vorbilds Schröder mißbrauchte. Er durfte von ruhiger Hand sprechen, sie hat doch eher eine zittrige Hand, wie zahllose Videos beweisen. Vor lauter Selbstlob wollte sie gar nicht aufhören, dabei muß sie mich doch nicht davon überzeugen, daß die Ausgangsbeschränkungen notwendig sind. Sie sollte sich mal bei meinem Parteifreund Lauterbach bedanken, der ihr zu ihnen geraten hat.“ Er holt tief Luft. „Jetzt muß ich mich erholen, ich schlage vor, wir machen einen Spaziergang, frische Luft wird meinem Kopf gut tun.“
    Sie verlassen ihre Wohnung und gehen in den nächstgelegenen Park. Lässig flanieren sie auf den Wegen zwischen den mit Gänseblümchen übersäten Wiesen. Nach einer Zeit schlägt Elke vor, sich auf einer Bank auszuruhen und den blühenden Frühling auf sich wirken zu lassen. Auf einer Wiese sieht Elke zwei Eichhörnchen herumrennen, ganz entzückt rückt sie zu Frank Walter und macht ihn auf sie aufmerksam. Beide schauen ihnen fasziniert zu, was ist das herrlich. Plötzlich verfinstert sich die Miene von Frank Walter, er sagt: „Elke, wir sitzen zu nahe zusammen.“ Er holt einen Zollstock aus seiner Jacke und mißt den Abstand zwischen ihnen. „Ein Meter vierzig“, sagt er, „das ist weniger als der verordnete Mindestabstand von eins fünfzig. Wir haben eine Ordnungswidrigkeit begangen, die müssen wir schleunigst anzeigen.“

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  6. Fortsetzung:

    Sie gehen sofort zur nächsten Polizeistation. Hinter dem Empfangstresen sitzt ein älterer Polizist und schaut in den Computer. Mißmutig wendet er sich zu ihnen um: „Was führt sie hierher?“
    „Wir wollen uns anzeigen“, sagen Frank Walter und Elke wie aus einem Mund. Dabei legen sie ihre Unterarme auf den Tresen und schauen den Polizisten ernst an.
    „Sie wollen sich selbst anzeigen? Das kommt selten vor, oder um genauer zu sein: nur in den besten Kreisen“, sagt der Polizist. „Um was geht es denn?“
    „Die Sache ist die, wir sind aus Versehen zu nahe auf einer Bank gesessen.“
    „Aha, wie weit sind sie denn auseinander gesessen?“
    „Ein Meter vierzig.“
    „Hat sie jemand beobachtet?
    „Nein, es war niemand in der Nähe.“
    „Dann können wir die Angelegenheit ja vergessen. Ein Meter vierzig ist praktisch ein Meter fünfzig und somit nur ein unbedeutender Verstoß. Den brauchen wir nicht zu notieren und da sie auch niemand gesehen hat, vergessen wir es einfach.“
    Frank Walter stellt sich auf die Fußspitzen und blickt den Polizisten streng an: „Das ist eine seltsame Berufsauffassung. Wollen Sie damit eventuell andeuten, daß ein Verbrechen, das ohne Zeugen verübt wird, nicht geahndet werden muß?“
    „Nein, das habe ich nicht gemeint. Auch unbeobachtete Verbrechen müssen verfolgt werden, das ist klar.“
    „Sehen Sie, deswegen sind wir hier. Jeder Bürger und jede Bürgerin ist verpflichtet, seine Verbrechen der Polizei zur Kenntnis zu bringen, denn wer bei kleinen Verbrechen schweigt, darf über große nicht reden. Das ist einer meiner Grundsätze als Jurist“, sagt Frank Walter.
    Der Polizist schaut fassungslos und schüttelt den Kopf. „Das hat mir noch niemand gesagt. Aber wenn Sie wollen, nehme ich halt den Fall auf. Wie heißen Sie?“
    Nachdem er das Protokoll fertiggestellt hat, sagt er: „Das macht dann 150 €.“
    „Was soll das heißen? Wir sollen 150 € bezahlen?“
    „Genau, das ist das Bußgeld für Ihren Ordnungsverstoß.“
    „Aber das darf doch nur erhoben werden, wenn die Polizei ihn festgestellt hat, als Aufwandsentschädigung gewissermaßen.“
    „Da täuschen Sie sich. Es ist fällig, wenn die Polizei von ihm erfährt.“
    „Das ist ja noch schöner. Wir nehmen Ihnen die Arbeit ab und dafür sollen wir noch blechen!“
    Der Polizist nimmt einen Schluck Kaffee. „Mist, jetzt ist der auch noch kalt geworden. Alles wegen Ihrer Anzeige. Zahlen Sie jetzt, damit wir endlich zum Schluß kommen.“
    „Wir denken nicht daran. Vielleicht haben wir uns nur vermessen und es war ein Meter einundfünfzig.“
    „Wollen Sie auf einmal leugnen, zu nahe nebeneinander gesessen zu haben. Es bleibt dabei, er war ein Meter vierzig.“
    „Das müssen Sie uns erst mal nachweisen.“
    „Also was jetzt, zahlen Sie oder nicht.“
    „Nein!“
    „Gut, dann kriegen Sie den Bußgeldbescheid eben zugeschickt.“
    „Das können Sie machen. Sie hören dann von unserem Anwalt.“
    Wütend verlassen Elke und Frank Walter die Polizeistation. „So ein Kretin, unterstellt uns eine Ordnungswidrigkeit, einfach unverschämt. Jetzt brauche ich ein Fischfilet mit feiner Sahne, dann vergesse ich den Ärger schneller.“
    „Aber Frank Walter, du weißt doch, dein Magen …“
    „Nein, Elke sag nichts, ich brauche ein leckeres Fischfilet mit viel feiner Sahne, das wird mir gut tun.“

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  7. hebe ich hoch. darf ich?

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